Über eine Umweltkita, Bügelperlen und kein Würstchen-Verbot

Veröffentlicht von leitmedium am

Umweltkita

Und deswegen sei beschlossen worden, dass die Kita jetzt eine Umweltkita werde. Kurz blicke ich pflichtbewusst von meinem Schreibblock auf und suche beliebigen Augenkontakt in der Runde. (Der Trick auf Elternabenden ist ja, einerseits etwas kurzweiliges auf Papier zu machen und dabei geschäftig anteilsnahmvoll zu wirken. Zugleich darf man nicht zu früh damit beginnen oder ansprechbar aussehen, sonst muss man das Protokoll führen. Schaut man wiederum zu selten auf, steht man im Verdacht, vielleicht gar nicht bei der Sache zu sein. Nicht, dass man sich von seinem Elternabend-Ruf irgend etwas kaufen könnte, aber ein bisschen engagiert will man ja doch erscheinen.) Haben sie Umweltkita gesagt?, überlege ich. Was soll das denn sein? Ob sie das eben erklärt haben? Da die anderen Eltern emphatisch zustimmend nicken, nicke ich auf gut Glück mit.

Bügelperlen

Es kämen nun die Vorschläge, welche Schritte die Umweltkita als nächstes nehmen werde. Schließlich müsse man Taten folgen lassen. Zunächst werde es in Zukunft keine Bügelperlen mehr geben. Das sei schließlich vermeidbarer Plastikmüll. Ein paar Eltern ziehen bedauernd die Mundwinkel nach unten. Kurz trauere ich selbst den gebügelten 8bit-Grafiken und lustigen „wie geht das nochmal?“-Bügelunfällen hinterher. Aufopfernd geben sich alle einen Ruck und nicken diesen schweren Schritt einstimmig ab.

Strohhalme

Dann werde es in Zukunft keine Strohhalme und Luftballons mehr geben. Betretenes Schweigen. Über die Luftballons ist wohl niemand überrascht, nachdem auf dem letzten Sommerfest die Kinder ihre Luftballons bereits pantomimisch gehalten haben. Und über die Strohhalme solle man sich keine Sorge machen. Es gäbe eine Alternative: Für besondere Anlässe könne man Makkaroni nehmen. Das sei aber eine schöne Alterntive, wird angemerkt. Vielleicht könne man ja auch bunte Makkaroni finden? Rot zum Beispiel. Rote Party-Makkaroni! Ein kurzes Fachgespräch über farbige Nudeln entsteht. Die Elternschaft ist sich einig: Makkaroni statt Strohhalme ist ein vertretbarer Verzicht.

Abgepacktes Eis

Zu Geburtstagen werde es in Zukunft keine Großpackungen einzeln abgepackter Eise mehr geben und die Eltern sollten so etwas auch nicht mehr mitbringen. Ich überlege, wie man jetzt die Mehrzahl von Eis eigentlich schreibt und dass es ja wirklich nicht schön ist, für jedes der zwanzig Kinder eine Packung aufzureißen, auch wenn es praktisch ist, noch schnell etwas im Supermarkt mitzunehmen. Ob das auch für abgepackte Muffins gelte, wird nachgefragt. Und für einzeln abgepackte Kekse? Nachfragen sind ja immer das wichtigste bei Elternabenden. Irgendwer muss immer etwas ganz bedeutsam nachfragen. Gäbe es keine Nachfragen, wären Elternabende wohl einfach zu kurz. Ja natürlich gilt das auch für andere einzeln abgepackte Süßigkeiten, Du aufgeblasener Horst!, denke ich. Ja, das würde auch für andere abgepackte Süßigkeiten gelten, erklärt jemand geduldig. Leicht mürrisch stimmt die Elternschaft dem zukünftigen Verzicht zu.

Mittagessen

Das Mittagessen gäbe es ab sofort nur noch vegetarisch für alle Kinder. Betroffenes Schweigen breitet sich im Raum aus. Warum das denn jetzt genau gemacht werde, erkundigt sich jemand vorsichtig. Wegen der Kosten? Die Frage wirkt wie ein Strohhalm, um der Wahrheit nicht ganz ins Auge zu blicken. Ja, … auch wegen der Kosten werde es in Zukunft nur noch vegetarisches Essen geben, erklärt eine Erzieherin geduldig. Das sei ja auch eigentlich die letzten Monate schon so gewesen, bis auf das eine Mal, wo das angeblich vegetarische Gulasch keines gewesen sei. Kurz starren einige der ErzierherInnen leicht angewidert ins Leere. Letztlich ändere sich nicht viel, nur würde es auch keine Ausnahmen mehr geben in Zukunft. Leicht Bedenken durch Kopfschütteln anzeigend stimmt die Elternschaft dem formalen Einschnitt zu. Leichtes Unwohlsein macht sich sichtlich breit.

Buletten

Als nächstes bitte man darum, auf Festen, zu denen von den Eltern Essen mitgebracht werde, wegen der muslimischen Kinder bitte auf Schweinefleisch zu verzichten. Kollektives Atemstocken. Ja, das sei… sicher… vernünftig…, wird kommentiert. Weil, da gebe es ja einen Grund. Man könnte doch auch einfach ganz auf Fleisch auf den Festen verzichten, wenn man eine Umweltkita sei, wirft eine Mutter ein. Stille. Noch mehr Stille. Was DAS denn bitte für ein Vorschlag sei?, poltert es los. Als nächstes müsse man noch auf Zucker verzichten, oder wie?, beschwert es sich vom anderen Ende des Tischs. Das sei ja jetzt wohl Whataboutism, entgegnet! Ich bedauere, wieder kein Popcorn mitgebracht zu haben.

Freiheit

Es könne wirklich überhaupt nicht sein, das man Kindern auf Festen Fleisch vorenthalte, erklärt ein Vater. Es sei eine essentielle Erfahrung, haptisch eine Bulette ertasten zu können. Es sei wichtig für die kindliche Entwicklung, diese Erfahrung zu machen. Und überhaupt, es ginge hier ja um Freiheit. Jeder Mensch sei nur verantwortlich für sein eigenes Handeln und jeder könne mitbringen, was er wolle. Ja, selbst Schweinefleisch! Es sei absolut inakzeptabel, Menschen durch Vorschriften so einzuschränken! Kurz überlegen die Anwesenden, was jetzt eigentlich das Thema war, erinnern sich aber daran, dass ihnen jemand die Würstchen wegnehmen wollte und nicken emphatisch. Würstchenverbot bei Eltern-Anwesenheit geht zu weit! Die Demokratie und die Würstchen sind für diesen Abend gerettet.

Streik

Zum Schluss wolle man noch einmal darauf hinweisen, dass zur nächsten großen Klimademo die Kita wieder geschlossen sei, da sich auch die ErzieherInnen am Streik beteiligen werden. Also das sei jetzt aber ein bisschen viel, entrüsten sich einige Eltern. Einmal Demo im Jahr reiche ja wohl fürs Klima und man müsse jetzt auch mal ein bisschen den Ball flachhalten. Makkaroni statt Strohhalmen seien ja noch okay. Aber irgendwo ist doch auch mal Schluss.


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Kategorien: Montagspost

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Parteiloser Postprivatier.

15 Kommentare

Anne · 5. November 2019 um 10:37

Ich bin gelinde gesagt geschockt.
Klimakita ok. Auf Plastik verzichten ok. Aber warum auch das Essen komplett umstellen? Nicht alle Kinder werden vegetarisch erzogen (vielleicht nicht das passende Wort…). Warum müssen dann plötzlich alle das vegetarische Mittagessen gutheißen? Da mein Sohn gern Fleisch isst, hätte ich mich da schon mal quer gestellt. Und bei den Festen kann man doch kennzeichnen was da serviert wird. Dann steht eben neben den Buletten ein Schild mit einem Schwein drauf.
Sorry. Das regt mich dann doch etwas auf, wenn anderen der Lebensstil förmlich aufgezwungen wird.

    Lara_kinderreich · 5. November 2019 um 12:37

    Warum fühlen sich Menschen vom vegetarischen essen immer gleich so bedroht? Zuhause dürfen doch weiterhin tote Tiere verspeist werden…

Richard & Hugo · 5. November 2019 um 10:43

Auch die Kitas befinden sich also im Wandel der Zeit…!? 🙂

LG, Richard & Hugo vom https://www.vatersohn.blog

Katrin Neukirchner · 5. November 2019 um 12:02

Ich bin selbst Erzieherin und stelle mir gerade vor wie beim Elternabend jemand plötzlich Popcorn mampft.??? Schon alleine das Kopfkino reicht aus für nen Lachkrampf.

Uli · 5. November 2019 um 12:22

Ja, das sind die großen Themen unserer Zeit, was essen die Kinder an fünf Tagen die Woche Mittags im Kindergarten?! Eltern wie ich, denen das größtenteils egal ist, scheint es kaum noch zu geben, vermutlich gilt das schon fast als Vernachlässigung. Ich habe auch jahrelang unaufgefordert Putenwiener und Rinderhack für Kindergartenfeste verwendet, in Ketchup ertränkt schmeckt eh alles gleich. Und gab es da nicht die gute alte Zeit in denen gegessen wurde was auf den Tisch kam? Bei vegetarischem Essen scheint das komischerweise nicht zu gelten.

Susanne · 5. November 2019 um 12:36

Warum das Essen umstellen? Naja, weil eben Fleischkonsum mit nachhaltigem Leben wenig vereinbar ist und viele Lieferanten nicht einmal Bio-Fleisch nutzen. Natürlich können Eltern zu Hause die Kinder anders ernähren, aber in der Kita ist doch praktisch, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Zudem stellt sich die Frage: Warum eigentlich wird der Fleischkonsum immer als die Norm angenommen? Möglich wäre ja durchaus auch die andere Sichtweise: Warum sollten es Familien eigentlich tolerieren, dass auf Festen zerhackte tote Tiere neben dem Kuchen liegen? Kann es nicht auch sein, dass das für einige Familien viel schwerer ist, Fleisch auf dem Tisch zu sehen als es anders herum die Abwesenheit von Fleisch ist? Und in einer Überflussgesellschaft wie unserer können wir prinzipiell fragen: Gibt es wirklich keine anderen Snacks außer Bouletten und Würstchen?

Nina · 5. November 2019 um 12:54

Ich hatte mich schon gewundert, dass zunächst keiner was zur Bitte auf Verzicht von Schweinefleisch gesagt hatte. In den Kommentaren kam gleich der gleich Reflex. Bei uns gibt es immer Eltern, die bei festen Würstchen mitbringen und eigentlich sollen sie immer ohne Schwein sein, letztes Mal gab es dann beides mit einem Schild. Manche Eltern machen es einfach zum Trotz. Zum Glück wird sonst selbst gekocht und Schweinefleisch oder Gelatine wird gar nicht verwendet vom Koch und seinem Team. Eine städtische Kita in München, Gott sei dank weiter als die Eltern in ihrem Denken.

Pia · 5. November 2019 um 14:44

Und hier im Saarland gehen muslimische Kinder in eine katholische Kita und laufen brav an St.Martin mit … geht auch.

In Anbetracht des bis zur Unkenntlichkeit „kindgerecht“ zubereiteten Fleischanteils im Kita Mittagessen, halte ich eine rein vegetarische Küche für eine gute Idee.

Klara · 5. November 2019 um 20:05

Ich bedauere ein bisschen, vor dem Lesen der Kommentare kein Popcorn gemacht zu haben. **knusperknusper**

Melli · 5. November 2019 um 20:10

In unserer Kita wird täglich gekocht,an mindestens 3 Tagen komplett vegetarisch, an einem Tag mit Bio- Fleisch, ein richtiges Fleischgericht wie Gulasch oder Königsberger Klopse, es ist dann etwas Besonderes. Das wöchentliche Gruppenfrühstück wird von jeweils einem Kind bzw. dessen Eltern ausgerichtet und ist ausschließlich fleisch- und wurstlos. Auf Kitafesten wird Fleisch ausschließlich in BioQualität durch die Kita besorgt, egal ob Geflügel oder anderes. Das klingt jetzt alles als müsste es viel Geld kosten, tut es aber nicht. Das „teurere Fleisch“ wird durch die anderen,fleischlosen Tage ausgeglichen. Es klappt so wunderbar, für uns war es vor 6 Jahren ein sehr wichtiger Grund,weshalb wir diese Kita ausgewählt haben. Die Kinder verbringen dort viel Zeit, und ein beginnendes Bewusstsein für Umwelt, Tierschutz und Zusammenhänge können auch die Kleinsten schon lernen. Ich finde,es ist ein guter Schritt eurer Kita in die richtige Richtung!
P.S. Makkaroni als Strohhalme funktionieren gut, solange man sie nicht länger als 10min im Getränk stehen lässt. Danach….naja….

Eileen · 6. November 2019 um 13:45

Wow, ich muss sagen ich kann hier so einige Kommentare nicht verstehen. Hier ist der Fleischesser der Feind und Eltern die ihre Kinder nicht fleischlos erziehen sind „trotzig“? Leben und leben lassen, würde ich sagen. Ein oder zweimal in der Woche gibt es in unserer Kita Fleisch und das finde ich auch gut so! Letztlich KÖNNEN die Kinder ja das Fleisch weglassen, aber wenn es grundsätzlich fehlt, MÜSSEN alle fleischlos essen.
Warum nicht gleiches Recht für alle? Das heißt im Angebot gibt es alles (das es von guter Qualität sein sollte, versteht sich für mich von selbst) und was man davon isst, ist jedem selbst überlassen. Wieso nicht zweierlei Würstchen oder Buletten? Oder Tofu oder Gemüsespiesschen oder….. Aber ich finde es falsch nur das Eine oder nur das Andere anzubieten, denn das ist meiner Meinung nach Bevormundung und zwingt einen in eine bestimmte Richtung.

Martina · 6. November 2019 um 15:01

Ich bin ein bisschen irritiert, dass nicht offenbar ist, wie logisch es ist, einfach auf Fleisch in der Kita zu verzichten. Es gibt hier drei: 1.) Fleisch kostet mehr als vegetarisches Essen, daher setzen viele Kitas schon verstärkt auf Fleischverzicht, da das Budget fürs Essen so gering ist, dass es oft sehr minderwertiges Fleisch bedeutet (ungesund, schlechte Tierhaltung) oder den Kostenrahmen schlicht sprengt. 2.) Es gibt auch bei Fleisch verschiedene Vorlieben und religiöse Besonderheiten, auf die man bei vegetarischer Ernährung nicht achten muss. 3.) Fleischkonsum ist einer der Haupt-Co2-Gründe. Ein Verzicht auf Fleisch ist schlicht umweltfreundlicher. Das gesagt bedeutet ein Fleischverzicht in der Kita nur, dass Kinder eine von drei Mahlzeiten am Tag nicht Fleisch bekommen. Was zu Hause und am Wochenende geschieht, ist davon völlig unberührt. Das Argument, man werde durch Fleischverzicht in eine bestimmte Richtung gedrängt: Das ist richtig. Und manchmal ist es eben auch richtig, das richtige zu tun. Fleisch ist teuer, in billiger Form ungesund, begründet oft auf schlimmer Tierhaltung (vor allem im Kita-Maßstab) und spürbar umweltschädlich. Darauf zu verichteten ist einfach: richtig.

Mary · 7. November 2019 um 14:20

Hahaha, Klara, genau das dachte ich auch gerade. Diesmal sind die Kommentare fast genauso unterhaltsam wie der Blogpost. selbst. ?

Anke · 7. November 2019 um 21:50

Wieviel Popcorn (natürlich bio und unverpackt)muss ich schicken, damit du auf dem nächsten Elternabend fragst, ob die Kinder einer Umweltkita nicht nur zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Bus und Bahn gebracht werden dürften?

Kathrin · 4. Dezember 2019 um 14:10

Interessant wäre auch zu hinterfragen, warum bei jedem Kita- Fest überhaupt Essen vorhanden sein muss. Bei uns wird es als Picknick Kultur gelebt und ich muss sagen, meine Kinder essen da eh nie was. Die haben von 16:00-19:00 Uhr schlicht keinen Hunger. Ist ja auch komisch, warum es als Feier zwischen Vesper und Abendessen was zu Essen geben soll? Wenn doch mal Buffet gemacht werden soll, bringe ich immer Obst mit, das essen dann meine Kinder wenigstens, aber Würstchen und Buletten nachmittags? Ich finde immer die Kinderaufführungen bei den Festen am Schönsten!

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