Über Supermarktkassen, Bastelmassen, pädagogischen Glitzer und wandernde Beutel

Veröffentlicht von leitmedium am

Supermarktkassen

»Entschuldigen Sie!… Entschuldigen Sie?!«. Ein älterer Herr hinter mir spricht mich an der Supermarktkasse an. Eigentlich versuche ich an der Kasse ja nie nach hinten zu sehen, weil ich dann oft in Gesichter mit einer Mischung aus Vorwurf und Flehen blicke, die mir nahelegen, ob meiner Einkaufsmenge doch anzubieten, sie vorzulassen. Das mache ich natürlich sehr sehr gerne, denn wenn man einen Familiengroßeinkauf macht, hat man natürlich besonders viel Zeit übrig und freut sich, nach endlosen Runden zwischen Supermarktregalen und diversen Nervenzusammenbrüchen am Quengelware-Bereich anderen Menschen eine Freude damit zu machen, einfach noch ein bisschen länger im Geschäft zu bleiben. Jedenfalls drehe ich mich leicht entnervt zum penetranten Typen um, der freundlich lächelnd Richtung meines chaotisch gestapelten Einkaufs nickt und fragt, ob ich auch am preppen sei. »Nein«, entgegne ich, »das ist die Tagesration für drei Kinder«.

Bastelmassen

Den Einkauf erledige ich oft morgens nachdem ich die Kinder in Kita und Schule gebracht habe. Leider hat man mich diesmal morgens in der Kita abgepasst und mir nahegelegt, doch die schönen gebastelten Sachen mitzunehmen, die da jetzt schon eine Weile stehen würden. Ich habe diesen Moment mehrere Monate vor mir hergeschoben, doch nun komme ich nicht mehr herum. Feierlich wird mir ein mit buntem Papier beklebtes Apfelmus-Glas überreicht. Das sei ein Tee-Licht! Auf meine Frage, was die braun angemalte Toilettenpapierrolle und der grüne Papierkegel seien, wird dieser mit leichtem Vorwurf zusammengesteckt und erklärt, dies sei ein Weihnachtsbaum. Das würde man doch wohl erkennen. Ein Stapel angeknittertes Papier mit vielen bunten … Wolken? … wechselt die Hände. Ob man sich denn wirklich sicher sei, dass diese wundervollen Sachen alle von meinem Kind seien, frage ich nach. Nicht, dass ein anderes Kind traurig wird, weil es seine vermisse? Schulterzuckend schiebt man mich aus der Kita. Das hätte im Fach des Kindes gestanden, also sei das schon richtig. Ich beschließe, den Kindern ab jetzt Marie Kondō statt Peppa Pig zu zeigen.

Glitzer

Das ist vielleicht eh eine gute Idee, nachdem unsere Wohnung zur Zeit ziemlich sparklet. Alles ist voller Glitzer. Inklusive mir. Auf meine zaghafte Frage beim Abendessen, warum eigentlich alles gold glänzen würde, erklärt man mir, dass dies ein pädagogisches Experiment zur Erklärung von Ansteckungsgefahren und effizientem Händewaschen sei. Man habe Goldglitzer verteilt, der Viren und Bakterien darstelle und veranschauliche, wie sich eine Ansteckungsquelle schnell verbreite. Vorwurfsvoll blicken die Kinder auf meine gold glitzernden Hände und schicken mich ins Bad. Immerhin war ich ohne Goldglitzer im Gesicht draußen. Gestern erst war ich überrascht, als mich im Café ein Barista besonders freundlich anlächelte. Ich bin ja nicht so der wird-besonders-häufig-angelächelt-Typ und dachte mir so „Ach Mensch, was für ein wundervoll freundlicher Tag“. Im Bad bemerkte ich dann, dass ich seit dem Morgen eine rosa Glitzerspange im Haar hatte, die mir ein Kind morgens noch schnell in die Hand gedrückt hatte. Das schöne an Berlin ist ja, dass Du rumlaufen kannst, wie Du willst. Im besten Fall wirst Du eben angelächelt. Also habe ich die Spange den Rest des Tages einfach dringelassen. Vielleicht lenkt das ja vom zunehmend schütteren Resthaar ab.

Wandernde Beutel

Als ich die Kinder von Kita und Schule abhole, gibt es zumindest auch hier Freude über meinen neuen Haarstil. Und bisher keine Nachfragen, was denn eigentlich mit den wundervollen Bastelsachen sei, die ich mitnehmen musste. Es ist ja generell so, dass niemand monatelang an sie denkt, nur wenn man nachfragt, was damit passieren soll, stellt sich heraus, dass es wirklich nichts wichtigeres als genau diese Collagen, Bilder und Teelichter gibt und man sie nie nie wegwerfen dürfe. Ich lasse sie jetzt einfach im Beutel, in dem ich sie transportiert habe und rücke den Beutel jeden Tag einen Zentimeter weiter Richtung Wohnungstür. Und irgendwann sparkelt es sehr viel Joy, wenn der Beutel einfach nicht mehr da ist.


Dir hat der Blogpost gefallen? Dann lade mich doch auf einen Kaffee ein! (Paypal-Link).

Die zu wenigen Texte hier kompensiere ich übrigens durch zu viele Instastories, in denen kleine Anekdoten landen, die es nicht in Texte schaffen.

In der aktuellen Folge MKL reden Patricia und ich über das Thema Vereinbarkeit im Job, davor haben wir über Kinderfilme gesprochen.

Kategorien: Montagspost

leitmedium

Parteiloser Postprivatier.

3 Kommentare

Nadine · 10. März 2020 um 9:34

Immer wieder toll ?
Ich hatte letztens erst eine Diskussion an der kasse vom k**fl**d… Nur zwei Packungen nudeln. Selbst auf die Drohung hin dass ich da meinen mann vorbei schicken müsste und sie ihm dann bitte erklären müsste warum er nichts zu essen bekäme, weil die kinder und ich schon zwei Packungen nudeln bräuchten um satt zu werden, brachte nix. Sechs Packungen wären nun mal verboten, ich würde ja hamstern ?‍♀️ musste ich dann eben noch ins aldi. Vollkornnudeln werden nämlich eh nicht gehamstert

Ida · 10. März 2020 um 9:57

Danke, ich hab herrlich in mich reingelacht (damit das auf mir schlafende Baby nicht wach wird).
Das Leben mit Kindern kann richtig lustig sein, wenn man Humor hat.

Über Schaukelstuhl-Gemeckere, eine Haarsituation, notwendige Grammwaagen und Einhorn-Tierdokus - vier plus eins · 6. April 2020 um 23:43

[…] längst abgesagt und ich saß bereits mit rosa Glitzerhaarspangen im Haar da. Die hatte ich letztens erst versehentlich getragen und nun sind sie eben mein ganz persönliches Zeichen der Postapokalypse. Ich finde, in den ganzen […]

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert