Über Tabaluga, eine verstopfte Wasserrutsche und einen Rucksack voller Steine

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Tabaluga?

Welche Gabel er nehmen solle, fragt der Babysohn leicht aufgeregt. Wir sind für eine Woche in einem kinderfreundlichen aber gehobenen Hotel in Südtirol und die Kinder geben sich große Mühe, beim Abendessen mit verschiedenen Gängen, Servietten und ungewohnten Abläufen zurechtzukommen. Während er über das Besteck sinniert, legt er sich Gurkenscheiben auf die Augen, ruft „guck mal, ich hab keinen Hunger!“, verschwindet unterm Tisch und scheint seinen Frieden mit dem Menü gemacht zu haben. Die großen Kinder beraten währenddessen lautstark, woher sie eigentlich Tabaluga kennen, den sie auf der Herfahrt irgendwo gesehen haben. Sie einigen sich drauf, dass es sich um eine Lebensmittelmarke handele, schließlich hätten wir mal Tabaluga-Ketchup gehabt. Ich stelle mir vor, wie Peter Maffay kurz einen Herzinfarkt bekommt, aber immerhin gibt es kein Tabaluga-Toilettenpapier. Hoffe ich. Plötzlich brüllt es unterm Tisch „EISERN UNION! EIIIIISERN UNION!!!“. Der Babysohn hat letztens irgendwo eine Fußballhymne aufgeschnappt und ich sterbe kurz vor mich hin. Leider lässt er sich auch die folgenden Tage nicht davon abbringen, sie bei jedem Abendessen zum Besten zu geben. Ein wenig bin ich froh, dass nicht nur unsere Kinder sich hier beim Essen gelegentlich über den Boden rollen. Dennoch sitze ich in Gedanken mehrfach kurz allein im Erwachsenenbereich, trinke ein Glas Wein und genieße die Stille.

Die Wasserrutsche

Aber einen Tag später ist wieder alles gut, als wir im Badebereich sind. Alle haben gute Laune und planschen ein wenig herum. Während ich mit einem Kind die engen Wendeltreppen-Stufen der Wasserrutsche erklimmen, sehe ich, wie fraumierau am Rand stehend gestikuliert und uns etwas zuruft. Ich winke und sage, „Guck mal, Mama schaut uns zu!“. Der Sohn merkt an, er glaube eigentlich, sie wolle uns etwas mitteilen. Ja, das könne sie uns ja gleich sagen, wenn wir wieder unten sind, erkläre ich. Wir sind beide ein wenig aufgeregt, denn ich bin seit vielleicht 25 Jahren nicht mehr auf einer Wasserrutsche gewesen und er noch nie. Als er eben noch laut überlegt hatte, ob er mal rutschen wollte, nahm ich seine Hand und gab uns mit einem elterlichen „Wir schaffen das!“ einen Ruck und stiefelte los. Dabei hasse ich Wasserrutschen. Letzte traumatische Rusch-Erinnerungen: Das mittlerweile völlig zurecht in Ruinen liegende „Blub“ in Berlin.

Abfahrtszeit: drei Minuten

… rutscht nicht

Nun sind wir also oben, es ist doch höher als gedacht und wir setzen uns ein wenig unbeholfen auf die Rampe. Ich halte ihn auf meinem Schoß und es geht los. „Huiiiii“ rufe ich noch motivierend, während wir die ersten Meter rutschen. Er klammert sich fest an mich. Und dann passiert: nichts. Wir bleiben einfach stehen. Das Wasser plätschert an uns vorbei. Mist, denke ich, und versuche, uns anzuschieben. Es muss ja irgendwie weitergehen. Nichts passiert. Ich greife an den Rand und schiebe uns wieder ein Stück. Bestimmt geht es gleich weiter! Der Sohn schaut mich fragend an. Ich zucke ratlos mit den Schultern und schiebe wieder ein Stück. Jeden Zentimeter, den wir uns langsam vorwärts mühen, bebt die Rutsche leicht und gibt ein lautes, scharrendes Geräusch von sich. Während ich noch hoffe, niemand bekommt unseren Zwischenfall mit, höre ich leises Gekicher von draußen. Hinter uns töst es plötzlich laut und ein weiteres Kind rauscht von hinten heran. „PAPA, DU BIST STECKENBLIEBEN“, brüllt es lachend, während sich seine Füße in meinen Rücken bohren. Das gibt leider auch keinen Anschub, aber meine Selbstachtung rutscht ohne mich weiter. Zu dritt arbeiten wir uns langsam voran, um Minuten später mit einem kurzen Platsch das Ende meines letzten Wasserrutschversuches im Leben zu beenden. Das amüsierte Raunen im Bad hält noch kurze Zeit an. „Ne, das mache ich nicht nochmal!“, kommentiert der Sohn. „Ich auch nicht“. Wir nicken uns kurz verständnisvoll zu. fraumierau stößt kichernd zu uns und erklärt mir, dass sie mir doch noch sagen wollte, wie man auf der Rutsche nicht steckenbleibe. Ja, danke.

Das Schwämmchen

Leider hatte ein Kind die Aufgabe, ein Tagebuch für die Schule zu führen. Natürlich musste ich darin abends in großen Lettern lesen „Papa ist in der Rutsche steckengeblieben!“ und jetzt weiß wahrscheinlich die ganze Klasse, dass ich da nicht so meinen Lauf hatte. Dabei war das ja nicht mein einziger Moment in der letzten Woche. Als ich mir im Bad das Gesicht reinigte, fragte fraumierau, was ich denn da machen würde. Ich zeigte ihr stolz ein Schwämmchen, das ich in einem Schrank gefunden hatte und erkläre, ich würde mir die Stirn peelen. Wellness und so. Sie fragte, ob mir klar sei, dass das ein Schuhreinigungsschwamm sei und ob ich mir vielleicht nicht auch an dem Automat mit den großen Bürsten im Hotelflur den Rücken schrubben wolle? Es gibt so ganz seltene Momente, da merke ich, dass elf Jahre DDR doch ein paar Wissenslücken hinterlassen haben.

Gesichts- oder Schuhpflege?

Mitbringsel

Wenigstens habe ich mir aus dem Hotel ein Nähset mitgenommen und das Garn nicht mit Zahnseide verwechselt. Der Rest der Familie war dafür der Meinung, auf dem Berg unbedingt Steine sammeln zu müssen. Steine! Ständig hieß es „Guck mal, dieser Stein ist so rund! Der hier glänzt so schön! Oh, ist der schön flach!“. Mein Hinweis, dass Steine zu Hause dann meistens einfach nur steinig aussehen und rumliegen wurden, fanden alle blöd und so wurde ein Beutel voller Steine mitgenommen. Dieser liegt nun wie erwartet ungeöffnet auf dem Wohnzimmertisch – nicht weit entfernt von einem Glas voller Muscheln, einem Stapel Moos, Baumrinden, Stöckern (ja, so schreibt man das hier) und Blättern, die seit zwei Jahren mal getrocknet werden sollten. Mal sehen, was wir vom nächsten Urlaub hier stapeln.

 

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Kategorien: Montagspost

leitmedium

Parteiloser Postprivatier.

10 Kommentare

Neeva · 25. September 2018 um 9:08

Wahahaha! Jetzt habe ich eine Ausrede für meine kosmetische Ahnungslosigkeit! (Als Frau ist es immer noch etwas verschärfter, wenn man bei 80% der Produkte im Supermarkt höchstens vage den Körperteil zuordnen kann.) Es liegt nicht an meinem fehlenden Interesse, es liegt an der Ossi-Sozialisierung!

Markus · 25. September 2018 um 12:55

Wird der Trick, wie man nicht in der Wasserrutsche steckenbleibt, noch nachgereicht? Frage für einen Freund.

    leitmedium · 25. September 2018 um 14:44

    Das bleibt mir leider weiterhin verschlossen. Auf Twitter wurde „Badehose in die Arschritze klemmen. Nackter Hintern rutscht besser“ empfohlen. ?‍♀️

      Claus-Dieter Clörs · 25. September 2018 um 15:02

      Selten so beömmelt, Du Armer! Und wie war es an der Schuhputzmaschine? 🙂

        leitmedium · 25. September 2018 um 15:07

        Oh, hallo! Das mit der Maschine probiere ich das nächste Mal. Klingt eigentlich ziemlich attraktiv, so Rücken-technisch 🙂

Robert · 25. September 2018 um 20:41

Jetzt weiß das mit der Rutsche übrigens nicht nur die ganze Klasse, sondern auch das halbe Internet!
Und auf der Wasserrutsche sitzen geht ja mal garnicht. Da bleibt man logisch stecken. Man muss liegen und am besten die „Dreipunktlage“ einnehmen: Heißt: Hacken, Po und Schulterblätter berühren die Rutsche, sonst nichts.

    Christine · 25. September 2018 um 20:57

    Ich kenne die Dreipunktlage als die zwei Schulterblätter und eine Ferse (Füße überkreuzt ). Dann muss man auch nicht die Badehose in die Ritze klemmen.

Daniela · 25. September 2018 um 21:56

Ich kann nicht mehr! Ich musste so über das Schwämmchen und den Kommentar von fraumierau lachen. Ich hab Tränen gelacht! Vielen Dank!!!!

vierpluseins: Urlaub mit Kindern, humorvoll betrachtet - Geborgen Wachsen · 25. September 2018 um 11:01

[…] Immer montags schreibt Herr Mierau über unser Familienleben mit drei Kindern. In seinem Artikel dieser Woche geht es um den Urlaub aus seiner Sicht: Über Eisern Union unter dem Esstisch, die verstopfte Wasserrutsche und die Steinsammlung in unserer Wohnung. Viel Spaß beim Lesen hier. […]

Über DSGVO in Legoland und verlorene Rabatte - vier plus eins · 22. Juli 2019 um 23:41

[…] Unser sonstiger Aufenthalt im Süden war eigentlich ganz schön. Bis auf diesen einen Moment, wo der kleine Sohn fragte, wo wir hier eigentlich seien, wir erklärten in München, was in Bayern liege und er spontan auf den Straßen Münchens mit lauten „ZIEHT DEN BAYERN DIE LEDERHOSEN AUS“ Parolen begann. Dazu ist anzumerken, dass unklar ist, woher er diese Fußballlieder kennt und sich hier ein Muster abzeichnet, dass wir immer im Urlaub in unpassenden Situationen von Fußballliedern der Kindern malträtiert werden. Das letzte Mal war eisern Union in Südtirol dran. […]

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