Über Schaukelstuhl-Gemeckere, eine Haarsituation, notwendige Grammwaagen und Einhorn-Tierdokus

Veröffentlicht von leitmedium am

Schaukelstuhl

Sie sollten bitte nicht mit der Gartenschere spielen, und nicht von der Treppe springen und nein, bitte auch nicht mit einem Hammer auf den Eimer hauen. Auf Wunsch der Kinder habe ich mit einem Stuhl in die Gartentür gesetzt, versuche, ein wenig zu arbeiten und gebe alle paar Minuten unablässliche elterliche Sicherheitshinweise. Genaugenommen ist der Stuhl ein Schaukelstuhl, ich wippe auf und ab und rufe Dinge, bei denen ich als Kind die Augen gerollt habe. Oh nein, denke ich, während ich weiterwippe, ich bin der alte Herr, der ich nie sein wollte. Die Kinder ignorieren mich gepflegt weiter, springen mit der Gartenschere in der Hand von der Treppe und trommeln auf den Eimern rum. Immerhin, vielleicht haben sie ja nicht mitbekommen, dass ich zu Waldorf&Statler mutiert bin.

Haarsituation

Natürlich haben sie haben es mitbekommen. Und lassen neuerdings auch keine Gelegenheit aus, mich auf meine Haarsituation hinzuweisen. Vor zwei Wochen war dieser eine Moment, als mein Smartphone mich melancholisch drauf hinweis, dass gleich mein Friseur-Termin sei und ich mich auf den Weg machen solle, um pünktlich da zu sein. Der Termin war natürlich längst abgesagt und ich saß bereits mit rosa Glitzerhaarspangen im Haar da. Die hatte ich letztens erst versehentlich getragen und nun sind sie eben mein ganz persönliches Zeichen der Postapokalypse. Ich finde, in den ganzen Zombie-Filmen sollten mehr Menschen Glitzerhaarspangen tragen. Wegen dem Realismus.

Grammwaagen

Was ich auch gern früher gewusst hätte: Wenn man mit Kindern wochenlang ununterbrochen zusammenwohnt, sollte man ein Gerät unbedingt vorher anschaffen: Eine Milligramm-genaue Waage für die diskussionsfreie Aufteilung jeglicher Mahlzeiten. Ein Großteil des Tages besteht sonst aus Diskussionen, wer eventuell einen Müh zu viel oder zu wenig bekommen hat. Und da bei drei Kindern das gerechte Aufteilen von zum Beispiel zwei Brötchen per se zum Scheitern verurteilt ist, bietet sich eine andauernde Gelegenheit für Diskussionen. Noch schwerwiegender natürlich, wenn es sich gar um Süßigkeiten handelt, die immer, wirklich immer umpfair abgegeben werden. Jedenfalls war ich froh, als ich einfach mitteilen konnte: Jede_r hat jetzt 42,7 Gramm Zimtschnecke. Guten Appetit! Es stellte sich raus, dass dann auch egal ist, wie das Essen aussieht – hauptsache abgewogene süße Masse. Wir Erwachsenen haben dieses Problem ja nicht. Fast nicht. Denn dafür werden wir zu Ostern eventuell in Erklärungsnot geraten, wo eigentlich die ganzen Süßigkeiten bleiben. Ich finde ja, in der aktuellen Situation sollte man auch als Kind Verständnis dafür aufbringen, wenn Eltern abends die Vorräte aus quasi medizinischen Gründen plündern. Wobei: Da ja mittlerweile eh niemand mehr weiß, wann welcher Tag ist, können wir Ostern ja auch auf die Zeit schieben, wenn die es die Schokoladen-Restbestände im Supermarkt zum halben Preis gibt.

Mittagsbeschwerden

Bezüglich der Beschwerden jedenfalls stellte sich leider heraus, dass es offenbar ein Beschwerde-Soll gibt, dass Kinder pro Tag vorbringen müssen. Fällt eine Beschwerdegrundlage weg, wird agil auf eine neue ausgewichen. Zum Beispiel das Essen selbst. Das ist eigentlich irgendwie ja okay, aber dennoch nicht richtig. Statistisch betrachtet wird jedes zweikommafünfte Essen ohne weitere Angaben von Gründen abgelehnt. So langsam beschleicht mich das Gefühl, dass ich die Beschwerden über das Schulessen der letzten Jahre noch einmal ganz neu bewerten muss.

Yoga

Vorgenommen für die viele Zeit zu Hause hatte ich mir, endlich mal ein wenig Yoga zu machen. Leider haben die Kinder beschlossen, morgens immer ALBA-Sportstunden auf Youtube mitzuturnen und es ist natürlich wichtig, dass die Eltern da als Vorbild dabei sind. Und dann liege ich jeden Morgen halb neun wie ein toter Kartoffelsack auf dem Fußboden und mache irgendwelche super engagierten gut gelaunten Übungen mit. Die Kita-Sendungen gehen ja noch, aber vor den Grundschul-Trainings müsste eigentlich eine Gesundheitswarnung für Eltern geschaltet werden. Ein wenig entweiht der Fernsehsport ja generell Fernsehsituation. Die sagt ja eigentlich: Setz Dich, nimm Dir ‘nen Keks. Und jetzt? Sport. Ausgerechnet Sport.

Fernsehsport

Ok, als Eltern hat man ja vielleicht auch die ein oder andere Beschwerde zur Zeit vorzubringen. Also über den morgendlichen Fernsehsport zum Beispiel. Und über die andauernden Essensbeschwerden. Und überhaupt: Dass die Kinder die ganze Zeit nur essen. Wie geht das eigentlich so rein physikalisch? Wie passt das alles in die Kinder rein? Wofür verbrennen sie so viel Energie? Und dann die vielen HomeSchooling-Aufgaben, die man jetzt so mitmachen muss. Vor allem diese dämlichen Mathe-Textaufgaben, bei denen man entweder studiert haben muss (nicht Mathematik!) oder gekifft, um zu verstehen, was da eigentlich gemeint ist. Immerhin lernt man als Eltern mal alle Arten des Flunsches kennen, die Kinder so ziehen können. Ich denke, ich werde bald Schaubilder „Fifty Shades of Kinderflunsch“ anfertigen. Die meisten Motive entstehen bei der Heftarbeit und bei der Verkündung des Mittagessens.

Tierdokus

Aber kreativ sind die Kinder auch geworden. Sie dürfen nach dem Mittagessen immer eigenständig „Bildungsfernsehen“ auswählen und gucken. Auf meine Nachfrage, warum genau sie denn jetzt seit einer Stunde „My Little Pony“ sehen würden, bekam ich die Antwort, dass Tierdokumentationen ausdrücklich erlaubt wären. Dazu noch einen prophylaktischen Flunsch und dann hatten sie gewonnen. Ich habe mich einfach wieder in den Schaukelstuhl fallen lassen und aus dem Fenster gesehen. Ich glaube, das wurde so von mir erwartet.


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Die zu wenigen Texte hier kompensiere ich übrigens durch zu viele Instastories, in denen kleine Anekdoten landen, die es nicht in Texte schaffen.

In der aktuellen Folge MKL reden Patricia und ich über das Thema Vereinbarkeit im Job, davor haben wir über Kinderfilme gesprochen.

Kategorien: Montagspost

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Parteiloser Postprivatier.

4 Kommentare

Neeva · 7. April 2020 um 6:11

Oh Nein! Ich tröste mich schon das komplette bisherige erste Schuljahr, dass es einfacher wird die Aufgabenstellung zu kapieren, wenn sie dann einfach dazuschreiben, was das Kind machen soll! Das bleibt so mit dem Rätseln?

Barbara · 7. April 2020 um 8:35

Oh, das „Umpferd“ insbesondere bei der Essensverteilung kennen wir auch, und wir haben nur zwei Kinder! Es ist quasi Dauergast bei uns. Und wegen der Mathehausaufgaben: das bleibt nicht nur so, das wird noch schlimmer (dabei ist es erst die sechste Klasse)…

sarah · 7. April 2020 um 9:54

Ich habe die Osternester bereits auch zum dritten Mal aufgefüllt, die Schokolade der ersten Nester hat es nicht bis Ostern geschafft. Noch sind es ein paar Tage, es bleibt also spannend. Bei uns sind die Osternsüßigkeiten übrigens bereits reduziert.

Anne · 14. April 2020 um 21:46

Hätte da noch drei Osterhasen vom letzten Jahr abzugeben. Schmecken vermutlich nicht. Wäre jetzt natürlich grandios wenn ich behaupten könnte, wir hätten sie jetzt erst wiedergefunden. Hamwaabanich. Ich wusste die ganze Zeit, dass sie da sind und wollte sie nicht essen. Wird man anspruchsloser wenn die Kinder älter sind und isst dann auch Billigschokolade? Muss jetzt erstmal ein Rezept für Mousse au Chocolat googeln. Das Zeug muss ja weg.

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