Über Konferenz-Kinder, Stummschalten, Koffer-Basteln und Staub-Feen
Konferenz-Kinder
Das Bad müsse jetzt dringend frei werden, bald sei Zoom-Meeting! Ein Kind schiebt mich bestimmt aus dem Bad und schließt die Tür hinter mir. Seit die Kinder morgens Videokonferenz-Termine haben, hat sich der Wind hier gedreht. Als das Kind das erste Mal eine Minute vor Konferenzbeginn mit gestriegelten Haaren, Pullunder und Knöpfhemd gespannt vor dem Laptop saß, hätte ich das ja schon ahnen können. Man vermutet dann als Elter ja erstmal, dass sich das bald wieder legt. Aber das tut es nicht – es wird in höchst korrekter beamtlicher Manier Woche für Woche auf die Sitzung gewartet. Was sich auch nicht wieder legt, sind die steten Beschwerden über und während der Konferenzen. Das sei jetzt aber langweilig, ob die sich nicht mal beeilen könnten, wozu diese Aufgabe bitte gut sein soll und wer eine Wolke blau male, hätte ja wohl die Kontrolle über sein Leben verloren. In Gedanken habe ich bereits an einem Achtsamkeitsgespräch mit den Kindern zum Thema gewaltfreie Gedankenkommunikation während Videokonferenzen gearbeitet. Das versuchte ich unter anderem, während ich so tat, als würde ich einem Rudel Business-Kaspern zwei Stunden dabei zuzuhören, mir irgendwelche sinnlose digitale Dienstleistungen per „Konferenz-Schalte mit dem ganzen Team“ schmackhaft zu machen. Während ich schon in der fünfzehnminütigen Vorstellungsrunde laut vor mich nörgelte, ob die Honks nicht mal endlich zum Thema kommen könnten – das rot durchgestrichene Mikrofon ist mein Lieblings-Symbol – und die Kinder mich sehr interessiert dabei verfolgten, entschied ich, das Thema nicht weiter zu verfolgen.
Alle Stummschalten
Die Kinder sind da konsequenter. Letzten verkündete eines während eines Klassenanrufs lautstark, dass es endlich rausgefunden hätte, wie es alle stummschalten könne. Mein Hinweis, dass ich mir diese Funktion auch manchmal wünschen würde, wurde weniger erheitert zur Kenntnis genommen, als gedacht. Auch sonst wird natürlich viel während der Videotelefonate rumgeklickt und ausprobiert. Ich warte ja auf den Moment, an dem die Kinder endlich auf die Idee kommen, sich selbst als Video aufzunehmen und als Hintergrundvideo in einer Schleife in Zoom abzuspielen, um sich dann von einem interessiert dreinblickenden Alter Ego in Konferenzen vertreten zu lassen, während sie sich weiter um Legosteine streiten können. Oder den einen schönen Löffel. Oder wer zuerst ins Bad darf. Oder die eine Erdbeere, die anders aussieht als die anderen. Oder den linken Platz auf dem Sofa. Oder einfach um irgendetwas, wo man gar nicht weiß, was, aber es unbedingt haben muss. Mich erinnert die statistisch scheinbar notwendige Ressourcen-Streiterei manchmal an den Scherz, wo man sich in der DDR an Warteschlangen anstellte, auch wenn man nicht wusste, was es gab, weil bei einer Schlange wollte man auf jeden Fall nicht leer ausgehen.
Koffer Basteln
Jedenfalls wird der Heimunterricht hier weiter täglich verfolgt, manchmal aber mit ein paar Fragezeichen versehen. Zum Beispiel, wenn ein dreidimensionaler Koffer aus Pappe gebaut werden soll, bei dem sich beide Eltern die Finger abbrechen und stolz sind, wenn endlich ein kleiner Koffer auf dem Tisch steht und man nur noch nach einer Möglichkeit sucht, sich den Klebstoff von den Fingerkuppen zu schälen. In der folgenden Klassenkonferenz wird dann mitgeteilt, dass der Koffer ja nur freiwillig gewesen sei und damit man eben wisse, wie ein Koffer so aussähe. Ich glaube, ich brauche eine Zahnknirschschiene für tagsüber oder muss ganz unbedingt mit Meditation anfangen. Immerhin wusste ich auf die Hausaufgaben-Frage, was denn eine Meuterei sei, mit Bestimmtheit die Antwort, dass es genau das sei, was die Kinder den ganzen Tag anzettelten und damit konnten sie dann auch so ganz ungefähr etwas anfangen.
Staub-Feen
Das Kitakind stöpselt währenddessen Bausteine zusammen und scheint die Zeit bis auf gelegentliche Vermissungen der FreundInnen zu genießen. Seit mir letztens aufgeregt freudig erklärt wurde, dass hier ganz viele Feen rumfliegen würden und ich erst nach einer sehr langen Weile verstand, dass damit Staubflusen gemeint sind, vermute ich, dass hier jemand sehr schlau strategisch unsere gepflegte Unordnung in Märchengeschichten verpackt. Vielleicht schreibe ich ja ein paar Märchenbücher. Schneewittchen, bei den sieben Zwergen, hinter den sieben Wäschebergen. Oder ganz pädagogisch: Von einem, der auszog, das Fegen zu lernen? Jedenfalls führt die aktuelle Dauer-Zusammensei-Zeit natürlich auch zu mehr Gelegenheiten für Kidsplaining, weil, wenn Kinder sich nicht gegenseitig kidsplainen können, müssen eben die Eltern ran. Als ich von einer Wasserschlange im See berichtete, wurde mir dargelegt, dass dies eben keine Wasserschlange gewesen sei, sondern eine „Hormone“ und die komme aus einer Höhle und lege keine Eier, sondern die Babyhormonen käme aus der Erde. Das wisse man doch. Zugleich mussten wir Eltern stark trösten, als wir ankündigten, dass wir so komische Milchsäure-Schuhe anziehen würden und unsere Füße dann bald wie Babyfüße aussehen würden. Das führte zu lauten Protesten, weil offenbar unvorstellbar war, dass die Eltern wieder Babyfüße haben könnten. Wie solle das auch gehen? Wir hätten ja auf die Kinder auf die Kindern hören sollen. Aber ich konnte mich nicht wehren, weil mir mitgeteilt wurde, dass ich wegen der Abwesenheit einer besten Freundin jetzt eben den „beste Freundinnen Kram“ mitmachen müsse. So ersatzweise. Ich muss ja sagen: Wer seine Freundinnen überredet, diese Milchsäure-Dinger aus der Hölle zu benutzen, ist keine Freundin! Aber das schreibe ich lieber heimlich anderswo.
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Die zu wenigen Texte hier kompensiere ich übrigens durch zu viele Instastories, in denen kleine Anekdoten landen, die es nicht in Texte schaffen.
In der aktuellen Folge MKL reden Patricia und ich über das Thema Vereinbarkeit im Job, davor haben wir über Kinderfilme gesprochen.
1 Kommentar
Barbara · 13. Mai 2020 um 17:37
Mein Kind ist das, das sich erklären ließ, was das Mikrofon bedeute und wie es funktioniere und dann die Lehrerin stumm schaltete…
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