Über Tangabär, Zweite Vornamen und Prosecco auf Kindergeburtstagen

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Tangabär

„Tangabär! Tangabär! TAN-GA-BÄR!“. Neben mir landet eine kleine wütende Faust auf dem Tisch. Ich war kurz in Gedanken. Dieser Moment, wenn Du das Frühstück vorbereitet hast, endlich alle sitzen und Du denkst einfach kurz mal an nichts. »Tangabär!«. Seit der Babysohn neben mir sitzt und redet wie ein Wasserfall, ist Schluss mit achtsam-erholsamen Frühstück. Bloß nicht nicht aufpassen. Ich reiche ihm ein Stück Camembert und er gluckst zufrieden. Ach, ist schon schön mit so einem kleinen Kind neben sich, kitsche ich mich ein und gucke verliebt dem Kind zu. »Nass!« Mit sturem Froscherblick steckt er das Stück Käse in sein Wasserglas. Wie fast jeden Tag. Ich habe jetzt seit fast neun Jahren Kinder, aber Essen in Wassergläsern macht mich immer noch psychisch fertig. Ich versuche, nicht hinzusehen, wie sich das Wasser langsam milchig färbt und der Rand des Camemberts ausflockt. »Tangabär nass!«. Ja, da hat er Recht. Ich nicke kurz gequält lächelnd und biete ihm ein Stück Brot an. »Aber nicht ins Glas tun, ja?«. Er nickt zurück und steckt das Brot ins Glas. Ich bekomme einen belustigten „Du weißt doch, dass Kinder Negation nicht verstehen“-Blick von der anderen Seite des Tisches. Manchmal träume ich davon, einfach niemandem zu sagen, dass das Frühstück fertig ist und heimlich zehn Minuten ohne … Moment, jetzt wird er doch nicht… Oh, mein Gott. Er trinkt aus dem Glas. Ich falle innerlich in Ohnmacht.

Tangabär, nass. Stillleben. Käse auf Wasser, Berlin, 2018.

Sarkasmus

»Das wird aber eine tolle Suppe!«, kichert ein anderes Kind. Solche Scherze funktionieren bei kleinen Kindern ja auch fast nie. Erinnert mich daran, wie mir letztens eine Kollegin erzählte, dass sie ins Kinderzimmer kam und sah, dass das Gastkind mit dem mitgebrachten Taschenmesser das Hochbett angeschnitzt hatte. Das ganze Zimmer war voller Späne. Was das denn sei und warum er dem Gastkind nicht gesagt hätte, dass er das nicht machen solle, fragt sie leicht aufgebracht ihren Sohn. Hat er doch! »Das ist ja eine ganz tolle Idee, hier mein Zimmer anzuschnitzen«, habe er gesagt. Er solle ruhig so weitermachen! Aber jetzt wisse er auch, dass er wohl einfach keinen Sarkasmus verstehe.

Zweite Vornamen

Eine bessere Strategie als Rumzuscherzen ist ja die Nennung des zweiten Vornamens. Zweite Vornamen sind eigentlich nur dazu da, in unangenehmen Situationen Aufmerksamkeit zu erzeugen. Lisa-Maria! Es sagt wahrscheinlich viel aus, dass fraumierau keinen zweiten Vornamen hat. Das ist taktisch durchaus klug gewählt. Mehr als „Susanne!“ kann ich im Zweifelsfall nicht bringen. Die schaut mich jetzt aber betroffen an und fragt, ob ich das Buch nicht gelesen hätte, was sie mir auf den Tisch gelegt hat. Das über anstrengende Kinder und wie man das alles richtig macht, damit sie toll werden. Unsere Kinder seien auch anstrengend toll, sage ich. Ja ja, ich wisse schon, was sie meine. Ja, ok. Ich frage den Babysohn, was denn jetzt sein Bedürfnis dahinter sei, den Camembert im Wasser zu versenken. Ob wir da nicht mal ein klärendes Gespräch drüber führen könnten? Er ignoriert mich. Egal, das Frühstück ist eh verloren.

Gebratene Kinder

Was denn aus der Geburtstagseinladung für den anderen Sohn geworden sei, frage ich fraumierau, nachdem die Kinder den Frühstückstisch lautstark verlassen haben. Er wolle nicht hin, antwortet sie. Ach, warum denn nicht? Der Junge sage immer, er wolle den Babysohn braten. Das fände er nicht gut. Wie jetzt, braten, frage ich. Na braten eben. Der Geburtstagsjunge sage, er wolle unseren Babysohn braten. Das sei ja schon ein bisschen bescheuert, gebe ich zu. Aber wir könnten dann ja auch einfach mal ehrlich auf eine Einladung antworten und schreiben „Unser Sohn kommt leider nicht, weil er nicht möchte, dass sein Bruder gebraten wird“. Boah, bloß nicht, wirft fraumierau ein. Sonst hätten wir die Eltern am Hals. Das seien doch die, die sich beim Elternabend in der Kita bei den ErzieherInnen beschwert haben, dass sie morgens beim Kind abgeben nicht ausreichend gewürdigt werden. Also sie – nicht, das Kind. An die Geschichte konnte ich mich nicht erinnern, bin aber sogleich in liebevollen Gedanken bei all den schrulligen Sachen, die man in Kitas so erlebt.

Prosecco auf Kindergeburtstagen

Ok, ein Kindergeburtstag weniger. Auch nicht schlecht. Ich habe ja panische Angst davor, Kinder bei Kindergeburtstagen abzugeben und abzuholen. Man eilt da so hin, schiebt das Kind durch die Tür und denkt sich „vier Stunden am Wochenende frei!“ Und dann kommt der gefürchtete Satz „Willst Du nicht noch reinkommen?“. Nein, will ich natürlich nicht. Ich erzähle dann immer etwas von Kundentermin, ja am Wochenende, ich sei verabredet, Serverabsturz, Proxydings, Alarm, Weltkrieg. Aber ich könne ja auch früher kommen, das sei kein Problem! fraumierau redet mir dann immer zu, ich solle das machen, weil wegen Sozialkontakt und das sei ja auch wichtig für die Kinder. Stunden später schleppe ich mich dann auf die Sekunde genau dreißig Minuten vor offiziellem Abholtermin zur Feier, werde reingebeten und meistens in einen Raum voller Mütter gesetzt. Offenbar ist es mit Penis schwieriger, Kinder zu Geburtstagen zu bringen.

Was ich denn in der Zwischenzeit gemacht hätte? Ja, ach, der Termin sei dann doch ausgefallen, rede ich mich raus, ich hätte kurz Freizeit gehabt und gar nicht gewusst, wohin damit. Ach, sagt die eine, sie wäre einfach mal entspannt im KaDeWe shoppen gegangen! Ja, hüstle ich, genau, warum ich da nicht drauf gekommen sei? Oder ins Europacenter vielleicht gleich auch noch, frage ich. Ja, gute Idee. Ok, hier ist auch kein guter Ort für Scherze. Man bietet mir einen Prosecco an. Ich hasse Prosecco. Also nippe ich kurze Zeit später an einem Orangensaft. Schlechter Orangensaft ist die Strafe für alle Prosecco-Verweigerer. Ja, sie wüsste auch, was sie getan hätte, sagt kurzer eine Andere. Sie hätte sich in ein Café gesetzt und einen Aperol Spritz getrunken. Das sei doch fesch! Fesch. Ich starre auf meine Uhr, nur irgendwie wollen die Minuten nicht voranschreiten. Irgendwann kommt das Kind aus dem Spielzimmer und ich erkläre, dass wir jetzt – es täte mir wirklich äußerst leid – losmüssten. Dringend. Ach, das sei schade, wo es doch gerade so lustig werde. Ja, lustig, haha. Tschüssi und danke. Das nächste Mal kann fraumierau das machen oder nur noch Kindergeburtstage mit Vorab-Garantie, dass man nicht reinkommen muss.

Und immer dran denken: ¯\_(ツ)_/¯

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In Folge 2 vom Mit Kindern Leben (MKL)-Podcast sprechen Patricia und ich übrigens über Kindergeburtstage. Die Folge wird am 1. April erscheinen. Wer noch schnell abonniert, bekommt am 15.3. schon Folge 1 über das Lesen frei Haus. Juchhu!

Und, ich will ja nicht nerven, aber dass ich am 29.4. im Merlin in Stuttgart lese und Ihr die einmalige Chance hat, mir bei dieser bestimmt ein bisschen peinlichen Instadad-Nummer zuzusehen, habe ich erwähnt, ja? Mache ich hiermit einfach nochmal. Übrigens kann man da ab 11:30 PartnerInnen mit Kind(ern) im Foyer parken und Die Maus gucken lassen. Würde ich ja auch, wenn ich dürfte. Und fraumierau gibt es am Tag vorher

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Kategorien: Montagspost

leitmedium

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13 Kommentare

Veronika · 5. März 2018 um 23:35

„Tangabär! Nass!“ ? ich lach mich schlapp ? Hier wird auch ständig Essen versenkt, allerdings (noch) stillschweigend. Bin gespannt was für Kommentare dazu bei uns noch kommen werden ?

Ina · 6. März 2018 um 10:23

Tangabär ist gut! hier wird auch alles Essen versenkt , aber dann weniger getrunken sondern eher auf dem Teller oder irgendwo anders hin geschüttet! Sind altersmäßig glaube recht ähnlich die 2.

Lg aus Norwegen
Ina

http://www.mitkindimrucksack.de

Tatjana · 6. März 2018 um 11:47

Mal wieder klasse!

hahah wie lustig!!
aber mir kommt vor manchmal wiederholen sich auch ein paar Sachen 😉

    leitmedium · 6. März 2018 um 11:57

    Da hier tagebuchartig geschrieben wird, wiederholen sich ganz bestimmt Themen. So wie im Leben eben 🙂

jana · 6. März 2018 um 11:48

Du schreibst so schön unterhaltsam, grossartiger/s Blog!! Tangabär? Was ist das denn für ne Sendung – habe ich mich gefragt (wahrscheinlich kam der Lilalaunebär da aus einer hinteren Erinnerungsecke hervor) aber die Auflösung war viel besser :)…
Hier haben wir mit dem 20monatigen exakt die gleichen Situationen mit „Suma“ (Rosinen) „Gi“ (Mandarinen) und „Hafafa“ (Haferflocken).

P.S. nur zu gern werden diese Stilleben mit Wasser auch den Eltern angeboten? Bei Euch auch?

    leitmedium · 6. März 2018 um 11:56

    Selbstverständlich. Ich lehne dann immer zutiefst dankend ab.

Alex · 6. März 2018 um 13:26

Ich hab bisher auch immer den (schnellen) Sekt oder Prosecco abgelehnt. Die überzuckerten, müden und aufgekratzten Kinder nach einem Geburtstag noch stilvoll ins Bett zu bringen, gelingt mir nur im nüchternen Zustand.

Gisela · 7. März 2018 um 9:09

haben sie denn keine bedenken, herr mireau, dass die fesche aperol-mutti oder die geburtstagseltern mit dem kannibalen-sohn ihren/ihr blog lesen und sich nicht gewürdigt fühlen?

    Sabrina · 7. März 2018 um 18:47

    Hihi, das habe ich mich auch gefragt. ?

Anna · 10. März 2018 um 10:14

Ich lese deine Beiträge immer mit der Stimme von Patrick Salmen in meinem Kopf. Ich glaube, ihr habt die selbe Wellenlänge…

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