Über Blumenkohl, zu freundliche Kritik und vergessene Geschenke

Veröffentlicht von leitmedium am

Blumenkohl

Das Essen sei heute wieder ganz vorzüglich. Kurz schaut das Kind uns Eltern an und dann wieder den Teller. Wir sind beim Mittagessen, es ist einer dieser erschöpften Wochenend-Tage. Zu mehr als Blumenkohl kochen und Öl und Salz bereitstellen, hat es heute nicht gereicht. Aber das geht ja auch mal, denke ich. Ich mag Blumenkohl. Es würde mich freuen, dass es schmecke, gebe ich zurück. Ja, auch das sei erfreulich – so, wie das Essen, echot es von der anderen Tischseite. Kurz ist Stille. Und es wäre überhaupt schön, dass wir Eltern uns immer so viel Mühe geben beim Essen. Es sei ja etwas Besonderes, wenn man immer selber koche, schiebt das Kind nach. Wie wohlig es sich doch anfühlt, wenn die Kinder so freundlich und dankbar für Alltäglichkeiten sind, denke ich. Sie geben einem eben doch viel zurück. Es würde mich wirklich sehr freuen, erwidere ich. So wertschätzende Worte würden einen bestärken, auch an stressigen Tagen keinen Aufwand zu scheuen. Das sei doch schön, entgegnet es. Aber, diese kleine Anmerkung sei bestimmt erlaubt, wenn ich das nächste Mal wieder Blumenkohl zubereiten würde, wäre es toll, wenn ich den Blumenkohl einfach weglassen könnte.

Brötchen

Leicht entgeistert sehe ich das Kind an. Ob der lange freundliche Vortrag jetzt eigentlich nur eine Aufforderung war, keinen Blumenkohl mehr zu machen, frage ich nach. Ja, wir Eltern hätten doch gesagt, man solle Kritik sehr herzlich formulieren, dann sei niemand beleidigt. Während ich versuche, nicht mit den Augen zu rollen und dabei fraumierau einen „dieser gewaltfreie Hokuspokus bringt mich um den Versand!!!11“-Blick zuzuwerfen, nicke ich und gebe zu bedenken, dass man aber ruhig ehrlich sein könne und jetzt nicht so ausufernd loben müsse, wenn es eigentlich doch ein Wunsch nach etwas anderem sei. Das fühle sich sonst etwas merkwürdig an. Das Kind nickt, schiebt seinen Teller weg und holt sich ein Brötchen aus der Küche. Manchmal bin ich ja auch ganz nicht so schlecht als Pädagoge, denke ich. Am Abend koche ich trotz oder wegen der ambivalenten Kritik hochmotiviert ein indisches Linsen-Curry. Das Kind probiert zaghaft, sieht mir lächelnd in die Augen und erklärt, dass das Essen wirklich räudig schmecke, geht in die Küche und holt sich ein Brötchen. Oder auch nicht, denke ich. Oder auch nicht.

Toilettenpapier

Aber auch sonst war meine Performance in den letzten Wochen nur so auf Halbmast. Nachdem wir ausgiebig für die Feiertage eingekauft haben – mit drei Kindern geht man vor solchen Zeiten ja gefühlt unter die Prepper – und ich beim Einkaufen immer „irgendwas habe ich vergessen“ vor mich hin murmelte, während alle schon abwinkten, fiel es mir am ersten nicht mehr verkaufsoffenen Tag dann ein: TOILETTENPAPIER. Fünf Personen und kein Toilettenpapier über die Feiertage kommt ganz kurz nach „Es gibt übrigens kein Internet“ in den Ferien. Jetzt kann man natürlich denken: Macht ja nichts, gibt ja viel Geschenkpapier und Papierservietten an Weihnachten.. Aber natürlich ist hier alles so Ökoschnöko, dass es nicht mal das mehr gibt, sondern nur so Stoffe. Alles ist immer irgendwie aus Stoff. Ich hasse Stoff! Ich habe langsam zudem so eine Vermutung, wo meine Schals um die Weihnachtszeit herum immer verschwinden. Die gestreiften Servietten sehen mir verdächtig vertraut aus. Aber bleiben wir beim eigentlich Thema: Immerhin kann man die Kinder mit einer Tafel Schokolade in der Hand zum Weihnachtsliedsingen bei den Nachbarn schicken. Das machen sie ja eh gern, weil sie Halloween-mäßig auf Beute hoffen. Und wenn sie dann gerade losstiefeln ruft man ihnen noch leise hinterher, dass sie ja nach einer Rolle Toilettenpapier fragen könnten. Man muss eben sehen, wo man bleibt.

Geschenke vergessen

Jedenfalls gibt es die Tradition, dass einer der Erwachsenen vor der Bescherung mit den Kindern rausgeht und ganz überraschend ist alles vorbereitet und voller Geschenke, wenn wir zurückkommen! Dieses Jahr drehe ich mit den Kindern eine Runde durch die kühle Dunkelheit, wir kehren zurück, Kerzen scheinen, Kinderaugen leuchten, sie packen glücklich ihre Geschenke aus. fraumierau fasst mich sanft an den Arm, ich schwelge kurz in Weihnachtsromantik und leise raunt sie mir zu: „Du hast mein Geschenk in Berlin vergessen“. An dieser Stelle muss ich einschieben, dass mein letzter grober Geschenkefehler war, als an einem Geburtstag von fraumierau die Verpackung eines Geschenkes Feuer fing und ich es, um es zu retten, schnell auspackte und stolz mit einem „ich habe es gerettet!“-Superhelden-Blick vor sie hinlegte. Bis heute werde ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit daran erinnert, dass es nicht richtig gewesen sei, ihr Geschenk auszupacken, Feuer hin oder her. Bei Geschenken höre der Spaß auf. Jedenfalls war mir klar, dass für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre dieser Weihnachtsabend meine Achillesferse sein wird. Meine leise Hoffnung, dass das Geschenk gestohlen wurde, hat sich leider als falsch herausgestellt. Es stand einfach zu Hause neben dem Schreibtisch und alle fünf Minuten gibt es jetzt einen „Du hast mein Geschenk vergessen“-Blick. Also seit drei Wochen. Mein Versuch es mit Mental Load und meinem fast biblischen Alter zu erklärten, verpufften leider.


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Kategorien: Montagspost

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Parteiloser Postprivatier.

7 Kommentare

Neeva · 14. Januar 2020 um 8:10

Oh nein! Mein Mitgefühl!

Charlot · 14. Januar 2020 um 8:46

Herrlich! Schlimmer als zu schenken Geschenke zu vergessen ist nur, bereits erhaltene Geschenke (in diesem Fall ein Theaterticket) vergessen Mitzunehmen. Ich sag nur: Gutschein in Frankreich erhalten, über die Feiertage in Deutschland gewesen zwecks Einlösung – Gutschein in Frankreich…. ?

Linda · 14. Januar 2020 um 9:39

Fast erstickt vor Lachen XD Danke ♡

Michael · 14. Januar 2020 um 10:57

Ich bin jetzt seit über einem halben Jahr Facebook-frei und ich vermisse nix.
Also los, folge @fraumierau und mach die FB-Seite dicht 😉
*holt sich ein Brötchen aus der Küche*

Rieke · 14. Januar 2020 um 20:36

Schenke Deinen Lieben doch zum Valentinstag eine Po-Dusche. Ist ein extra Geschenk, nachhaltig, hygienisch, transportabel und Du brauchst kein Klopapier mehr kaufen. ?

Richard & Hugo · 17. Januar 2020 um 16:22

Puh, da bei Geschenken hört der Spaß auf…ich fühle mit Dir!

LG, Richard & Hugo vom vatersohn.blog

Über alkoholfreien Sekt, (k)ein Starleben, Salzburg, Snackautomaten und theoretische Caféhäuser - vier plus eins · 27. Januar 2020 um 23:55

[…] Sekt würde wie Kotze schmecken, beschwert sich laut eines der Kinder. Nachdem wir es letztens vermasselt haben mit dem richtigen Ton bei geschmacklichen Beschwerden, werden sie mittlerweile wieder sprachlich deutlich vorgetragen. Ich nehme das Glas Kindersekt, […]

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