11.680 Mal – über das Zähneputzen bei Kindern – mit Tipps!

Veröffentlicht von leitmedium am

Ich möchte über Zähneputzen reden. Über Zähneputzen redet kaum jemand. Außer die üblichen verzweifelten „mein Kind will sich nicht die Zähne putzen lassen“-Gespräche. Wenn Ihr wüsstet, denke ich dann, wenn Ihr wüsstet, wie oft Ihr Euch noch wünschen würdet, Euren Kindern nicht die Zähne zu putzen. Es ist ja nicht schlimm mit dem Zähneputzen. Man liebt die Kinder und alles an ihnen dran und die Zähne auch und da sie alle mindestens einhundert Jahre alt werden, wenn die Erde nicht vorher abklappt, brauchen sie noch lange Zeit ihre Zähne. Aber dieses tägliche Putzen, das bringt einen so ein ganz klein wenig um den Verstand. Dabei steigt das Umdenverstandbringen mit der Anzahl der Kinder. Wenn man morgens und abends in Fließbandarbeit (sehr sehr achtsamer Fließbandarbeit natürlich!) mehreren Kindern nacheinander die Zähne putzt, fragt man sich irgendwann: Warum? Warum ich? Wer hat sich das mit den Zähnen ausgedacht? Warum brauchen Tiere das nicht? Wer hat dem vierhundert Jahre alten Hai die Zähne geputzt? Und wie oft habe ich das eigentlich schon gemacht?

Als Zahnputzbeauftragter vom Dienst (ZvD) habe ich es ausgerechnet: Ich habe in diesem Leben Kindern ca. 11.680 Mal die Zähne geputzt. Elftausendsechshundertachtzig. Um in einer Tätigkeit meisterhaft zu werden, müsse man sie wohl durchschnittlich zehntausend Stunden üben, stand mal irgendwo und alle haben sich drüber gestritten. Vielleicht ist ja was dran, aber ich glaube, beim Zähneputzen gilt das nicht. Je öfter ich putze, desto mehr muss ich mich dabei konzentrieren. Manche Menschen fahren ja in Retreats, wo sie üben, ihre innere Stille zu finden und einfach an nichts zu denken, um den Kopf mal freizubekommen. Als ZvD hat man diesen Zustand schnell 11.680 Mal erreicht und versucht eher, nicht an nichts zu denken, sondern alle Zähne zu erwischen, während das Kind je nach Temperament und Tageslaune sich rauswindet, den Mund fest zukneift und jegliche flehenden Kooperationsersuche ignoriert, oder versucht, mit der Zahnbürste im Mund Witze zu erzählen, was in der Regel darin endet, dass man noch einmal erklären muss, dass Zahnpastaflecken wirklich blöd sind.

11.680 Mal Kinderzähneputzen führt jedenfalls nicht zur Meisterschaft und abgerechnet wird dann immer unter den strengen Blicken der Zahnärztin, die unerbittlich aufs Neue erklärt, dass man doch da hinten links auch noch dran denken solle. Auf meine Frage an eins der Kinder, ob es eigentlich nicht im Kindergarten von Grusel-Kroko erklärt bekommen habe, wie man sich die Zähne richtig putzt, meinte es, nein, es sei ja in einem Waldorfkindergarten gewesen, da hätten sie halt lieber ihre Zeit mit Schnitzen verbracht. Schlau, dachte ich. Wenn ich 11.680 Mal ein paar Minuten Schnitzen würde, was wäre dann wohl aus mir geworden? Jedenfalls bekommen Menschen, die in Deutschland hundert Jahre alt werden einen Brief vom Bundespräsidenten, weil sie so lang durchgehalten haben. Ich denke, ab 10.000 Mal Kindern die Zähne putzen hat man sich auch eine Anerkennung verdient. Vielleicht das Eiserne Bundesputzkreuz. Ich würde es tragen!

p.s.: Überlebenstipps für zukünftige Eltern:

  • Bei der Geburt eines Kindes unbedingt die lebenslang zu verwendende Zahnbürstenfarbe festlegen um Verwechslungen vorzubeugen.
  • Egal, wie sehr sich ein Kind eine neue Zahnpastasorte wünscht, es wird sie wahrscheinlich angewidert ausspucken, weil Erdbeere schmeckt nicht nach Erdbeere und Prinzessin Lillifee nicht nach Prinzessin.
  • „Aber Du wolltest diese Zahnpasta doch“ ist nach Kinderlogik kein zulässiges Argument.
  • Die Zahnpasta nicht zu kaufen ist auch keine Option.
  • Kindern niemals erzählen, dass es Zahnpflegekaugummis gibt, denn sie denken, das sei ein Lifechanger und fragen bei jeder Gelegenheit, ob sie nicht einfach Kaugummi kauen dürfen.
  • Den lieb gemeinten Vortrag über „Ich putze Dir doch nur die Zähne, damit Du später…“ finden Kinder genau so öde wie Eltern.

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Die zu wenigen Texte hier kompensiere ich übrigens durch zu viele Instastories, in denen kleine Anekdoten landen, die es nicht in Texte schaffen.

In der aktuellen Folge MKL reden Patricia und ich über das Thema Vereinbarkeit im Job, davor haben wir über Kinderfilme gesprochen.

Kategorien: Montagspost

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Parteiloser Postprivatier.

4 Kommentare

Conni Nier · 15. September 2020 um 9:52

Grusel – Kroko, ich lach mich schlapp!
Da ich nicht in der Waldorfschule arbeite, werde ich regelmäßig von dieser Spezies heimgesucht.

viermalmeins · 16. September 2020 um 14:47

Sehr unterhaltsam, also für andere und von außen 😉 Seltsamerweise habe ich hier mit 4 hin und wieder höchst eigensinnigen Exemplaren nie (nie!) Probleme mit dem Zähneputzen. Gehabt und noch immer nicht. Komisch, oder? Kann aber keinen Tipp geben, leider, weil ich keine Ahnung habe, woran es liegt. Aber einmal muss man ja auch Glück haben im Leben.

Annika · 28. September 2020 um 14:32

Ich kann deine Erfahrungen nur bestätigen. Und ich frage mich, ob ich bis zum 18. Geburtstag putzen werde? Komisch nur, dass ich meine Zähne (teilweise mit Amalgam verblombt okay..) noch habe, obwohl meine Eltern mir nie sie Zähne geputzt haben. Du wussten garnicht, welches Glück sie hatten. Und ich vielleicht auch…

Anne · 14. Februar 2021 um 17:54

Staub wirbelt auf wenn ich nach einigen Wochen mal wieder vierpluseins öffne. Die Seite ist verwaist. Die Farben des letzten Beitrags übers Zähneputzen sind verblasst, weil er oben auf der Seite steht und sich nicht wie die anderen in den Tiefen des Blogs verstecken und seine Farben pflegen kann. Die Bewohner scheinen ihr Habitat aufgegeben zu haben. Oder es passiert nichts berichtenswertes mehr. Nachdem das letzte Körnchen Schmunzelgold geerntet wurde, bleibt nur noch einsame Ödnis zurück.
Vor dem inneren Auge ploppt das Bild einer verlassenen Westernstadt auf. Die quietschende Saloontür, das Tumbleweed auf der Hauptstraße und im Hintergrund spielt das Gehirn diese eine bekannte Mundharmonikamelodie.
Meine Trauer ist mittlerweile verflogen. Geblieben ist nur Sorge, dass es den Fünfen gut gehen möge und sie bitte bitte noch was zu lachen haben auch ohne uns Voyeure, die sich immer mal wieder vornehmen auch mal was in die Welt rauszuschreiben aber irgendwie nie systematisch dazu kommen. Schon gar nicht jeden Montag.
Schön war’s hier. Fast wie zu Hause. So sauber, dass man vom Boden essen kann und dabei sogar satt wird.
Zum Gruß tippe ich mit dem Finger an meinen Hut, wende den Lastenesel und lasse ihn langsam gen Sonnenuntergang humpeln.

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