Über Esel, Matsch und mein Snoop Dogg Moment in Bochum

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

(Kein) Bergwerk

Es täte mir leid, aber das wird wohl nichts werden mit einem Bergwerksbesuch. Wir sitzen am Frühstückstisch und sprechen über den anstehenden Konferenzbesuch von fraumierau in Bochum. Mein Wissen über Bochum besteht aus genau einem Grönemeyer-Lied und so war klar, dass man da nur Bergwerke besuchen kann. Was anderes gibt es dort nicht. Leider ist das mit den Öffnungszeiten und Besichtungsterminen für Kinder aber nicht so prall.

Kinder verstehen ja wissenschaftlich belegt das Wort „nicht“ nicht so richtig und so bleibt statt „Ich wollte einen Bergwerksbesuch planen, aber es hat nicht geklappt“ nur „WIR FAHREN VIELLEICHT IN EIN BERGWERK!111“ hängen. Ein paar Stunden später klingelt mein Telefon – ich bin gerade im Büro. Der Sohn ist dran und erkundigt sich, ob er denn jetzt seinen Hammer mitnehmen solle oder nicht. Wieso denn einen Hammer, frage ich. Na, eine Taschenlampe hätte er schon, zwar keine Kopflampe, aber eine normale täte es ja auch. Und einen Hammer brauche man ja wohl in einem Bergwerk. Ob er mir das denn jetzt auch noch erklären müsse. Ich versuche, noch einmal darzulegen, dass ich eigentlich mitgeteilt hatte, dass wir eben nicht in ein Bergwerk fahren, kann aber nur erfolgreich kommunizieren, dass wir wahrscheinlich keinen Hammer bräuchten. Im Notfall hätten sie bestimmt welche vor Ort.

Matsch

Dabei hätte ich mir das Bergwerk wirklich gewünscht. Da wäre es sicher auch nicht so feucht gewesen wie in unserer Unterbringung. Gegen Mitternacht sind wir mit dem Auto angekommen. Der Besitzer hatte am Telefon nicht übertrieben, dass es dort nachts wirklich dunkel sei. Ich fuhr eher nach Gehör und vernahm beim Einparken nur so ein matschenden Geräusch, dass ich dachte „Nana, nicht dass wir hier nicht wegkommen – ich parke mal lieber da unten auf der Wiese, da ist es bestimmt besser“. Die Kinder fanden alles doof, weil es war kalt und dunkel und matschig und ob da nicht ein Mann im Dunkeln auf der Wiese stehen würde? fraumierau bekam kurz einen Grusel-Herzinfarkt und ich fand, zu Hause ist es ja auch ganz schön.

Aber unsere Unterbringung war eigentlich wunderschön. Das sahen wir spätestens am nächsten Morgen, nachdem die Kinder uns vor Aufregung nach fünf Stunden geweckt hatten und wir schon bald zum Auto mussten, da fraumierau ihren Vortragstermin hatte. Das Auto wurde beladen, fraumierau hatte sich noch etwas aufgebretzelt, die Kinder schlichen mit angehaltener Luft an den großen Hunden vorbei und streichelten kurz die Esel, bevor wir einstiegen. Leider rührte sich das Auto beim Losfahren keinen Millimeter vom Fleck. Irgendwelche Warnlampen informierten mich, dass sich das Auto bei durchdrehenden Reifen jetzt auch nicht so wohlfühlen würde und ob ich nicht eine andere Idee hätte.

Snoop Dogg

Eine Nachbarin kommt vorbei, schüttelt mitleidig den Kopf und meint, das passiere öfter und da müsse jetzt der Traktor kommen. Sie würde mal jemand holen. fraumierau wird langsam hektisch, weil ihr Vortrag doch bald beginnen würde. Sie könne ja einfach mal schieben, schlägt sie vor. Aber nicht in ihrem Kleid. Das sei ja ihr Vortragskleid. Also zieht sie ihr Kleid aus, steht in BH und Strumpfhose bei 3°C da und beginnt zu schieben. Während ich vorsichtig Gas gebe und im Rückspiegel eine leicht bekleidete Frau sehe, denke ich, dass das jetzt mein Snoop Dogg Moment im Leben ist. Ich hatte ihn mir anders vorgestellt. Vielleicht ohne drei maulige Kinder und eine frierende hektische Ehefrau im Vortragsstress. Aber man nimmt, was man kriegt. Die Esel sehen dem Treiben desinteressiert kauend zu und machten sich so ihre Gedanken, während die Kinder betonten, dass ihnen jetzt schon wirklich sehr kalt sei. Und Frühstück hatte es auch noch keins gegeben. Immerhin findet sich noch eine Tüte mit unbekannt alten Börekstangen im Auto. Die Nachbarin kommt zurück, sieht die halbnackte fraumierau und meint so von Frau zu Frau, dass sie das jetzt auch sympathisch fände, sich einfach so auszuziehen. Ja, tanzt doch einfach vor Freude noch euren Namen, denke ich und manövriere das Auto weiter ins Unglück.

Der Esel denkt sich seinen Teil

Der Bauer kommt mit seinem Traktor. Ein schöner alter roter Traktor. Die Kinder werden etwas milde gestimmt. Der Bauer nimmt die absurde Situation mit ländlicher Gelassenheit zur Kenntnis und fragt, wo denn vorn mein Abschlepphaken sei. Ja, das wisse ich auch nicht, sage ich. Denn da ist keiner. Aber da müsse doch einer sein. Es schwingt ein leichter Vorwurf mit, dass man doch schon sein Auto kennen solle. Auch als Stadtmensch, nicht wahr. Ich krabble mit schlechtem Gewissen im Schlamm herum, betaste das Auto von allen Seiten, zerre und zupfte, aber da ist einfach nichts. Und während ich im Schlamm krieche, steht fraumierau über mir und meint aufmunternd „Na, hast Du wenigstens was zu bloggen, ja?“. Das ist wahre Liebe.

Wo ist der Abschlepphaken?

Ha, sagte ich. Das habe ich gleich! Wenn es ein Problem gibt, hilft das Handy. „Abschlapphaken Citroen Xsara Picasso“ gebe ich ein. Erst vor kurzem hatte ich eine ähnliche Verzweiflungssuche danach, wo sich eigentlich unser Reserverad befindet und wie man es aus dem Auto bekommt. Und auch diesmal bot mir das Internet nur andere verzweifelte Menschen an, die ratlos vor ihren Autos stehen. Ich verstand so viel: Irgendwo im Auto gab es sicher mal einen anschraubbaren Haken. Nur wo und wie, das war nicht rauszukriegen. Die Hilfegesuche in Autoforen brechen ja auch immer an der Stelle ab, an der jemand gefunden hat, was er sucht. Das behält er dann für sich, so sind die Regeln des Fight Club.

Nicht meine beste Idee

Jedenfalls war da nichts mit Abschlephaken. Nur eine frierende Familie, ein ratloser Bauer und ein paar Stücke Abschleppseil. Ja, ob man nicht einfach die Fenster im Auto öffnen und das Seil da durchziehen könne, schlug ich vor. Irgendwas sagte mir, das sei nicht so schlau und der Blick des Bauern auch, aber wir wollten alle fertig werden, also probierten wir es. Beim Abschleppversuch ächzte das Auto laut und irgendwann riss das Seil mit einem lauten Knall. Angsthase wie ich bin, habe ich das nicht gesehen, weil ich die Augen zugekniffen habe. Das hielt ich ob der der bedrohlichen Knarzgeräusche für durchaus angemessen. Ich vermute, auf dem Land redet man noch heute über den Typen, der beim Abschleppen die Augen zugekniffen hat.

Buddeln!

fraumierau wird endlich mit den Kindern abgeholt. Der Sohn des Bauern kommt hinzu. In „Männer stehen um ein Auto und fachsimpeln“-Situationen bin ich ja nicht ganz so textsicher und nicke dann eher zustimmend. Egal, zu was. Vater und Sohn beschließen, dass wir das jetzt ausbuddeln müssten und dass ab jetzt der Bauer fahren solle, weil der ja ein wenig leichter sei als ich. Hüstel. Ich glaube, sie hielten mich auch einfach für ein bisschen zu blöd zum Fahren. Ich kann dafür wirklich gut in der Stadt einparken, aber das interessiert auf dem Land niemand.

Aber der Traktor war schön!

Eine Viertelstunde später mit Spaten in der Hand und Matsch überall wird das Auto endlich aus dem Schlamm manövriert. Ich bin ein bisschen erleichtert und ahne, dass ich noch rechtzeitig zum Vortrag komme. Ich verabschiede mich eilig und eile los. Auf der Landstraße merke ich, dass sich das rechte Fenster nicht mehr schließen lässt. Wahrscheinlich hat sich bei der Seil-Aktion irgendwas verzogen. Ein weiterer Strich auf meiner „zu tode macguyvert“-Liste, auf der schon diverse andere Dinge stehen. Hatte ich erzählt, wie ich letztens mit dem Staubsauger versucht habe, das Abflussrohr im Bad freizusaugen? Ich sage mal: Nicht nachmachen. Es riecht nämlich nicht so toll, wenn Abflusswasser im Staubsauger erst erwärmt und dann in die Wohnung geblasen wird. Ich glaube, es wurde hier kurz über eine Scheidung nachgedacht.

Aber diesmal war ich wenigstens pünktlich beim Vortrag, konnte die drei Kinder nehmen und alles wurde irgendwie gut. So eine Fensterscheibe kann man übrigens auch zuschieben und drei Fenster funktioniert ja noch. Ich überlege ja, ob ich einfach mal die Tür aufschraube und selber versuche, das Auto zu reparieren. Aber ich glaube, dann weht hier ein eisiger Wind durch die Wohnung.

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Kategorien: Montagspost

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8 Kommentare

Sag auch noch was · 21. November 2017 um 1:01

Danke! Ich hätte es nicht noch einen Montag ohne ausgehalten…

    Sabrina · 21. November 2017 um 8:07

    Geht mir genauso, nur dass es mir immer dem Dienstagmorgen in der S-Bahn versüßt. ?

Nicole G · 21. November 2017 um 5:11

Genial da wäre ich gerne dabei gewesen:-DDD.

Bianca · 21. November 2017 um 5:48

Ging mir auch so? meine Abhängigkeit zeigte sich im täglichen stündlichen „vielleicht hat er ja doch noch …. Mist, NEIN!“ – gucken

Tany · 21. November 2017 um 8:01

Ja endlich wieder Montag. Ich habe letzte Woche auch schon den Beitrag vermisst….

Und was für eine Aufregung in Bochum!

Marlene · 21. November 2017 um 22:30

Großartig wie immer ??? Danke ?

Max · 22. November 2017 um 10:02

Eine großartige Geschichte! Ich habe sehr gelacht.
Mir ist auch mal eine ähnliche Geschichte passiert. Ging auch nur mit ausbuddeln!

Telse · 24. November 2017 um 21:05

… wenn etwas an eurem wagen sein sollte, kannst du dich gerne melden. ich und mein mann haben eine kfz werkstatt in wedding. wir sind noch echte „schrauber“ mit jahrelangen soliden erfahrungen. und keine „teiletauscher“. lese deine beiträge immer zum lachen gerne.

lg telse

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