Über Toiletten-Videoanrufe, Zigaretten-holende Kinder und einen nicht-Hammer-Edding

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

¯\_(ツ)_/¯*

Wann immer es in der Familie eine knappe Ressource zu verteilen gibt, gilt das ungeschriebene Gesetz: Ich bekomme zuletzt etwas. Oder eben gar nicht. Komme ich zum Essen und es gab zu wenig Gabeln: Ich habe keine. Gehe ich abends ins Bett und es gibt zu wenig Decken: Ich habe keine. Es gibt dann so ein familiäres Schweigen, das signalisiert: Wir wissen alle, dass wir Dich vergessen haben. Das ist Deine Rolle. Tut uns fast leid. Damit kann man sich eigentlich gut arrangieren. Ein Löffel tut es ja auch und irgendwas zum Zudecken findet sich schon in der Wohnung. Nur manchmal wird eine rote Linie überschritten. Zum Beispiel, wenn man zu Hause anruft und fragt, ob man noch etwas mitbringen solle. Neinnein, sie hätten schon eingekauft. Ich solle nur schnell kommen.

Am nächsten Morgen dann bereitet man das Frühstück zu und fragt, wo denn die Milch sei. Sie hätten doch eingekauft. Ja, also mit der Milch sei das so. Sie waren einkaufen, das sei schon richtig, und dann haben sie auch an die Milch gedacht, aber dann fiel ihnen auf, dass die ja schwer sei und eigentlich würde nur ich die brauchen. Und dann haben sie überlegt, wer die denn tragen könne und da fand sich jetzt niemand. Sie würden mich wirklich lieben, aber ich müsse das schon verstehen. Und immerhin wurde mir ja letztens ein zweites Regalfach im Kleiderschrank zur Verfügung gestellt. Das solle ich doch bitte bedenken, wenn ich weitere Forderungen stelle. Das stimmt. Nur habe ich das Fach nun schon Monate und einmal in der Woche wird damit irgendetwas gerechtfertigt. Ich habe bereits überlegt, ob ich das Fach einfach wieder räume, um hier auf ewig mit einer Erbschuld belastet sein.

Vergebliche Anrufe

Das Besondere an der Geschichte eben ist, dass ich fraumierau telefonisch erreicht habe. Kommunikation in Echtzeit ist nicht unsere Stärke. Also zumindest bei einem Teil von uns. In der Regel läuft es so, dass ich anrufe – niemand geht ran. Ich schicke eine Nachricht und bitte um Rückruf – es bleibt still. Ich beschreibe das Problem in einer langen Nachricht und bittet um kurze ja/nein Antwort – keine Reaktion. Ich schicke ein lustiges Tiervideo. Promptes „hihi“. Die vorhergehenden Nachrichten werden ignoriert. Auf die spätere Frage, warum es denn keine Antwort auf die vorhergehenden Kommunikationsversuche gab, erklärt sie mir, dass ich sie doch nicht mit so vielen Nachrichten überhäufen solle. Da würde ja niemand durchblicken. Aber das Affenvideo war sehr niedlich!

Toiletten-Anrufe

Garantiert kommen Kommunikationsversuche, wenn ich in einem Büro auf der Toilette bin. Also nicht, dass ich ständig auf einer Bürotoilette bin, aber wenn, dann kommt wahrscheinlich ein Videoanruf der Kinder. Aus der „Das kann ich jetzt nicht annehmen“-Phase bin ich mittlerweile raus, denn allein die Vorstellung trauriger Kindergesichter verbietet es, den Anruf abzulehnen. Also drücke ich den grünen Hörer und erkläre flüsternd, dass es jetzt gerade nicht so passe. Sie verstehen natürlich nichts, also muss ich nochmal ins Mikro brüllen und sie dran erinnern, dass wir doch vereinbart hatten, dass sie erst eine Nachricht schicken und wir dann telefonieren. Ja, aber es sei ganz wichtig! Sie wollten wissen, wo sie Papier finden. Das aus dem Drucker hätten sie schon probiert, aber der sei jetzt irgendwie verklemmt. Aus dem Hintergrund ruft fraumierau, warum sich ihr Laptop ständig abschalte. Ob das vielleicht an der Guacamole liegen könne, die sie letztens auf die Tastatur geschüttet hätte. Also geschüttet sei jetzt das falsche Wort, es waren eher so Tropfen. Ja, es habe Guacamole getröpfelt. Ich bin beeindruckt, wie sie es sprachlich so umformuliert, dass sie nicht dran schuld ist. Wenn das Telefonat jetzt noch länger geht, findet sie wahrscheinlich einen Grund, dass eigentlich ich ihren Laptop kaputt gemacht habe, also tue ich lieber so, als würde die Verbindung abbrechen und lege achtsam auf. Leider nicht geklappt hat mein späterer Versuch, die Kommunikationsblockaden von fraumierau durch einen Anruf von der Toilette aus zu umgehen. Ich dachte mir, wenn ich immer auf der Toilette angerufen werde – vielleicht kann ich ja dann von dort aus auch alle Menschen erreichen? Natürlich blieb mein Anruf unbeantwortet. Immerhin gab es die Entschuldigung, sie sei gerade im Bad gewesen. Vielleicht gehen Toilette-zu-Bad-Anrufe nicht? Ich werde das Thema weiter untersuchen.

Supermarkt-Anrufe

Komplett aufgegeben habe ich die Versuche, sie aus dem Supermarkt zu erreichen. Während die Kinder um einen Herumspringen und diskutieren, ob Babybell, obwohl es schon eklig schmecke, nicht doch zu einem ausgewogenen Abendessen dazugehöre, tippt man einhändig mit dem Daumen Nachrichten und hält den kleinen Sohn so im Wagen, dass er weder Gläser runterreißen, noch rausklettern kann. Trotz absurder Autokorrekturen bekommt man irgendwie einen sinnvollen Satz hin, schickt ihn ab und erhält als Antwort nur, dass die Nachricht nicht zugestellt werden konnte. Manchmal frage ich mich, ob Supermärkte absichtlich so konzipiert sind, dass man auf sich allein gestellt ist. Vielleicht erhofft man sich dadurch mehr Umsatz, weil man panisch lieber zu viel als zu wenig kauft.

Ich im Supermarkt. Jedes Mal.

Deligieren

Vielleicht sollte man das Ganze auch einfach strategisch angehen, sich einen Plan machen und die Kinder zum Einkaufen schicken. Delegieren und es als Abenteuer verpacken! Wobei das letztens erst schief ging, als ich den Kindern zwei Euro in die Hand drückte und sie bat, mir eine Flasche Mate aus dem Späti ein paar Meter weiter zu holen. Die Kinder kamen unter Tränen zurück, weil der Verkäufer sich weigerte, dem Rudel Kinder ein Koffeingetränk zu verkaufen. Das fand ich eigentlich gut, nur die Kinder sind jetzt Späti-phob. Dabei fiel mir ein, wie ich früher als Kind losgeschickt wurde, um Zigaretten zu holen. Vor der Wende: Cabinet, nach der Wende: Gauloises Blau mit Filter. Ach und eine Flasche Rotwein doch gleich auch noch, ja? Das war in den 80ern schon eher normal, oder? Habe eine Stichprobe bei fraumierau gemacht. Ihre Antwort: Mit acht Jahren Stange Pall Mall ohne Filter holen. Na, so lange unsere Kinder später nur traumatisiert davon berichten, dass sie ein koffeinhaltiges Getränk holen sollten und ihnen das auch noch verweigert wurde, ist ja vielleicht nicht alles schlecht.

Hammer-Edding

Über meine handwerklichen Fertigkeiten habe ich hier ja bereits mehrfach berichtet. Besonders ist mein Talent, Werkzeug in gutem Glauben zu zweckentfremden und dabei irgendwas kaputt zu machen. Letzte Woche zum Beispiel das gute Fahrrad-Inbus-Schlüsselset, als ich versuchte, die Taschenlampe aufzumachen. An dieser befindet sich natürlich keine Inbus-Schraube. Ich brauchte nur einen Hebel, weil offenbar die Batterie ausgelaufen war und sich der Deckel nicht mehr abschrauben ließ. Die Schlüssel sind jetzt verbogen, die Taschenlampe noch immer zu und der Sohn sauer, weil ich mein Reperatur-Versprechen nicht gehalten habe. Aber endlich habe ich nun den Fotobeweis, dass ich hier nicht der Einzige mit Talent bin. Ich erhielt von Mitbewohnerin, die hier nicht namentlich genannt werden möchte, eine empörte Nachricht, warum es eigentlich nicht möglich sei, mit einem Edding einen Dübel in die Wand zu schlagen? Jetzt seien das schöne neue Kleid und das Kuschelschwein ganz weiß. Ich bin mir immernoch unsicher, ob wir geheiratet haben, weil uns so sehr unterscheiden oder eben doch ähneln. Edding als Hammer klingt ja eigentlich ganz praktisch…

* Den Shruggie ¯\_(ツ)_/¯ habe ich übrigens gerade erst in Dirk von Gehlens hervorragender Emoji-Philosophie „Das Pragmatismus-Prinzip. Zehn Gründe für einen gelassenen Umgang mit Neuen Medien“ wiederentdeckt. Vielleicht das perfekte Eltern-Tattoo.

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Kategorien: Montagspost

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9 Kommentare

Gisela · 20. Februar 2018 um 3:31

ich habe mit einem abgebrochenen bleistift, einem kleinen schraubenzieher (aber wirklich nur einem), einem hammer und ’ner verkrusteten streichwalze sowie einem mini-schleifgerät zwei berliner wohnungen renoviert.

davon war die eine 90qm groß und die dielen der anderen mit einer 0,5cm estrichbeton-schicht verklebt.

dübel habe ich zwar nicht mit einem edding eingeschlagen, dafür aber mit den zähnen gezogen.

respekt, wer’s (wie dilettantisch auch immer) selber macht!

Bianca · 20. Februar 2018 um 5:44

Lieber Herr mireau,

auch wenn ich mir bewusst zu machen versuche, dass Sie nicht halb so perfekt sein können wie Sie im Blog vorzugeben schreiben: wie bekomme ich meinen Mann dazu ein winzigesbisschen wie sie zu sein?? Ein müh quasi, wie wir sachsen sagen würden?

Vg

Doro · 20. Februar 2018 um 12:05

Ich musste damals Auslese holen..immerhin mit Filter ?

Tany · 20. Februar 2018 um 12:36

Ich will das Tattoo grins. Herrlich mal wieder

innilisi · 22. Februar 2018 um 21:12

Hallo Herr Mierau, auch wenn das jetzt etwas unverschämt ist weiß ich mir gerade nicht anders zu helfen. Seit zwei Wochen schmeißt mich der Explorer am Laptop wie am Smartphone nach ein paar Sekunden raus wenn ich auf die Homepage ihrer Frau gehe. Ich würde ihr das ja gerne selbst schriftlich mitteilen aber nicht mal mehr das schaffe ich auf der Geborgen -Wachsen -Seite. Evtl ist das ja ein weiter verbreitetes Problem? Und keine Selbstzweifel -ich lese sofort jeden neuen Beitrag auf beiden Blogs;-) Übrigens danke euch beiden bei dieser Gelegenheit dafür. Liebe Grüße,Elisabeth

    leitmedium · 23. Februar 2018 um 16:12

    Hallo Elisabeth,

    schreib mir doch mal eine E-Mail an die Kontaktadresse. Dann gucken wir mal, was da los ist.

    Grüße!

      Tatjana · 26. Februar 2018 um 10:33

      hallo innilisi,

      genau das gleiche Problem habe ich auch wenn ich die Seite von Fr. Mierau anschauen will seit ca. 2 Wochen ist das so sofort stürzt mein PC ab wenn ich auf geborgen-wachsen.de gehe.
      Hoffe Herr Mierau kann dir helfen gib bescheid was es bei dir war!

      lg Tatjana

Jitka · 29. April 2018 um 22:52

Bin gerade hier herein gestolpert und habe fast den neben mir schlummernden Sohn geweckt, weil ich mir das Lachen an der einen oder anderen Textstelle nicht verkneifen konnte.
Danke dafür.
Jitka

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