Über Pferde, Gurkensalat und Telefone

Veröffentlicht von ccm am

Wir sitzen nach dem Museumsbesuch in einem Berliner Bowl-Restaurant und lassen den Tag bei einer Bowl für 15 Euro ausklingen. Da noch mehr Hochglanzsalat mit trauriger Avocado das Wochenendbudget gesprengt hätte, stochern wir zu dritt unter den argwöhnischen Blicken der Bedienung in einer Schüssel rum. Offenbar stören wir das Ambiente des sonst klinisch sauberen, menschenleeren Raums, durch den nur alle paar Minuten in verschiedenen Ganzkörper-Farbtönen – blau, orange, blau, blau – Essens-Lieferant:innen mit ihren quadratischen Rucksäcken ein- und ausgehen.

Was nun noch einmal der erste Satz an einem Telefon gewesen sei, fragt ein Kind kauend. Endlich mein Einsatz als studierter Medienwissenschaftler, denke ich, und referiere nach einem verstohlenen Blick auf die Suchergebnisse auf dem Smartphone unter dem Tisch, dass 1861 der erste Satz durch ein Telefon »Das Pferd frisst keinen Gurkensalat« war. Anerkennend nicken die Kinder und kauen in Gedanken versunken weiter. Ob das denn gefilmt worden sei, fragt ein Kind nach. Wie, meine ich, wie gefilmt? So wie eine Dokumentation oder ein Spielfilm? Neinnein, ob man damals gefilmt habe, wie der erste Satz durch ein Telefon gesprochen wurde. Also so richtig dabei. Während ich an einer historisch präzisen freundlichen Nichtmachbarkeits-Antwort feile, antwortet das andere Kind, dass dies ja nicht möglich gewesen sei. Erleichtert blicke ich auf und fasse nach, warum denn nicht. Na, weil die doch noch kein Telefon gehabt hätten zum Filmen, wenn sie gerade in das erste sprechen würden. Ja, gut, denke ich. Andere Generation. Vielleicht besuchen wir das Museum einfach noch einmal demnächst und sehen uns alte Telefone an.

Andere Generation auch bei den Schulaufgaben, aber andersrum. Wenn wir bei den Matheaufgaben helfen sollen, gehe uns irgendwann die Erklärungen aus, wie man nun schon wieder die selbe Rechenaufgabe mit einem anderen Rechenweg bezwingen soll, obwohl man doch gerade schon drei Mal das richtige Ergebnis mit anderen Methoden berechnet hat. Da gibt es die linksdrehende und die rechtsdrehende Variante und dann die, bei der man die Zahlen so untereinanderschreibt und die Bleistiftmethode, die mit Zirkel, sicher auch eine Anlautmethode für Zahlen und irgendwann möchte man das Mathebuch vor der Brust zerreißen und laut „WAARRUUUUM?“ auf die Straße brüllen, und für den Rest des Lebens einfach die Taschenrechner-Methode festlegen. Während sich all dies in meinem Innern abspielt, markiere ich Übertrags-Zahlen, ziehen Nullstellen nach unten und frage mich, warum wir sie blöde „KI“-Systeme erfinden, um Jobs überflüssig zu machen, aber wir immer noch in Kästchen rechnen müssen. Na immerhin haben wir dafür dann bald wohl mehr Zeit.

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