Über das Losgehen, ein letztes Picknick, das BPA-frei-Spiel, Killer-Insekten, langweilige Natur und Instadads
(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.
Niemals „suchen“ sagen
Nein, da seien keine Jacken. Nirgends. Wirklich. Die Kinder sehen mich ernst an. Ich sehe die Kinder an. Und die Jacken. Die liegen direkt neben ihnen auf dem Boden. Leider habe ich den Fehler gemacht, und gebeten, dass die Kinder nach den Jacken suchen. „Suchen“ ist ein Zauberwort, das dazu führt, dass Kinder etwas garantiert nicht finden. Selbst man drauf zeigt, ist es aus dem Blickfeld des Kindes verschwunden. fraumierau würde mir jetzt auf Nachfrage wahrscheinlich einen mehrminütigen Vortrag über Kinder und Ordnung halten und mir anschließend ein Dutzend Pinterest-Fotos mit Gestaltungs-Ideen schicken, wie wir den Flur mit Haltern aus Birken-Stämmen umgestalten müssen, damit man die Jacken garantiert findet.
Im nächsten Leben wieder pünktlich
Überhaupt ist das Losgehen mit Kindern der Terminkiller überhaupt. Geschenkt, dass man öfters Termine vergisst oder am Wochenende irgendwo vor verschlossenen Türen steht, weil der der Termin am 21. und nicht am 12. war. Aber der Versuch, irgendwo pünktlich zu sein, ist einfach nicht erfüllbar. Früher war ich bei egal welcher Verabredung immer ein paar Minuten zu früh. Jetzt bin ich bei nur 15 Minuten Verspätung ein wenig stolz auf mich. Warum genau es so lange dauert, mit Kindern loszugehen, erschließt sich mir nicht ganz. Ok, fünf Minuten für angeblich nicht vorhandene Jacken. Geschenkt. Aber ansonsten muss es eine Krümmung in der Raumzeit sein, wenn eine Familie mit mehreren Kindern losgehen will. Und sollte man doch pünktlich loskommen, fällt beim Verlassen des Hauses auf, dass jemand Durst hat oder dringend auf Toilette muss. Oder beides gleichzeitig.
Durst! Hunger!
Die Hälfte des Haushaltsgeldes geht auch gefühlt für Wasser und Brötchen (oder Salz-übersäte Brezeln) unterwegs drauf. Also Trinken und Essen. Dinge, die man eigentlich zur Genüge daheim hat. Ein Liter Wasser zu Hause: 1 Cent. Unterwegs: drei Euro plus Anstehen plus Diskussion welches Wasser. Wenn man sich das Ersparen will und vorher als guter Elter dran denkt und extra noch einen Stoffbeutel mitnimmt mit Flasche (bloß kein Plastik, sonst gibt es Ärger (Übrigens: Spaßsport: Wenn jemand über Plastikflaschen schimpft, kurz nachfragen, wofür „BPA“ eigentlich steht und warum es schädlich ist. Also nicht, dass es nicht schädlich ist, aber bei den emphatischen „IST DAS BPA-FREI?!“-Nachfragen, kann man ja mal kurz den Wissensstand abfragen), wird natürlich niemand Durst haben, die Flasche läuft aus, das geschnittene Obst zermatscht oder wird Tage später mit weißgrünem Pelz aus der Frühstücksdose geborgen. Wachsen ja schnell, diese Kulturen.
Das letzte Picknick
A apropos mitgenommenes Essen: Wir waren letzte Woche zum Picknick eingeladen. Oder genau genommen waren wir zum Treffen auf einem Spielplatz verabredet. Mir wird ja nur auf dem kurzen Dienstweg als vollendete Tatsache mitgeteilt. „Du, wir sind auf einem Spielplatz verabredet“. Durchsage Ende. Mein Hinweis, dass ich mich dann jetzt erschießen gehe, wurde ausnahmsweise zur Kenntnis genommen und der Spielplatz in ein Picknick umgewandelt. Ich bin ja bekennender Freund von Picknicken, denn ich liebe Sonne, Wespen und wegen Ameisen maulende Kinder sehr. Auch diesmal war es sehr schön. Sechs Kinder stellten sich im Chor auf und skandierten „Wir wollen Pizza, wir wollen Pizza!“, weil wir irgendwie kein Essen dabei hatten. Mein Versuch, Pizza in den Park zu bestellen wurde als „das geht doch nicht“ abgelehnt und nach den ersten Insekten-Bissen („Hat jemand eine Adrenalin-Spritze dabei?“), haben wir überlegt, ob wir das mit dem Picknicken vielleicht einfach prinzipiell lassen. So schade.
Natur? Och nö
Wobei es ja auf dem Land ja auch ähnlich läuft. Also man schafft sich ein Landhaus an, weil die Kinder sollen ja in die Natur. Und in der Stadt beschweren sie sich, dass es nichts gibt zum Rausgehen. Dann fährt man raus, ist auf dem Land und sagt „So, ihr könnt dann jetzt rausgehen“. Zur Auswahl stehen: in den Garten, an den See oder zum Pferdehof, die niedlichen Shetland-Ponys und ihre noch niedlicheren Fohlen anstarren. Leider ist Natur auf dem Land selbst dann nicht so richtig attraktiv, weil das Gras eben nur in der Stadt grüner ist und so muss man dann immer verhandeln: Ja, es gibt später Vesper. Nein, Maus-guck-Tag ist erst am Sonntag. Ja, später spielen wir noch Karten. Aber wenn sie dann mal draußen sind, dann geht es auch. Eigentlich. Meistens.
INSEKTEN!
Außer, wenn Tiere im Spiel sind. Tiere sind sehr gefährlich. Vor allem die kleinen. Das ist auch ein wenig hausgemacht, weil abends gibt es hier immer sehr aufwändige Zecken-Sichtungs-Sitzungen, bei denen sich Horrorgeschichten über Menschen erzählt werden, die schon mal jemanden kannten, der eine Reportage über jemanden gesehen hat, der von einer Zecke gehört hat. Und sobald ein Tier fliegen und landen kann, gibt es leichte Panikschübe. Das führt so weit, dass die Kinder Phantombilder angreifender Insekten anfertigen. Gerade erst heute wurde von einem Handteller-großen Tier berichtet, dass sich auf ein Bein gesetzt hat und nur mit Müh und Not verscheucht werden konnte. Es war wirklich brenzlig. Vielleicht könnt Ihr die Art ja zuordnen. Ich vermute eine gemeine Kreuzpinnenhornisse:
Popcorn-Business
Bei uns kommen ja regelmäßig Werbeanfragen an. Meine neue Lieblingskooperationsanfrage ist für Popcorn. Eigentlich kann man gar nicht so viel dazu schreiben, denn es ist Kunst für sich (kursive Teile geändert):
»Du wurdest aus unserer Influencer Marketing Agency Kartei exklusiv von Irgendeinepopcornmarke ausgewählt und hast die Möglichkeit den Irgendeinepopcornmarke selbst auszuprobieren, leckeres Popcorn im Kochtopf aufpoppen zu lassen und dabei ein Rezept zu entwickeln, welches ganz nach deinem Geschmack ist. Orientalisch? Deftig? Süß? oder auch eine Kreation aus allem?
Irgendeinepopcornmarke sucht das leckerste und kreativste Rezept und nur ihr auserwählten Influencer Moms habt die Chance ein Rezept zu kreieren, auf Instagram oder YouTube mit der Verlinkung @Irgendeinepopcornmarke und dem #wirfindeirgendeinepopcornmarke ganztoll ein Post/Video zu veröffentlichen und ein Reisegutschein von 1000€ zu gewinnen!
Leider können wir dir keine Gage für deinen Beitrag auf deinem Kanal zahlen, doch der Irgendeinepopcornmarke wird schnell dein Food Herz erobern und zudem hast du von den Auserwählten Influencer Moms die Chance den Reisegutschein von 1000€ zu gewinnen. Die Irgendeinepopcornmarke Jury wählt das leckerste Rezept und somit den Gewinner des Reisegutscheins.“«
Awwww, was für ein gutes Angebot! Ich finde, eine Tüte Popcorn ist eine durchaus adäquate Vergütung für Werbung für eine Tüte Popcorn. Oder komm, die lassen sich nicht lumpen, bestimmt gibt es zwei Tüten! Oder zwei Tüten und einen feuchten Händedruck. Die Marketing-Agentur, die das vermittelt, bekommt sicher auch nur Popcorn. So funktioniert das nämlich: Popcorn-betriebenes Agentur-Business. Und weil ich das so toll finde, kriegt ihr jetzt gleich ein Rezept und ich verzichte auf die Tüte und den vielleicht-Gutschein: Popcorn machen, Butter drüber und Salz drauf. Fertig. Lieber Süß? Nehmt Zucker. Oder natürlich fairen Agavendicksaft von glücklichen Bäumen.
Instadads
Apropos Agentur-Business: Letzte Woche wurden irgendwo auf Instagram Listen von „Instadads“ zusammengetragen. Ich wurde freundlicherweise auch vermerkt und ich musste erstmal recherchieren, was das jetzt ist. Bzw. mich kurz setzen, um das zu verdauen. Ich bin ja schon auf einer Twitter-Liste „Silversurfer, die jung geblieben sind“. Ok, da muss man durch. Aber „Instadads“? Ich glaube, wer sich als Instadad bezeichnet, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Eine kurze Recherche ergab: Das ist so ein Ding: Bärtige Wikinger-Typen, die ein Kinderwagen nach dem anderen testen, ihre Kinder namentlich bei jeder Gelegenheit in die Kamera halten und überhaupt super süße Knuddeldads sind. Oh, so cute! <3 <3 <3. Leider scheint das auf Dauer das Nervensystem zu belasten, denn diese „moderne Väter“-Instadad-Instagram-Posts lesen sich dann so (redaktionell leicht geändert):
»so eine Pause kann ganz schön anstrengend sein ? #addicted #schuldigimsinnederanklage // ich freue mich mega auf euch und den Austausch ?? #connected // und natürlich muss ich „Danke“ sagen für eure tollen #comments zu meiner kleinen #pause ?? // Thomy und ich waren auch fleißig und haben den post „AIDAperla mit Kleinkind?“ fertig gemacht – findet ihr wie immer da oben ?? #linklinklink // jetzt kommt gut in die nächste Woche ?❤️ und das Bild hat der großartige @irgendeinfotograf gemacht #künstler #cameraskills #photography #kindername #aida #aidaperla – ach und falls mir jemand winken ?? mag, ich winke allen zurück ?“«
Da wird einem ja schon beim Lesen schummrig. #nurspaß Wirklich. Mega.? #darfmandochmalsagen Aber jedem das #seine, hab ich ja schon #immergesagt?. Übrigens solltet Ihr alle #apple Produkte kaufen.?? Ist nur Zufall, dass ich das hier ver-#hashtagtagtag-e. Zwinkersmiley. Das Foto hat übrigens mein BFF gemacht. Mit iPhone. So much #nature #nofilter #thetruelife Bald Verlosung. Kinderwagen gibt es obendrauf. Kussie.
In diesem Sinne und bis zur nächsten Woche
Euer #Instadad
Keine Geschichten verpassen? Folgt vierpluseins auf Facebook oder lest meine Frühstücksgeschichten auf Instagram. Oder Ihr diskutiert in der wichtigen FB-Gruppe Sockensucher über Eure verlorenen Socken und sprecht in Familienfrühstück mit anderen Eltern über Frühstücksideen. Wer nicht dabei ist, verpasst alles. Wirklich jetzt. #vollerernst #wirdbestimmtwasverlost
Alte Montagspostings findet Ihr hier. #müsstihrallelesen #keinspaß #hefterausklassenarbeit
12 Kommentare
loosy · 11. Juli 2017 um 8:12
„geborgen. Wachsen“ – I see what you did there…
Sabrina · 12. Juli 2017 um 8:23
Ja, wirklich geschickt formuliert. 😉
leitmedium · 12. Juli 2017 um 15:22
Puh, ist es also jemandem aufgefallen 🙂
Frau Sandkuchen · 11. Juli 2017 um 8:17
#mademyday #winkewinke ?
Nicky · 11. Juli 2017 um 8:26
#nichtvierpluseinslesenwennmantrinkt #kakaoaufdertastatur 😀
#hashtagssindkeinerudeltiere
Viviane · 11. Juli 2017 um 8:30
Mein persönliches Highlight im Wunderland Instagram sind dann ja immer diese eifrigen Fragebögenbeantworter, die glauben, es interessiert irgendjemanden wenn sie lang und breit erläutern, dass sie in Gütersloh geboren sind, schon, hihi, 38 Jahre alt sind, hihi, Soziologie studiert haben und drei zuckersüße Kinder haben, mit denen sie jetzt im Traumbacksteinhaus wohnen, DIY und gutes Essen lieben, Fensterputzen aber leider hassen!
Daniela · 11. Juli 2017 um 9:09
#wieder #einfach #nur #glücklich #bin #danke
Rechtschreibkorrektur · 11. Juli 2017 um 9:11
lieber instadad – du hast in deinem abschluß #claim #nenntmandasso? einen rechtschreibfehler: es heißt #socken und nicht #sochen … #oberkorrekt #duden #fluechtigkeits#fehler
lg toni
leitmedium · 12. Juli 2017 um 15:22
Ist behoben. Danke 🙂
Katharina · 14. Juli 2017 um 13:05
Hahahaha #mega Absatz über #Instadads…wie bringst du das nur so (SO!) auf den Punkt???
ankemaria · 18. Juli 2017 um 16:15
der Teil über die Instadads ist diese Woche mein Lieblingsteil deines wie immer grandiosen Beitrags. Mal wieder: Danke Danke!
Über unfreiwilliges Magic Cleaning, Elmo, nicht enden wollende Kinderwitze und verfassungsfeindliches Bastelzeug - vier plus eins · 18. Juli 2017 um 0:49
[…] ich letzte Woche hier über Instadads schrieb, ist mir übrigens eine lustige Coral-Instagram-Kampagne über den Weg gelaufen, die ich hier […]
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