Über verwirrende E-Mails und Mausohren statt Mondlandung

Veröffentlicht von leitmedium am

Fast jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie. 

Toast lutschen

Ich möge doch seinen Toast bitte ablutschen. So könne er das wirklich nicht essen. Wir sitzen am Frühstückstisch, der Babysohn schiebt seinen Teller zu mir und sieht mich eindringlich an. Wie jeden Morgen konnte er sich nicht entscheiden und hat ganz pragmatisch einmal alles auf dem Teller vermengt: Joghurt durchtränkt Toast, der unter Obst begraben liegt, das verschiedene Biss-Spuren trägt. Toast jedenfalls müsse sauber sein und der hier sei ja voller Joghurt und ich möge jetzt sofort helfen. So ein feucht-klammer Joghurt-Toast löst bei mir eine mittlere Panik-Attacke aus und ich versuche, ganz pädagogisch zu erklären, dass es schön sei, dass er mich um Hilfe bitte, aber andere Menschen wollten vielleicht nicht fremde Toastbrote lutschen. Er könne ja einfach den Rand abschneiden? Nein, das ginge nicht, weil dann würde ja etwas fehlen. Ich solle das jetzt mal machen bitte, er hätte schließlich Hunger.

Oh, ein Eichhörnchen!

Zaghaft führe ich den Toast an meinen Mund, blicke kurz aufgeregt aus dem Fenster, murmele etwas von »Eichhörnchen!«. Während alle aufgeregt rausblicken, nutze ich das zwei-Sekunden-Zeitfenster, um den Toast auf die saubere Seite umzudrehen und schnell auf den Teller zurückzulegen. Ja, schade, das Eichhörnchen sei jetzt schon weg, aber dafür der Toast sauber, wie schön!, erkläre ich überschwänglich. Leicht enttäuscht, weil er die Tier-Attraktion verpasst hat, aber zufrieden, weil sein Toast jetzt optisch seinen strengen Richtlinien entspricht, zieht der Babysohn den Teller zurück. Noch genieße ich das Alter, in dem man mit ein paar Taschenspieler-Tricks so manche Situation retten kann (virtuelles Salz mit den Fingern rieseln lassen, Dinge durch mehrfaches Zirkulieren angeblich tauschen, kleine Portionen durch geschickte Geschirr-Wahl riesig wirken lassen). Wahrscheinlich ist das alles voll nicht pädagogisch, aber in der Feldarbeit gewinnt die Realpolitik. Ich versuche lieber nicht, den Blick meiner Frau einzufangen und nippe zufrieden an meinem Kaffee. Vielleicht hätte ich ja doch Diplomat werden sollen.

E-Mails

Dabei müssen wir eigentlich über Termine sprechen. Ich habe nach dem Neujahr schon wieder den Überblick verloren, welches Kind wann wo warum sein soll. Ständig kommen E-Mails von Menschen, die ich nicht kenne und erklären irgendwelche komplizierten Treffpunkte und Ausnahmeregeln oder fordern zum siebzehnten Mal auf, sich in irgendwelche Listen einzutragen. Aber nur, wenn man die sich widersprechenden letzten sechzehn E-Mails gelesen hat. Und „Entschuldigung!!!“ – mein Lieblingsbetreff – in E-Mail Nummer fünfzehn war ein Fehler, es gelte doch das Datum aus der dreizehnten Nachricht. Ich kriege ja schon immer Atembeklemmungen, weil in diesen E-Mails nie drin steht, um welches Kind und welche Einrichtung es eigentlich geht. Offenbar haben alle Menschen nur noch ein Kind oder können sich einfach alles merken. Ich habe auch den Versuch aufgegeben, zu verstehen, welche Menschen nun Eltern sind, die ich auf Kita- und Schulwegen freundlich grüßen muss. Um daher nicht wieder negativ aufzufallen, grüße ich einfach alle Menschen in den fraglichen Gegenden und gelte jetzt zwar nicht als unsozial bei den Eltern, aber als leicht schrullig bei der Nachbarschafft.

Mausohren

Jedenfalls versuche ich, so gut es geht, die Termin-Flut in Kalender zu übertragen, um dann morgens fluchend zu lesen, was ich auch am Vortag schon hätte wissen können. Schlimmster Fall der letzten Wochen: Die Mausohren. Als fraumierau gerade im Krankenhaus war, sollten die Kinder Mausohren für ein Weihnachtsfest mitbringen. Ich hatte kurz überlegt, noch einmal nachzufragen, in welcher Religion man jetzt eigentlich Mäuse anbetet, habe es aber lieber gelassen und die Mausohren-Beschaffung Woche um Woche erfolgreich verprokrastriniert. Wahrscheinlich, weil so Dinge wie Lebensmittel einkaufen, Kinder zum Zahnarzt fahren oder einfach mal kurz atmen dazwischen kamen. Ich hege ja prinzipiell die Vermutung, dass der Aufwand, zwei dutzend Eltern Mausohren basteln zu lassen, statt sie einfach zentral zu organisieren, ungefähr so viel Schaffenskraft verbrennt, um eine Mondmission durchzuführen, aber natürlich ist das Gemeinschaftsgefühl hier auf der Erde wichtiger. Nun also waren alle Zeitpuffer dahin und ich musste innerhalb von einer Stunde selbst gebastelte Mausohren organisieren. Während ich das Frühstück machte, die Kinder in Anziehsachen steckte, fand ich mich auf Bastelblogs wieder und druckte dankbar die Mausohrschablone „Süße Mausohrenparade“ aus. Es war die gute Anleitung mit verschiedenen Tier-Ohren! Kurz überlegte ich, wo ich diesmal im Leben falsch abgebogen bin, um mich über Tier-Ohr-Bastelbögen zu freuen. Mein früheres Ich sah mich mit vierzig Jahren ja eher als Rockstar, zweiter Steve Jobs oder Bundeskanzlerin. Nun also Mausohren.

Ok, ein bisschen Kleber-verschmiert, aber: pünktlich!

Superheldenohren

Die wurden dafür gar nicht so schlecht, nur fehlte der Haar-Reif. Das Kind wurde langsam unruhig und sämtliche Such-Aktionen in der Wohnung – ich bin mir sicher, wir haben einen Jahresvorrat an Haarreifen – ergebnislos. Ich versprach, noch in einer Drogerie einen zu beschaffen, nahm eine halb leere Tube Kleber in der Hosentasche mit und wir eilten los. In der Kita rettete man mich mit einem übrig gebliebenen Haarreif und nicht ganz unzufrieden wegen offenbar übernatürlicher Notfalltalente stand ich Mausohren klebend in der Kitagarderobe. Pünktlich! Wie ich erfuhr, hat später ein Erzieher sich etwas mitleidig mit einer Heißklebepistole meinem Unfall angenommen, aber ich verbuche das dennoch als Punktladung in meiner Bastel-Papa-Karriere. Sollten zu Ostern dann Bär- oder Fuchsohren gewünscht sein: Ich weiß, wo es die Schablone gibt!


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Kategorien: Montagspost

leitmedium

Parteiloser Postprivatier.

8 Kommentare

Richard (vatersohn.blog) · 15. Januar 2019 um 16:49

Ich habe mich herzhaft kaputtgelacht. Schönes Gefühl, wenn man die lieben Kleinen noch austricksen kann. 🙂

LG, Richard & Hugo vom https://www.vatersohn.blog/

Ani · 15. Januar 2019 um 16:57

Lachend vom Sessel fall und die irritierten blicke der Kinder gekonnt ignorier* danke dafür! Mal wieder! ?????❤️

viermalmeins · 24. Januar 2019 um 9:44

Ein Kommentar zum letzten insta-Bild mit Granatapfel, weil ich dort nur uneingeloggter Mitleser bin 😉
Den besten Tipp EVER gegen Granatapfelgepulesauerei bekamen wir letztes Jahr von einer Freundin: Den Apfel waagerecht, quasi äquatorial, halbieren. Dann jeweils mit Gummihammer o.ä. auf das Halbrund oben draufhauen. Macht Laune und die Kerne purzeln flott und gänzlich unzermatscht auf den Teller oder sonstwohin. Es funktioniert!

    leitmedium · 26. Januar 2019 um 22:04

    Jetzt brauche ich nur noch einen Gummihammer!

      pana7otta · 29. Januar 2019 um 15:54

      Kochlöffel geht auch, Granatapfelhälfte von unten festhalten, dann fallen die Kerne in die Hand und man haut sich nicht auf die Finger.

Vogelhaus · 30. Januar 2019 um 6:11

Zum Taschenspieler-Trick reihte sich bis vor Kurzem noch dies hier ein: Zuviel Wasser in der Apfelschorle wird einfach schnell wieder „abgetrunken“! Wunderbarer Beitrag!

Da Na · 27. Februar 2019 um 14:48

„Ich weiß, wo es die Schablone gibt!“
Bitte teil dein Elitewissen mit uns!

Über fünf Minuten Ruhe, Nichtstun und lesende Eltern - vier plus eins · 25. Februar 2019 um 23:53

[…] so vor sich hin existiert, die Wand anstarrt und dabei nicht darüber nachdenkt, wie man bis morgen noch schnell Mausohren bastelt. Jedenfalls sind die Bereiche hinter dem Spielzeug die besten Verstecke, insbesondere wenn die […]

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