Über den Schweigefuchs, „Geschlechterunterricht“, Muttihefte und einen Foto-Automaten

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Schweigefuchs

»Schweinefurz?!« Der Babysohn sieht mich mit großen Augen und kichert in sich rein. »Nein, das heißt Schweigefuchs«, stelle ich nochmal klar. Die Kinder haben irgendwo eine Geste aufgeschnappt, bei der man mit einer zum Fuchs geformten Hand andere Menschen zum Schweigen auffordert. Warum jetzt ausgerechnet ein Fuchs schweigen soll, erschließt sich mir nicht ganz. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich auch noch nie einen Fuchs irgend ein Geräusch machen hören. Jedenfalls finden die Kinder den Schweigefuchs höchst amüsant und er wird als Dauerbespaßung eingesetzt. Gegen alles und jeden. »Räumt Ihr bitte noch den Tisch…« SCHWEIGEFUCHS. »Hast Du schon Hausaufgab…« SCHWEIGEFUCHS. Das färbt dann irgendwann ab und mein Versuch, den Junggesellen-Abschied im Zug per Handzeichen mal für fünf Minuten die Klappe halten zu lassen, stieß nicht gerade auf Nächstenliebe. Vielleicht waren die angetrunkenen Herren aber auch nur irritiert, weil es hätte ja auch Gruß der rechtsextremen Grauen Wölfe oder ein verschwommenes »Mano cornuta« sein können. In jedem Fall gilt: Lieber nicht gestikulieren, dann wird man auch nicht falsch versta… SCHWEIGEFUCHS.

Lesefuchs

Lieber geschwiegen hätte wohl auch der eine Vater in Stuttgart. Ich saß mit den Kindern im Foyer, während fraumierau gerade im Saal eine Lesung hielt und begleitete so lange die Kinder bei der freudigen Schockstarre, wie toll eigentlich kleine Metallautos zum Spielen seien. Die kennen sie ja nicht so richtig, weil bei uns gibt es ja nur Holzspielzeug und Computer. Da bleiben Matchbox als zu viel bzw. zu wenig Technik dann eben auf der Strecke. Jedenfalls wurden lange Konvois gebildet und Wettrennen veranstaltet, während mir eine Mutter erzählte, wie wichtig für sie das Blog von fraumierau sei und es hätte sie jetzt so lange behutsam im Leben begleitet und es sei so schön, hier zu sein und das alles Mal zu erleben. Da kommt ihr Mann aus dem Lesesaal und meint, er hätte es drin einfach nicht mehr ausgehalten. Ich unterdrücke mein Schmunzeln, während ich hüstelnd mit „das ist übrigens der Mann von fraumierau“ vorgestellt werde und es sehr ausführliche Erklärungen gibt, warum es jetzt nicht mehr aushaltbar gewesen sei.

Elternabend

Letzte Woche hatte ich allerdings auch kurz den Impuls, eine Veranstaltung zu verlassen: den Elternabend in der Schule. Immer noch frage ich mich, ob es neben der Schulpflicht für Kinder eigentlich eine Elternabend-Pflicht für Schulkind-Eltern gibt? Weil wenn nicht, kann man ja auch gleich nur die Protokolle lesen und die Zeit lieber sinnvoller damit verbringen, zu Hause die Wand anzustarren oder so. Jedenfalls muss ich immer zu diesen Abenden, weil fraumierau da so leicht Puls bekommt. Ich meinte, ich sei vielleicht auch nicht geeignet, weil ich ja mal fast gebrüllt hätte auf dem einen Elternabend. Da erklärte sie mir, dass die anderen Eltern noch heute drüber reden, wie Herr Mierau doch auf dem Elternabend gebrüllt hätte letztes Jahr. Ich bin also offiziell der eine brüllende Elter. Nun sitze ich wieder mal abends auf einem zu kleinen Stuhl im Klassenraum und bedaure, dass nicht mal die Tische vollgekritzelt sind. Was ist nur aus der Jugend geworden?

»Geschlechterunterricht«

So schreibe ich also still mit, was so gesagt wird und enthalte mich sonstiger Kommentare, damit ich nicht wieder als Brüllbär durchgehe. Jedes mal, wenn wir aufgefordert werden, etwas ins „Muttiheft“ einzutragen, stirbt ein kleiner Ossie in mir. Aber vielleicht muss man dieses Phänomen auch einfach nur noch historisch aussitzen. Die Ironie, dass hier zur Hälfte Väter sitzen und über Muttihefte reden, fällt offenbar niemandem auf. Das ist dann wohl das generische Femininum, Schul-Edition. Irgendwann verändert sich die Stimmung von langweilig zu verklemmt und es beginnt ein allgemeines Stammeln. Man müsse jetzt noch über … äh … »Geschlechterunterricht« reden. Ich wusste erst gar nicht, was gemeint ist. Sagt man jetzt nicht mehr Sexualkunde, damit man das drei-Buchstaben-Wort (hihihi!) nicht sagen muss? Das Thema scheint so jedenfalls so furchtbar zu sein, dass man auf die glorreiche Idee gekommen ist, Mädchen und Jungen gleich von Anfang an getrennt zu unterrichten. Die Mädchen von einer Frau und die Jungen von einen Mann. Klar. Hätte meine Augen nicht schon Muskelkater vom Muttiheft-Rollen, würden sie es spätestens jetzt bekommen. Und dann wird noch vorgeschlagen, einen Aufklärungsfilm zu gucken. Der sei zwar schon etwas älter, aber ers gäbe ihn immerhin schon noch auf DVD und er würde wirklich gut alles erklären. Da fällt mir ein, dass ich da doch mal was von gehört habe, google heimlich unterm Schultisch (Verbotenes fühlt sich so gut an!) und finde Patricias Zusammenfassung des didaktischen Verkehrsunfalls. Ich glaube, fraumierau wittert jetzt ihre Chance, in die Schule einzufallen, eine Geburtskanalrutsche zu bauen und eine geborgene Aufklärungsstunde zu geben. Manchmal erinnert sie mich ja an die Mutter aus „Türkisch für Anfänger“.

Der Foto-Automat

Meine Lieblingssituation der letzten Wochen war der Versuch der Kinder, endlich mal einen Foto-Automaten zu benutzen. Nachdem sie ja nun schon erfolgreich Kuscheltiere aus einem Abzock-Automaten gezogen haben, habe ich mir die „Ich kann auch tolle Handy-Fotos machen und wir drucken sie aus“-Ansprache einfach erspart und statt dessen das Ergebnis einfach mal unkommentiert gelassen. Ich glaube, es gab ganz leichte Unzufriedenheit:

Hast Du den müden, abgerissenen Vater auf der Straße rumschlurfen sehen? Das war ich! Doch Du kannst mich mit einem Kaffee vor retten. Vielleicht bin ich dann nächste Woche wieder wach genug für einen Post? Lassen wir uns überraschen!

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Kategorien: Montagspost

leitmedium

Parteiloser Postprivatier.

15 Kommentare

Andrea · 15. Mai 2018 um 8:11

Für die Bayern: Was bitte ist denn ein Muttiheft? Den Schweigefuchs kennt man hier übrigens auch 😉 Vielen Dank für die immer höchst amüsanten Beiträge!

    leitmedium · 15. Mai 2018 um 8:13

    Ein Muttiheft ist ein kleines Mitteilungsheft, in das Mitteilungen von/an Eltern geschrieben werden. Warum es nicht einfach Mitteilungsheft heißt, ist mir unklar 🙂 Man findet übrigens auch auf Amazon Muttihefte zum Bestellen.

      Anne · 16. Mai 2018 um 16:25

      Ich kenne den Begriff Muttiheft auch nicht, hier in Hamburg sagt man tatsächlich Mitteilungsheft oder Logbuch.

Julia · 15. Mai 2018 um 9:53

Aber den Sinn der „Muttihefte“ hab ich noch nicht so ganz verstanden.

Schallendes Gelächter bei „Manchmal erinnert sie mich ja an die Mutter aus „Türkisch für Anfänger“.

    Julia · 15. Mai 2018 um 9:55

    Bei Amazon auch Mutti & Vatihefte gefunden.

Claudia · 15. Mai 2018 um 10:17

Wieder ein Artikel den ich vielleicht nicht im Büro hätte lesen sollen^^
Zum Schweigefuchs: wir nutzen den, ohne Scherz, bei einer recht internationalen EntwicklerUnconference und ehrlich gesagt, es funktioniert ganz prima 😀
Liebe Grüße nach Berlin
Claudia

hugo · 15. Mai 2018 um 10:32

bei uns ist das aber der Leisefuchs.

    hugo · 15. Mai 2018 um 10:32

    bzw. Leisefutz

Suzie · 15. Mai 2018 um 11:12

Google mal das Schweigeeinhorn. 😉 Braucht man viel öfters…

    Martina · 15. Mai 2018 um 20:48

    Von dem habe ich nur gehört. Gesehen habe ich keines. Sehr magisch. ?

Ani · 15. Mai 2018 um 19:28

Verdammt. Tochter wach gekichert bei „Geburtskanalrutsche“…???
Falls sie es macht möchte ich Frau Mirau bitte schon mal reservieren für den „wie auch immer er dann heißt, aber so geht das mit den Babies“ Unterricht. ?
Ich erinnere die Schweigefuchs Geste übrigens aus Friends. Der liebe Ross hat die echt perfektioniert. ??

Esther · 15. Mai 2018 um 21:04

Bei uns antwortet man dem beknackten Schweigefuchs mit dem Schweigeeinhorn – natürlich nicht, wenn Kinder in der Nähe sind…

    Martine · 15. Mai 2018 um 22:01

    haha bei uns sagt man einfach du doofe kuh und ruhe ist es 😉

mARi · 20. Mai 2018 um 18:03

Zum Thema „Schweigefuchs“ auch unbedingt den „Flüsterfuchs“ anschauen: https://m.youtube.com/watch?v=H2eSHlH8g3o#
😀

Über Schlüsselkinder, Aquarell-Spermien und Skyr - vier plus eins · 5. Juni 2018 um 0:18

[…] Wort Unterricht ist ja gerade etwas belastet hier. Nachdem man in der Schule vor kurzem leicht verklemmt bekannt gegeben hatte, dass es Geschlechterunttericht geben würde und die Kinder einen grenzdebilen 33 Jahre alten Aufklärungsfilm dazu ansehen sollten, hatte sich […]

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