Über Geheimsprachen, Gastkinder, unterschätzte Nicht-Gerüche, Brüllaffen, Beatboxen und Bettbezüge

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Geheimsprache

Sie hätten da jetzt eine Geheimsprache im Kindergarten, erklärt der Sohn. Also nur die Kinder. Die Erzieher wüssten von nichts. Er könne mir mal ein Beispiel geben, wenn ich wolle. Okay. Hart knufft er mich mit dem Ellenbogen in die Seite. Was das heißt, könne ich ja mal raten jetzt. Da käme ich nie drauf. Nach einigem Überlegen gebe ich mich geschlagen. Tschja. Es sei eben eine Geheimsprache! In die Seite Knuffen heißt „Geh da weg!“. Das sei jetzt recht überraschend, gebe ich zu. Und dass da sicher niemand drauf käme.

Kinderschuhe vor der Tür

Immerhin ist die Geheimsprache lautlos. Das hat auch durchaus seine Vorteile. Letztens erst hatten wir Kinderbesuch. Der Satz könnte eigentlich so stehen bleiben, denn er ist für Eingeweihte schon ohne weitere Beschreibung ein Drama in einem Akt. Also jedenfalls hatten wir Kinderbesuch, der offenbar noch nicht in die Feinheiten nonverbaler Geheimsprache eingeweiht war. Ich kam nach Hause, sah vor der Tür kleine Fremd-Schuhe stehen und gruselte mich schon ein wenig vorm Betreten der Wohnung. Fremde Kinderschuhe vor Wohnungstür heißen nämlich nichts Gutes. Entweder ist es laut oder man muss mit Eltern gepflegt Konversation führen.

Namen merken

Oft weiß ich nicht, wer da eigentlich zu Besuch ist und sende fraumierau „bitte schreib mir mal per Chatnachricht, wer da auf meinem Platz auf dem Sofa sitzt“-Blicke, aber dann guckt sie immer verliebt, versteht meine Misslage nicht und denkt, ich sei gerade romantisch. Sie erahnt mein Problem einfach nicht, denn sie kann sich jeden Namen merken. Furchtbar. Danach heißt es dann „Das war doch der Jeremiah mit der Franziska, die haben wir mal am 14.3.2015 beim Einkaufen getroffen! Da musst Du Dich doch dran erinnern!“ An dieser Stelle spiele ich gern die „Ich weiß dafür Deine Handynummer und Du meine nicht!“-Karte. Die sorgt zumindest kurzzeitig für ablenkende Betroffenheit. Wenn das nicht reicht, schiebe ich „Selbst die Kinder wissen meine Telefonnummer, aber Jeremiah aus dem Supermarkt ist bestimmt wichtiger!“ nach.

Kakophonie

Also jedenfalls betrete ich die Wohnung und es ist laut, sehr laut. Ich gehe in den Flur und dann huschen Schatten rennender Kinder vorbei. Und sie schreien. Durcheinander. Das Wort Kakophonie wurde definitiv von Eltern erfunden. Ich stellte laut fest, dass es hier wie bei Brüllaffen klänge, obwohl ich eigentlich gar nicht weiß, was Brüllaffen sind und mir das jetzt doch ein wenig zu viel sei und ob ich nicht einfach wieder gehen könne. Zigaretten holen zum Beispiel. Dafür würde ich glatt mit dem Rauchen anfangen. Das sei doch ganz normal hier, meint fraumierau, ich sei das nur nicht gewohnt. Ich solle mich mal nicht so haben und so lange niemand verletzt sei, wäre doch alles in Ordnung. Vielleicht schreibe ich einen Erziehungsratgeber für Mehrkind-Eltern und nenne ihn „So lange niemand verletzt ist, ist alles in Ordnung.“ und mache eine Checkliste zur Verhinderung von Nervenschäden: Punkt 1: Nonverbale Geheimsprache beibringen. Punkt 2: Niemals Gastkinder einladen.

Beatboxen

Oder Punkt 3: Den Kindern auf keinen Fall beatboxen zeigen. Ich habe den kapitalen Fehler gemacht, ein Youtube-Video zu zeigen, in dem ein Vater mit seiner Tochter um die Wette beatboxt und die Kinder waren so angetan, dass ich dachte, mensch, da machst Du Deine Kinder jetzt auch zu Stars und habe noch ein Lehrvideo hinterhergeschoben. Jetzt geht es den ganzen Tag BrrrrrPfffftssssbuschbuschbrrrrpffff und dabei sprüht es immer so ein wenig Spuckenebel. Ich muss zugeben, es kommen manchmal erstaunliche Töne aus den kleinen Menschen und jetzt will ich sie auch nicht Demotivieren, weil das wäre bestimmt nicht achtsam oder so, aber: Was habe ich getan? Warum habe ich nicht Videos von Schweigemönchen gezeigt? Gibt es Schweigemönche überhaupt?

Fruchtwasserduft

Aber neben Geräuschen spielen Gerüche ja auch eine Rolle in der Elternschaft. Als wir Spazieren waren, was bei drei Kindern heißt, dass immer eins gerade einen Stein im Schuh, rutschende Strümpfe oder einfach keine Lust hat, hält fraumierau plötzlich inne und beginnt wie wild rumzuschnuppern. Sie erinnert mich dann immer an diese Affen mit der Klappnase, die im Ozean stehen und skeptisch an Fisch riechen. Es geht jedenfalls so schnuppschnuppschnupp und dann verkündet sie, es röche hier wirklich ganz vorzüglich, ob wir das nicht auch alle riechen würden. Es dufte nämlich nach Fruchtwasser! Die Kinder laufen leicht grün an und auch mir wird etwas blümerant und ich gebe an, dass ich nicht so recht wisse, wie das rieche, weil ich hätte bei der Geburt ja auch nicht so viel gerochen. Und ob wir vielleicht einfach zügig weitergehen könnten. Es sei schließlich nicht ganz normal, dass es hier nach Fruchtwasser rieche und man könne ja nicht wissen. Nein, wir könnten ja schon vorgehen, sie wolle das noch kurz genießen.

Betten abziehen

Wo wir uns schon eher einig sind, ist der etwas belastende Geruch von Kinderurin. Man spricht da ja nicht viel drüber, aber Kinderurin ist wirklich überall. Vor allem in Betten. Und vor allem dann, wenn man wirklich gerade unpässlich ist. Zum Beispiel morgens um drei, wenn man feststellt, dass die Windel nicht richtig saß, und es so klamm ist um einen herum und der Gedanke daran, jetzt das Bett abziehen zu müssen, lässt einen kurz am Sinn des Lebens zweifeln. Ich glaube, gebrochen ist man in dem Augenblick, wenn man leise die Bettdecke umdreht, nach einer trockenen Stelle sucht und den Rest auf morgen vertagt. Leider darf man sich dann nicht bewegen und wenn man zu laut atmet, kriegt es jemand mit und dann heißt „Ach, Du bist gerade wach. Kannst Du mal schnell das Bett abziehen?“. Nachdem man das mit Hass auf Alles und festem Glauben, dass es keinen Gott gibt, erledigt hat, kann man sich immerhin drauf einstellen, eine Woche lang das Bett nicht abziehen zu müssen, denn so lange dauert es bei uns immer, bis wir abends den „Ach nein, jetzt noch das Bett beziehen?“-Moment rechtzeitig abgepasst haben. Ich träume jedenfalls manchmal von einem bezogenen weißen Bett mit einer frischen Matratze, die bei CSI nicht verräterisch fluoreszieren würde. Manchmal lege ich mich heimlich in Möbelhäusern auf die Betten und genieße den Geruch von: nichts. Nichts ist wirklich ein beseelender Duft, den man erst mit Kindern zu schätzen weiß.

Ihre Woche – seine Woche

Sie erklärt dem Babysohn, dass der arme Bär doch ein Aua am Po habe und er solle doch mit einem Pflaster helfen:

Er lässt sich nicht beirren und beklebt das, was an dem wirklich betroffen dreinschauenden Bären am meisten aussieht wie ein Po:

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Kategorien: Montagspost

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6 Kommentare

Daniela · 24. Oktober 2017 um 9:33

🙂 Danke! Dankedankedankedanke
(Vor allem mit dem Tipp zu den Beatboxen! Puhhhhh)

Laura · 24. Oktober 2017 um 10:53

Danke! Ohne den Blog hätte ich die ersten Wochen mit Kind nicht so gut gelaunt rum bekommen 🙂

Ina · 24. Oktober 2017 um 11:24

Ich warte schon immer auf deinen wöchentlichen Blog, danke du schaffst es immer wieder mich zum Lachen zu bringen.Echt jetzt Fruchtwasserduft, also ich glaub das ist jetzt nicht so mein Favoritgeruch, habt ihr denn raus gefunden warum es da so roch?Und ja der Urin der lieben Kleinen.

LG aus Norwegen
Ina

Birgit FRIEDRICH · 24. Oktober 2017 um 16:31

Musste bei „Namen merken“ an eine King of Queens Folge denken…. Da ging’s auch um dieses Thema. War auch sehr amüsant ?

Alexandra · 25. Oktober 2017 um 18:28

Es gibt einen wunderbaren Film (Dokumentation) über ein Schweigekloster: die große Stille. Anderthalb oder sogar zwei Stunden lang passiert faktisch nichts! Sehr beruhigend. Ich habe ihn mit großer Begeisterung gesehen. Leider habe ich bislang noch niemanden gefunden, der meine Begeisterung teilt…

Key · 1. November 2017 um 23:39

Das Pflaster…..genial!!

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