Über geschenkte Gutscheine, eine Fußmassage und einen halben Kinobesuch

Veröffentlicht von leitmedium am

Gutscheine einlösen

Was das denn sei, fragen die Kinder neugierig, als ich einen blauen Hefter auf den Tisch lege. »Gutscheine« liest eines laut die Aufschrift vor. Verwundert sehen sie mich an. Es ist Wochenende und ich habe beschlossen, auch mal Wochenende zu machen. Das sei, erkläre ich, der Hefter, in dem ich alle Gutscheine einsortiert habe, die sie mir je zum Geburtstag, zu Weihnachten, zu Ostern und zwischendurch einmal geschenkt hätten und heute sei Tag der Einlösung. Stille. Sie dächten eigentlich, die Gutscheine seien immer nur kurz gültig? So ein paar Tage? Nein, das müsste schon drauf stehen, gebe ich zu bedenken. Von drei Jahren Gültigkeit ab Schenkung würde ich mindestens ausgehen. Wenn wir die älteren außen vor ließen, hätten damit vier Fernsehabende, einmal Ausschlafen lassen, zwei Obstteller, ein Mittagsschlaf mit Vorlesen und ein Fußbad mit Fußmassage. Ich würde dann jetzt mit Letzterem beginnen. Wo ich mich hinsetzen solle?

Fußmassage

Etwas mies gelaunt werde ich aufs Sofa abgeschoben. Aber dann hebt sich die Stimmung, weil Fußbad klingt nach Wasserspaß. Eine Viertelstunde später wird eine mit Wasser gefülltem Salatschüssel angeschleppt. Kurz wende ich ein, dass das vielleicht nicht der richtige Behälter für ein Fußbad sei. Immerhin würden wir ja sonst daraus essen. Das stimme schon, aber man könne die Schüssel ja auswaschen. Sonst wäre es ja auch die Familien-Kotzschüssel und das merke man doch auch nicht. Während ich mir innerlich notiere, mehr Schüsseln zu besorgen, wird mein linker Fuß in die Schüssel getaucht. Liebevolle Kinderblicke sehen mir dabei zu, wie ich versuche, ohne schmerzverzerrtes Gesicht darauf hinzuweisen, dass das Wasser ja doch ganz schön sehr warm sei. Ja, genau so, wie ich es eben mag, werde ich gekidsplaint. Wir einigen uns auf ein paar Minuten Abkühlen und dann wird mein erster Gutschein gar nicht mal so schlecht eingelöst. Es gibt sogar Aromaöle zur Massage! Vielleicht habe ich die Wochenendgestaltung bisher ja nur falsch geplant?

Versprechen einlösen

Der kleine Sohn attestiert danach, ich würde jetzt so gut wie Mama riechen. Es gibt Komplimente, bei denen man nicht weiß, ob man sich über den Moment freuen oder über die Vergangenheit nachdenken soll, aber Kompliment ist Kompliment. Da fraumierau ja nicht mehr nach Patchoulli riechen darf, kann es nicht so schlimm sein. Jedenfalls treten die Kinder an mich heran und fragen, wann wir eigentlich, wie letztens versprochen, ins Kino gehen? Und was mit dem Legoland-Besuch sei? Und Pizza wollten wir auch mal wieder Essen. Und ein Frühstück auf den Fernsehturm! Sie würden die Versprechen dann jetzt gern einlösen. Ich fürchte, ich wurde gerade diplomatisch geschlagen, stecke auffällig den Hefter wieder weg und gebe zu, dass Kino ja eine gute Idee sei.

1/2 Kino

Im Kino weiß ich ja immer nicht, ab welchem Alter man seinen Kindern beibringen muss, Essen und Getränke reinzuschmuggeln. Ist das etwas, was man seinen Kindern mit auf den Weg ins Leben gibt, oder sitzen sie dann zehn Jahre später im Jugendgefängnis und erzählen, wie ihre Eltern ihnen eine Limo in die Jackentasche gesteckt haben? Schlecht gelaunt kaufe ich für eine schwindelerregende Summe Popcorn und Getränke für die Kinder und mich und wir sehen einen mittellustigen Film, was bei einem Kinderfilm ja schon eher überdurchschnittlich ist. Nach der Hälfte des Films entscheidet der kleine Sohn, dass er das jetzt langweilig fände und rauswolle. Während ich heimlich hoffe, dass wir dann jetzt alle gehen, machen die größeren Kinder in genau diesem Augenblick leider einen Entwicklungssprung und finden, sie könnten den Rest auch allein sehen. Ich könne ja vor der Tür warten. Aus meinem entspannten Wochenende mit Fußmassage ist einer halber Kinofilm und 45 Minuten mit Kind auf dem Arm vorm Kino geworden. Ich werde die Gutscheine lieber nie wieder erwähnen.


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Kategorien: Montagspost

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2 Kommentare

Beatrice · 11. Juni 2019 um 19:57

Ich habe gerade Tränen gelacht! Ganz wunderbar…

Über Geburtstag auf dem Spielplatz und keinen anaphylaktischen Schock - vier plus eins · 12. August 2019 um 23:50

[…] dieses Mal ja auch größer als sonst, weil nach meiner Ankündigung letztens, dass ich eines Tages überraschend alle bisher geschenkten Gutscheine auf einmal einlösen werde, zu einem strategischen Umdenken führte: Es gab keine Gutscheine! Statt dessen zum Beispiel ein […]

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