Über elterliche Senilität, Lebertran, Vitamin-D, ein zu großes Einhorn und eine noch größere Hängematte

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Eltern-Senilität

»Körper, Fischgeruch« gebe ich zaghaft in Google ein. Seit zwei Stunden sitze ich am Schreibtisch, versuche mich auf die Arbeit zu konzentrieren, aber ein unangenehmer Fischgeruch auf meiner Haut lenkt mich ab. »Da gibt es doch bestimmt eine Krankheit«, denke ich und frage das Internet. Ich wurde nicht enttäuscht: Trimethylaminurie. Will man nicht haben. Da riecht man nach Fisch. Für immer. Und das wirkt sich dann aufs Sozialleben aus. Steht da. Und dass man dann alle seine Freunde verliert. »Sie wird das doch mit mir aushalten, wenn ich für den Rest unserer Zeit nach Fisch rieche, oder?“, denke ich. In guten, wie in schlechten Zeiten. Immerhin haben wir drei Kinder. Aber sie hasst Fisch. Vor lauter Aufregung muss ich ins Bad. Und während ich mir die Hände wasche, fällt es mir ein: Ich hatte Fish&Chips zum Mittag. Das erklärt natürlich Fischgeruch. Ein selten dummes Gefühl beschleicht mich. Warum habe ich daran nicht gedacht. Wenigstens ist meine Ehe gerettet und ich muss mich sozial nicht noch weiter isolieren, als ich Soziophobiker es eh schon bin.  Doch jetzt mal Butter bei die Fische: Wenn man am Nachmittag vergessen hat, was man zum Mittag hatte und deswegen Netdoktor leer liest, sollte die Diagnose wahrscheinlich eher Alterssenilität heißen. Oder Schlafentzug. Oder beides. Oder, ich weiß es: Elternsenilität. Das ist Alter + Schlafentzug.

Lebertran

Und da wir gerade bei Fischgeruch sind: Da fällt mir noch ein, wie unsere Hebamme beim ersten Kind meinte, dass Lebertran ja gut sei. Wir waren für jeden Tipp offen und man will ja auch alles richtig machen. Nein, wir bräuchten da keine Kapseln, wir würden das schon so richtig machen, meinte ich. Und kaufte in der Apotheke eine ein-Liter-Flasche Lebertran. So eine braune Apothekenflasche. Die kauft man heute eher in Hipster-Second-Hand-Läden. Für mich sind sie jetzt traumatisch vorbelastet. Es ist einfach menschenverachtender Selbst-Hass, einen Esslöffel Lebertran zu essen. Diese ölige Konsistenz. Dieser Fischgeruch. Urg Der steigt dann wirklich den ganzen Tag an einem hoch und man fühlt sich fischig. Den ganzen verdammten Tag. Ein Hoch auf Kapseln! Die beste Erfindung der Menschheit ist es, Lebertran neutral in Kapseln zu packen. Sollte Euch jemals eine Hebamme oder irgendwer Lebertran als Flüssigkeit anschleppen: Sadisten. Streicht die Telefonnummer und zieht um. Adresse unbekannt. Und unterschreibt meine noch zu eröffnende Petition gegen Lebertran in Flaschen, danke.

40-1

Dabei soll Lebertran ja auch gegen Senilität helfen. Und damit war ich ja schon diese Woche befasst. Solche Gedanken müssen mir natürlich in der Woche durch den Kopf gehen, in der ich Geburtstag habe. Mit zunehmender Kinderzahl wird der eigene Geburtstag ja immer weniger wichtig. Aber so ein bisschen feierliche Stimmung ist schon ganz okay. Vielleicht wäre ein „bisschen“ sogar besser als viel, denn die Kinder sind so aufgeregt, dass man am Geburtstagmorgen spätestens gegen fünf geweckt wird. Wobei es ja die feste gesellschaftliche Norm gibt, dass das Geburtstagskind im Bett bleibt. Also muss man ab fünf Uhr circa zwei Stunden lang so tun, als würde man noch schlafen, bis sich endlich der Rest der Familie erbarmt, aufzustehen, die Kerze anzuzünden und mit einem leicht schief gesungenen Geburtstagslied zurückkehrt. Ich liebe es ja, wenn dann alle wie Orgelpfeifen vorm Bett steht und in so einer festlichen aber förmlichen Stimmung bemüht sind, durch den Text zu kommen. Das erinnert mich immer an den Raubkopierer-Spot (Heute mal kein Loriot hier, zur Abwechslung!):

Jedenfalls wurde ich zum Geburtstagstisch geführt und erlitt fast einen kurzen Herzinfarkt. Das überrascht auf mein fortgeschrittenes Alter hin ja nun niemanden mehr. Und Promis wie ich sterben ja auch oft früh. Aber ich habe fraumierau versprechen müssen, dass sie vor mir stirbt, weil sie nicht die Passwörter und Konten und so kennt und das wäre ihr dann alles zu viel durcheinander. Ich musste also durchhalten und schleppte mich zum Tisch. Da stand eine Geburtstagskerze und auf der eine dicke 40. 40! Also, nicht, dass ich mir viel aus Zahlen machen würde, und meine Midlife-Crisis habe ich einfach durch „boah, ne, keine Zeit für“ umschifft. Aber wenn man 39 ist und gern auf 45 geschätzt wird, dann erhofft man sich, dass die eigene Familie wenigstens das richtige Alter kennt. Die hat sich jedoch nur den Scherz erlaubt, „40-1 und 4+1“ als Zahlenspiel draufzuschreiben.

Okay, das war lustig. Und: Jetzt steht mein Blogtitel schon auf der Geburtstagskerze. Das nenne ich mal Marketing. Vielleicht sollte ich doch noch schnell Midlifecrisen und mir ein 4+1-Tattoo zulegen. Dann stinken die anderen BloggerInnen ohne Blog-Titel auf der Haut aber ab. Dann können wir eine Wett-Seite aufmachen, wer nachzieht. Gibt ja hier Gruppendruck.

Fliegengeddon

Aber bleiben wir bei der Elternsenilität. Für die gibt es immer mehr Anzeichen und größer werdende Folgen. Als wir letzte Woche im Landhaus ankamen, fiel mir auf, dass wir bei der Abreise vor zwei Wochen die Mülltüte vergessen haben. Okay, ich habe sie vergessen, weil ich das immer mache. Das ist ja das Los, das man hat, wenn man etwas macht. Wenn man es macht, sagt keiner danke. Wenn man es nicht macht, flippen alle aus und sagen noch weniger danke. Ich gehe jedenfalls in die Küche und will den schon stark olfaktorisch belasteten Müllbeutel entfernen. Doch da erhebt sich eine Armada hunderter Fliegen (die großen!) und schwirrt mir entgegen. Ich kann gar nicht beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn Du für einen kurzen Augenblick an jedem Stück freier Haut Fliegen spürst, die dich streifen. Ah, doch: WAAAAAH! Ich quiekte kurz vor Schreck und die Kinder flippten aus vor Freude, weil sie noch nie erlebt haben, dass ich mich erschrecke. Noch heute machen sie mein Quiek nach und erzählen sich, wie Papa sich erschreckt hat. Ich nehme an, ich werde diese Anekdote noch sehr oft hören. Jedenfalls, wenn Du so hunderte Fliegen im Haus hast, wächst der Naturhass ja schon. Die Viecher mussten also weg, weil die Kinder konnten nicht schlafen und wenn du siehst, wie so Fliegen auf Deinen Kindern rumtanzen, wirst Du zum Berserker. Das interessiert nur die Fliegen nicht. Vor allem nicht, wenn ein übergewichtiger Typ kurz vor der 40 ankommt in einer Geschwindigkeit, die für sie wahrscheinlich wie Krebsgang rückwärts (konnte ich nie!) wirkt. Aber dafür kann ich ja Technik. Und Wissenschaft. Ha! Also habe ich den Abend damit verbracht, ausgeklügelte Fliegenfallen zu bauen. Sprich: Erstmal googeln, Methoden abwägen, probieren, verbessern. Wie man das eben so macht. Mir wurde gesagt, ich sei ein Nerd und das sei nicht normal, wie ich da abends Papier mit verschiedenen Honigsorten beschmiere und zeitbasierte Stichproben nehme, welches besser funktioniert. Keine Ahnung, wie man das nicht auch so machen kann. Immerhin weiß ich jetzt, dass Honig auf Papier gestrichen prinzipiell nicht funktioniert, weil die Arschlochfliegen dann einfach genüsslich Honig schlemmen und weiterfliegen, als wäre nichts gewesen. Ich glaube, sie haben mir sogar den Mittelfinger gezeigt.

Vitamin-D!

Na jedenfalls kann ich abschließend festhalten: selbstgebaute Fliegenfallen sind Mist und schreibt mir jetzt nicht in die Kommentare, dass für Euch Apfelsaft mit Essen und Spülmittel funktioniert hat. Das ist vielleicht gut für ein bisschen Fliegenbelästigung. Aber nicht fürs Fliegengeddon. Für mich das alles ganz schön hart, weil ein perfekter Tag auf dem Land besteht ja daraus, das Landhaus möglichst wenig zu verlassen. Bei den Kindern gibt es da durchaus gelegentlich Zustimmung. Und oft kann ich durch eine Mischung aus „Ich muss noch den Geschirrspüler einräumen“, „Oh, ich muss Mittag machen“, „Moment, komme gleich“ meine Gartenzeit minimieren. Doch diesmal wurden wir alle angezählt. Wir sollten raus gehen und etwas Sonne tanken. Nein, da gäbe es nichts zu verhandeln. Weil der Sommer sei so düster und sonst müssten wir im Winter Vitamin-D zu uns nehmen. Mein Einwand, dass es schon stimme, dass es jetzt nicht so sonnig wie sonst, aber auch nicht gerade Polarnacht sei, wurde mit einem „Du verstehst das einfach nicht“-Kopfschütteln abgeschmettert. Raus oder Vitamine, ich könne es mir aussuchen. Da fällt die Wahl natürlich leicht: Vitamine! Aber wenn man Kinder hat, muss man ja Vorbild sein. Also betrat ich mit Flunsch im Gesicht den Garten. Die Kinder posaunen sofort laut, sie hätten mich ja noch nie im Garten gesehen! Das sei das erste Mal. Das ist natürlich eine glatte Lüge. Als wir das Haus gekauft haben, musste ich schließlich bei der Begehung für das Übernahme-Protokoll dabei sein. Und, nur fürs Protokoll: Ich gehe sehr gern in den Wald. Aber da flippen immer gleich alle wegen der Mücken aus. Und der ungeharkten Natur. Na, jedenfalls bin ich dann so Alibi-mäßig in den Garten, konnte mich aber rausreden, dass es keine Sitzbank gäbe. Und bevor ich mich auf den Fußboden setze, friert der Dorfteich ein. Der übrigens zur Zeit von irgendwelchen grüntürkisen Killer-Algen besiedelt ist. Überall hängen Warnschilder, dass man nicht baden und das Wasser bloß nicht schlucken solle. Nein, ist sonst aber schön auf dem Land! Kannst Du Dir halt aussuchen: Stadt mit fließend klarem Wasser aus der Leitung und, okay, ein bisschen Feinstaub, oder Land mit frischer Luft, Killeralgen, Schneckenplage im Garten und überhaupt Gefahr hinter jedem Grasbüschel.

Die Killer-Hängematte

Ich habe mich also so schnell wie möglich aus dem Garten ins wunderbar kühle Haus verzogen. Und da hatte ich den Tag über auch viel zu tun, denn ständig musste ich das grüne Heft holen. Ich habe nämlich letztens einen Kita-Verbandskasten fürs Haus geholt, weil hier ständig jemand versorgt werden muss. Der Kasten ist prima und es war auch ein Unfall-Heft dabei, in das man einträgt, wer wo wie wann welche Verletzung hatte und wie behandelt wurde. Tatsächlich hilft es den Kindern vom Ablauf her, nach einer Verletzung erst versorgt und dann per Text mit ihrer Unterstützung festgehalten zu werden. Jedenfalls zählten wir mal durch und stellten fest, es stand 4 x Kind, 2 x Mama, 1 x ich. Tochter und der andere Sohn hielten sich dezent aus dem Unfallbuch und das ist ja auch was Gutes. Am besagten Tag nun, ereignete sich ein Unfall nach dem anderen. Als ein Kind dann in der Hängematte einen Überschlag machte, war es für mich mal wieder an der Zeit, kurz daran zu erinnern, dass ich seit circa zwei Jahren darauf hinweise, dass ich diese RIESIGE Hängematte mit ihrem langen Holzgestell für nicht so ganz geeignet für unseren winzigen Garten halte.

Während ob des Unfalls da so alle drüber nachdachten, stolperte fraumierau über die Hängematte und entging mit einer angestauchten Hand, einem schmerzenden Fuß und mehreren Platzwunden Schlimmerem. Während sie dann so leicht derangiert auf dem Sofa saß, meinte sie, dass sie fände, dass die Hängematte vielleicht doch etwas zu groß sei für den Garten. Das ist einer der Momente, in denen man sagt „Ach ja? Das ist ein interessanter Einwand von Dir. Sicher hast Du Recht!“. Lieber heimlich den Sieg mitnehmen. Immerhin hatte fraumierau ein schlechtes Gewissen, weil der Unfall war einen Tag vor meinem Geburtstag und das ginge ja nun nicht, dass mein Geburtstag unter ihrem Unfall leide. Und da stand sie dann tapfer und backte einen tollen Apfelkuchen. Geburtstage sind hier einfach serious business.

Und jetzt, da ich die Gelegenheit schon nutzen konnte, en Passant das Einhorn hier vorzustellen: Kann mir jemand erklären, warum wir dieses Rieseneinhorn haben? Ich habe mich geweigert, es aufzupusten. Das hat immerhin die Kinder zu einer langen Kooperation animiert, die mit „mir ist ein bisschen schwindlig!“ endete. Und zum See schleppen muss ich es nicht, denn da warten ja die Killeralgen.

 

Bis zur nächsten Woche, in der ich Euch in einem Webinar erkläre, warum Ihr alle Webinare für Eure finanzielle Unabhängigkeit braucht und Ihr eins bei mir buchen könnt, in dem ich Euch erkläre, wie man selber Webinare macht. Wenn Ihr das gelernt habt, könnt Ihr in Webinaren anderen erklären, dass sie auch Webinare brauchen. Das hat Zukunft!

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Kategorien: Montagspost

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Parteiloser Postprivatier.

11 Kommentare

Sandra · 9. August 2017 um 0:30

Lieber Herr Mierau, herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag! Auf meiner Kerze wird in drei Tagen „40+1“ stehen und das ist bitterer Ernst!!!;) Für Sie und Ihre Familie noch alles Gute für das kommende Lebensjahr und vielen Dank für alle geschriebenen und zukünftigen Wochenrückblicke (möglichst ohne weitere Verletzungen)!
Liebe Grüße, Sandra

Bianca · 9. August 2017 um 6:14

Häääääppy birthdäääääy! ?

Tany · 9. August 2017 um 9:39

Nachträglich alles gute zum Geburtstag!

Hans-Georg · 9. August 2017 um 13:24

Und ich dachte, Lebertran sein längst abgeschafft. Mein Sohn wird im Dezember 37, der hat nie Lebertran bekommen während ich mir das Zeug (jetzt 67) damals runterwürgen musste.

Claus-Dieter · 9. August 2017 um 15:06

Das hat mich doch an jemanden erinnert: Woody Allen.
“I love nature, I just don’t want to get any of it on me.”
Bist in guter Gesellschaft 🙂

Jacqueline Stärklow · 9. August 2017 um 21:10

Wie immer sehr amüsant, der Wochenrückblick.
Für uns hat sich eine Lampe mit blauem Licht als bester Fliegenfänger erwiesen. 😉

Sören · 10. August 2017 um 6:37

Gleich ganz gegen Lebertran unterschreiben. Ich glaube nicht, dass der Mensch aus der Evolution heraus auf etwas angewiesen ist von einem Tier, das zig Mal größer ist und im Meer schwimmt. Also kann das nicht überlebenswichtig sein. Aber solche Theorien entwickeln sich bei mir auch erst nachdem ich Lesch geschaut habe.

belle · 10. August 2017 um 23:58

Happy birthday nachträglich.

Und eine Warnung. Bei Freunden hatten die nachbarn während ihres Urlaubs die Katzen versorgt und den dazugehörigen Futtermüll nicht raus gebracht. Ähnliches Bild wie hier beschrieben.
Und einige Wochen?später neue Fliegen. Und Larven. Überall unter den Fußleisten. Rückseite der Küchenschränke usw. Am Ende musste der Kammerjäger kommen, weil Ekel war schlimmer als Ökobio-Gewissen…..
Ich hoffe bei euch auf keine Larven

Key · 13. August 2017 um 0:32

Bazinga

Frauerr · 14. August 2017 um 17:48

Damn!ich wollte gerade meine Bastelanleitung für die beste Fruchtfliegen-Falle als comment posten, aber du kamst mir zuvor!
Irgendwie musste ich an den mega Trash Film „die Fliege“ denken, mit dem Typ aus Jurrassic Park. Sehr sehenswert, besonders nach dem Flygeddon.
Alles gute übrigens nachträglich. 40 ist das neue 30. Oder so.
Liebe Grüße,

Frauerr

Über einen geplatzten Reifen, keinen Abschleppwagen, Gartenklaustrophobie, Esel im Seniorenheim, IKEA und §1619 BGB - vier plus eins · 14. August 2017 um 22:59

[…] der letzten Woche habe ich ja erklärt, wie das so ist mit dem Garten und mir. Also dass wir zwei gern verschiedene […]

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