Über „nein, ich schlafe nicht!“, Leben anno 1900 und Piñata versus Topfschlagen

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Nein, ich schlafe nicht!

Nein, also schlafen würde er nicht. Nur die Augen ein wenig ausruhen. Aber er hätte jetzt schon zwei Stunden lang die Augen ausgeruht, hake ich nach. Ja, das könne eben sein, wenn die Augen mal Ruhe bräuchten. Was soll er machen? Er hätte jedenfalls definitiv nicht geschlafen. Ich stelle fest, dass die Diskussion wahrscheinlich genauso wenig bringt, wie mit meiner Verwandtschaft, die gern auf Montagsdemos geht und auf kritische Hinweise hin erklärt, dass die deutsche Systempresse bis 2099 eben vom Amerikaner kontrolliert werde. Man habe da Verträge gefunden! Oder die Kinder obliegen gar nicht einer Verschwörungstheorie, sondern verwechseln da einfach etwas. Mir wird nämlich auch öfters unterstellt, ich würde schlafen, was ich ganz sicher nicht tue. Dann liege ich einfach nur abends entspannt auf dem weichen Teppich im Wohnzimmer und ruhe mich ein wenig aus. Bei geschlossenen Augen denke ich dann nach. Und dann gibt es Unterstellungen, ich würde schnarchen. Nun kann es weder sein, dass ich schlafe, noch, dass ich schnarche. Ersteres wüsste ich und Zweiteres würde ich ja wohl hören. Wieso die Kinder nun jedenfalls auf diesen Zug kommen, immer ihren Schlaf zu verleugnen, ist mir unklar.

Hier ruhen auch nur zwei von vier Personen die Augen aus.

Kleine Wildtiere

Immerhin wird es langsam wieder besser mit dem Einschlafen. Der Babysohn spielt und spielt und kippt irgendwann einfach mitten im Spiel um. Dann liegt er so gegen 21 Uhr auf dem weichen Teppich (siehe oben) und sieht aus, wie ein kleines wildes Tier auf Nachtruhe. Überhaupt gibt es Überschneidungen von einer Schar Kinder zu Hause und einem Rudel kleiner Wildtiere: beide müssen permanent gefüttert werden, können ggfls. bei Fütterungen etwas ruppig zueinander werden, raufen sich gern ein wenig, beißen manchmal, wenn man sie eigentlich streicheln will und es gilt: Im Zweifelsfall nicht direkt in die Augen schauen, sondern dezent mit gesenkten Blick entfernen. Sonst ziehst Du die Aufmerksamkeit auf Dich und das hat meistens ungeahnte Folgen.

Anno 1900

Aber an meinem Geburtstag, davon wollte ich ja noch berichten, da waren sie ganz zeitgemäß unwild. Es gab eine Überraschungsfeier zu Hause (Ich mag keine Überraschungsfeiern, außer diesmal.), und das Motto war, ich lag nicht ganz falsch mit meinem Tipp, eine Marcel-Proust-Soiree. Das hatte in der Planung auch so gut geklappt, dass vier der fünfzehn Erwachsenen das Memo erhalten hatten und in Anzug, Abendkleid oder gar Frack erschienen, während der Rest froh war, bei 36°C von nichts gewusst zu haben. Den Kindern haben wir erklärt, dass um 1900 Kinder um Erlaubnis fragen mussten, sprechen zu dürfen, und tatsächlich spielten sie fast den ganzen Abend mit und was soll ich sagen: Beste Motto-Party jemals!

Ausnahmsweise ein Foto, auf dem ich mal ordentlich aussehe, aber nur, weil ich Geburtstag hatte und das quasi eine Verkleidung war, ok? Außerdem wollte ich schon immer mal ein Toiletten-Selfie machen!

Zu wenig Gläser?

Wir hatten auch ganz stilecht Probleme mit dem Personal, denn es gab eine wahrscheinlich auch von 1900 stammende Kellnerin, die etwas eigenwillig war, was den Getränkeausschank betraf. Nachdem sie zunächst leicht kopfschüttelnd bemerkte, dass unsere Wohnung ja etwas unordentlich sei und für so eine Veranstaltung gar nicht geeignet, gab es Differenzen, was das Trinken aus Flaschen und Gläsern betraf. Das Konzept „aus der Flasche trinken“ scheint sozial nicht überall akzeptiert zu sein und so bekam eigentlich niemand – auch auf ausdrückliche Bitte hin – eine Flasche, sondern musste immer brav aus einem Glas trinken. Was leichter klingt, als es war, denn wir haben eigentlich keine Gläser. Einmal nutzte ich vor lauter Verzweiflung die Gelegenheit, als sie beschäftigt war und stahl mich heimlich in die Küche, um mir lautlos eine Flasche Mate aus dem Kühlschrank zu nehmen. Die neidischen Blicke der anderen danach versüßten mir leicht den Tag – aber ich hatte Geburtstag, und da darf man ja auch mal der einzige mit einer Flasche sein.

Piñata oder Topfschlagen?

Immerhin gab es an meinem Geburtstag keine Piñata. Und ich muss es hier kurz klar zu Protokoll geben: Ich kann Piñatas nicht leiden. Sie mich wahrscheinlich auch nicht, aber damit kann ich leben. Dieses Rumgedresche auf vorher liebevoll gebastelten Behältern, da gibt es bestimmt irgendwann eine Studie zu, dass das irgendwie schädlich ist. Oder ich bin – spätestens jetzt – einfach zu alt, um das jetzt noch als große Neuerung in meinem Leben zu umarmen. Mir wurde jedoch zugetragen, dass es hinter den Kulissen eine Diskussion gegeben hat, ob wir Topfschlagen machen. Das hätte ich für mich selbst überraschenderweise gemocht, wobei ich zugeben muss, dass der Lautstärkepegel von Stock auf Piñata dem von Kochlöffel auf Topf deutlich vorzuziehen ist. Ich hätte mich jedenfalls gern mit Sacko und Weste auf dem Boden kriechen sehen, aber wahrscheinlich wollte niemand einen Bandscheibenvorfall des mittelalten Geburtstagskindes riskieren.

(Un)mut

Auch verworfen wurde die Überlegungen am Vormittag, die Kindern über einen Zaun klettern zu lassen. Wir waren auf einer historischen Tour durch vierzig Jahre Herr Mierau in Berlin unterwegs und kamen an der Sophienkirche an. Dort bin ich als Kind mehrmals täglich über den zugegeben hohen und spitzen Kirchhofzaun geklettert. Auf die schnippische Frage an die Kinder, ob sie auch mal wollen, meinten die in einer Mischung aus „Papa-erzählt-wieder-vom-Krieg“ und „hahaha, das hätten wir gern gesehen, wie DER da rüberkommt“, dass ihnen nichts ferner läge. Und da fiel mir auf, dass ich meine Kinder ganz sicher auch nicht da rüber klettern lassen würde, selbst wenn sie wollten. Und dann wurde mir wieder bewusst, dass Kinder ja heute nichts mehr machen, weil sie es nicht dürfen, wir das aber nicht wollen und sie auch nicht und dann habe ich die Übersicht über meine Überlegungen verloren und wusste nicht mehr, was zuerst kam und beschloss, dass es ja auch nicht so wichtig ist, dass sie da jetzt rüberklettern.

 

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Das fulminante „Nicht durchdrehen mit Kindern„-Staffelfinale von MKL ist erschienen. Gar nicht mal so schlecht geworden.

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Kategorien: Montagspost

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1 Kommentar

Andrea · 21. August 2018 um 12:50

Hahaha…Unmut ist so gut…

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