Über eine Duschbürste, anderthalb Zimmer, Midlifecrisis und eine Ballade

Veröffentlicht von leitmedium am

Die Duschbürste

Ihr sei da jetzt etwas unbehaglich bei dem Gedanken, erklärt sie mir. Ein wenig entmutigt wiederhole ich in immer kleiner werdenden Restüberschwang noch einmal stolz meine Erzählung, dass ich so einen Korb für das Duschzeug in der Dusche an der Wand angebracht hätte, und man müsse das jetzt alles nicht mehr auf die Waschmaschine stellen. Das sei doch schön, oder? Ja, das schon, gibt sie zu, aber was sei denn mit der Bürste? Wie sie das meine, mit der Bürste, frage ich. Die neue Duschbürste, die jetzt auch in der Dusche sei? Ja, erwidert sie. Oder eigentlich nein. Die Badebürste, wiederholt sie langsam, pausiert und atmet bedeutungsschwanger. Ich würde nicht ganz verstehen, was sie meine, gebe ich zu. Die neue Bürste sei doch so aus Holz und ökoschnöko und jetzt könne man sich selbst den Rücken beim Duschen… Beim Duschen, unterbricht sie mich, beim Duschen, das sei doch das Problem. Es handele sich hier ganz eindeutig um eine Badebürste und wir hätten nun mal eine Dusche und es sei ihr sehr unbehaglich bei dem Gedanken, eine Badebürste in eine Dusche zu hängen, denn das sei nun einmal einfach nicht richtig. Ich sehe die gerade erst lieb gewonnene Bürste davonschwimmen und überlege, ob ich die Anleitung aus der Papiertonne fische, in der sicher auch mehrsprachig etwas von Duschen stand. Aber Religion schlägt Anleitung, also werde ich wohl einen Ort im Bad finden müssen, wo sie sie die Bürste den Blicken entzieht und als Duschbürste non grata ein verschwiegenes Dasein fristet und ich sie nur dann und wann rausholen werde, wenn ich eines der seltenen Male bei verschlossener Badezimmertür dusche und niemand an die Badezimmer trommelt.

Anderhalb Zimmer

Dabei gibt es ja gar nicht so viele einsame Momente für sich selbst hier im Haus, denn dafür ist auch nicht so viel Platz auf unseren rechnerisch anderthalb Zimmern, die sich auf zwei Etagen verteilen. Mir ist erst letztens aufgefallen, dass wir ja auch die Stadtwohnung verlassen haben, weil sie zu klein war und zu wenig Zimmer hatte, aber aus Großsstadthipstertum in unserem kleinen Haus zuallererst einmal aus den fünf Zimmern durch Rausreißen von Wänden und Böden und Entfernen von Türen anderthalb wirklich schöne Räume über zwei Ebenen gestaltet haben, die die Winzigkeit gut kaschieren, aber eben auch hellhörig sind, um es euphemistisch zu beschreiben. Aber wenigstens klopfen keine Nachbarn mehr von unten an die Decke, wie damals, als der Herr unter uns Briefe verfasste, in denen er sein Leid beschreib, dass er wegen der Kinder jetzt immer in der Küche auf dem Fußboden schlafen müsse, was sehr anstrengend sei wegen seines Schlafrhythmus. In den Protestnoten an den Vermieter vergaß er zwar immer noch die Tatsache, dass er bis in die frühen Morgenstunden Gitarrenunterricht gab und lautstark zweifelhaft erfolgreiche Youtube-Videos mit schrägem Gesang aufnahm, aber immerhin zog er irgendwann unter Getose aus, so dass es danach nur Sonntagmorgens leichte Beschwerden der neuen NachbarInnen gab, die erklärten, dass sie Kinder wirklich mögen würden, aber ob sie bitte acht Uhr morgens am Sonntag nicht so trampeln könnten, weil sie würden in einer Bar arbeiten und müssten einfach ausschlafen. Die Kinder haben diese freundlich vorgetragene Bitte deutlich ernster genommen als das Geraune des Gitarren-Lehrers vorher, der eigentlich Apotheker war und offenbar geplant hatte, im Friedrichshain seine Midlifecrisis ausleben zu können.

Midlifecrisis

Midlifecrisis ist hier bei uns natürlich überhaupt kein Problem, denn das haben ja immer nur andere Menschen. Ein bisschen aber vielleicht schon, denkt man manchmal, also zum Beispiel, wenn ich mir die wachsenden Tattoos am Arm meiner Partnerin ansehe. Sie zuckt dann mit den Schultern und sagt, irgendwie müsse sie ja diese Krise ausleben und ich solle froh sein, denn das sei ja überschaubar. Und da wir gerade beim Thema seien, was ich eigentlich von einem neuen Tattoo halten würde? Also wenn es wieder gehe dann. Sie könne ja hier noch etwas und dann da und sie hätte da auch eine Skizze gemacht und wie denn meine Meinung dazu sei. Man könne das auch größer machen, think big, dann würde es hier über den ganzen Arm gehen und der andere Arm sei ja auch noch da! Letztens habe ich etwas beleidigt drauf verwiesen, dass sie ein Mutterbild mit drei Kindern auf dem Arm hätte und wo da jetzt eigentlich das plus eins vermerkt sei. Also ich wolle ja jetzt nicht unbedingt ein Porträt haben, aber es sei ja schon merkwürdig, dass alle Welt da auf dem Arm sei nur ich nicht. Da zieht sie einen leichten Flunsch und merkt an, sie wisse ja auch nicht, wie sie das gestalten solle, ich sei ja eben auch ein schwerer Kandidat, man könne es mir da nicht so leicht Recht machen.

Eine Ballade

Ich habe ja auch eigentlich akzeptiert, dass ich generell das plus eins bin, wenn es um Ressourcenzuteilung geht in der Familie. Leider weiß ich nicht, was eine Familienaufstellung ist, aber ich stelle mir es vor, wenn man eine bei uns machen würde, gäbe es so Legofiguren und ich würde dann immer ganz eng mit allen zusammen stehen, nur nicht, wenn gerade etwas aufgeteilt werden, denn generell gilt, Ressourcen immer durch vier und was übrig bleibt, nehme ich. Das ist eine Aufgabe, in die man sich ein wenig eingrooven muss, dann aber durchaus auch ihre Vorteile erkennt. Nur letztens, gab es mal wieder so eine Situation, wo ich dann doch kurz drauf hinweisen mussten. Wir waren in der Stadt Besorgungen machen, und warteten pandemiemäßig pflichtbewusst im Auto, während fraumierau an einer Hipster-Eisdiele so vegane Eiskunstwerke holte. Ich überlegte die ganze Zeit, was sie wohl für mich aussuchen würde, weil sie mich ja nicht gefragt hatte und fand es ganz famos, so lange zusammen zu sein, denn da könne man sich eben darauf verlassen, dass die Partnerin einfach wisse, was man wolle. Ich bin da ja auch recht einfach gestrickt und mit Schoko-Erdbeere ist für mich die Welt schon in Ordnung. Als sie dann zurückkam und die Kinder alle ein Einskunstwerk in der Hand hatten, sie die Tüte Edel-Baklava auspackte, die ich ihr gerade besorgt hatte, während ich auf meine leeren Hände starrte, fragte ich doch zaghaft nach, was jetzt eigentlich mit mir sei. Achso, entgegnete sie, auf einem Baklava kauend, sie wäre davon ausgegangen, ich wolle nichts und zuckte mit den Schultern. Ganz selten beschleicht mich der Gedanke, es liege vielleicht an Kommunikation. Jedenfalls boten mir die Kinder sofort etwas von ihrem Eis an in der Angst, ich würde die Ballade von Papa wiederholen. Die hatte ich letztens erfunden, als ich wieder einmal bei einer Ressourcen-Zuteilung leer ausging und mir ein tragisches Gedicht ausdachte, in dem alle immer glücklich in Zuckerspeisen badeteten, nur einer, ich, immer mit leeren Händen dastand. Die Kinder waren sehr bewegt und teilen seitdem sehr engagiert mit mir, wobei sich das Teilen vor allem auf die Reste bezieht. Aber nach einer Weile engagiert man sich mit flüssigem Eis in pappigen Waffeln und denkt sich, immerhin, die Familie denkt an mich. Und gibt seiner Frau einen Kuss, denn die bestellt mir neuerdings wieder bedruckte Shirts, aber das ist eine andere Midlife-Crisis-Geschichte.


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Die zu wenigen Texte hier kompensiere ich übrigens durch zu viele Instastories, in denen kleine Anekdoten landen, die es nicht in Texte schaffen.

In der aktuellen Folge MKL reden Patricia und ich über das Thema Vereinbarkeit im Job, davor haben wir über Kinderfilme gesprochen.

Kategorien: Montagspost

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