Über eine freundschaftliche Frage, die Lautstärke-Formel und pfeifende Schweine

Veröffentlicht von leitmedium am

Nur mal so eine Frage

Das solle jetzt wirklich keine Kritik sein, sagt eine Freundin, während sie ihr kleines Baby auf dem Schoß streichelt, aber sie müsse mal etwas fragen. Wir sitzen am Wochenende im Landhaus, die Kinder toben um den Kamin und gerade ist einer dieser Momente, in denen kein Kind eine Verletzung, eine Beschwerde oder einfach nur Hunger hat und man fast ein Gespräch führen kann. Also sie wüsste gern, ob es eigentlich immer so laut sei bei uns? Ich sehe sie kurz an, schüttle den Kopf. Sie nickt erleichtert. Nein, normalerweise sei es lauter, erkläre ich. Aha, sagt sie. Kurz schweigen wir. Da falle ihr ein, dass sie ja noch etwas in der Stadt besorgen müsse und nicht so lange bleiben könne wie geplant. Das sei doch kein Problem, antworte ich. Und auch nicht überraschend, denke ich. Wir bekommen ja öfters Besuch am Wochenende, aber die meisten brechen kurz vorm Hörsturz eilig auf. Das ist für sie dann überraschend, für mich ein Datenpunkt in der Statistik. Diese ergibt nach bisherigen Studien: Die Verweildauer von Wochenendbesuch steigt mit steigender Kinderzahl der Besucher_innen. Die Grundformel lautet: 1 Stunde Basisaufenthalt + Fakultät(Anzahl der jeweils eigenen Kinder) in Stunden.

Die Lautstärke-Formel

Immerhin entwickelt man als Eltern ja die Fähigkeit des aktiven Nicht-Zuhörens. Ich bin mir unsicher, ob es nach mehreren Jahren Übung ein inneres Ohrenlid ist oder einfach ein paar Synapsen-Leitungen bei Bedarf unterbrochen werden. Jedenfalls gibt man irgendwann auf, um etwas mehr Ruhe zu bitten und verschafft sich einfach inneren Frieden. Dafür müssen andere Menschen erst viel Geld ausgeben und Hipster-Yogakurse in Retreats buchen. Auf meine Frage an die Kinder, warum sie eigentlich so brüllen würden, antworteten sie schulterzuckend, weil sie es eben wollten und da gab es dann auch keine weitere Basis für eine Erörterung des Problems. Das erinnert mich an meinen ersten Geburtsvorbereitungskurs: Nachdem fraumierau mir irgendwann zuzischelte ich würde Einschlafgeräusche machen, was ich auch nicht unnormal finde, wenn man gegen 20 Uhr in einem überheizten Raum bei Kräutertee es sich auf einer Matte „bequem“ machen soll. Jedenfalls versuchte ich angestrengt besonders anteilnehmend dem Kurs zu folgen, war dann aber doch empört, als die Hebamme augenzwinkernd jedem Pärchen ein paar Ohrstöpsel aushändigte, weil es dann mit Kindern ja doch laut werde. Nein, protestierte ich, wenn Kinder laut seien, dann hätte das ja einen Grund und dem müsse man dann nachgehen! Ja, sicher, antwortete sie, mild in sich reinlächelnd. Als ich dann letztens – zehn Jahre später – einen Tag in einem Rechenzentrum arbeiten musste und den praktischen Ohrstöpsel-Spender erblickte, dachte ich, was für eine praktische Sache das doch eigentlich sei. Für Eltern.

Mich stört nur, dass man nie weiß, ob man zwei Mal die gleiche Farbe bekommt!

Virenlabor Kita

Aber Lautstärke ist aktuell ja auch eigentlich kein Problem. Es ist eher der Krankenstand. Uns hat es mal wieder erwischt und ich möchte nicht ins Detail gehen, aber es lagen mal wieder alle mit allen Krankheiten flach, die man so typischerweise aus Kita und Schule anschleppt. Also außer mir, denn ich habe ja Krankwerd-Verbot. Als dann die Mail aus der Kita kam, dass jetzt seit zwei Wochen Magen-Darm und die Grippe umgehen würden – auch bei den Erzieher_innen – und es langsam sehr eng mit der Betreuung werde und es total dufte wäre, wenn Eltern ihre fiebernden, kotzenden Kinder zur Abwechslung mal nicht anschleppen würden, musste ich mich erkundigen, wer denn diese heldinnenhafte Frau sei, die da geschrieben hätte. Na eine Erzieherin seit vielen Jahren?, erklärt mir fraumierau mit hochgezogener Augenbraue. Da fiel mir auf, dass sie einfach noch nie eine Mail geschrieben hat und jetzt offenbar die letzte Person ist, die die Fahne hochhält. Ich vermute ja weiterhin, dass rein vom Seuchenschutz her betrachtet die Welt ein sicherer Ort ohne Kitas und Schulen wäre, aber ob der aktuellen Situation mache ich wohl lieber keinen Scherz zu dem Thema. (Ok, doch einen: Chuck Norris hustet nicht, weil er krank ist. Er gibt Viren die Chance zur Flucht.)

Mein Schwein pfeift

Jedenfalls hamsterkaufen wir jetzt natürlich auch, wie alle Stadtmenschen das so machen. Wobei die richtigen Stadtmenschen sich ja einfach den Apokalypse-Einkauf per Bringdienst liefern lassen, was nur bis letzte Woche noch funktionierte, denn mittlerweile kann man die wegen Überlastung nicht mehr buchen. Ich vermute, die Fahrer_innen schieben zu Recht eine Hasskappe auf alle Menschen. Die Kinder finden das mit dem Vorrat aber sehr spannend und tragen nun permanent kulinarische Wünsche für die Apokalypse vor. Ob man vielleicht noch Nussnougatcreme … für den Notfall? Und man könne doch noch Obst dörren? Chips? Schokolade? Vegane Gummibärchen? Und dann fiel ihnen auf, dass wir ja auch einen Notvorrat für die Meerschweinchen benötigen würden! Fast wär mir das Wortspiel entglitten, dass die dann wohl ins Gras beißen müssten, aber bei sowas versteht hier ja niemand Spaß. Eigentlich sind wir von der Priorität her ja jetzt auch 3+4+1. Es muss also auch noch Notfallfutter für die Tiere her. Die haben natürlich Ansprüche und low carb muss es auch sein. Ursprünglich war ich davon ausgegangen, dass die Meerschweinchen und ich uns gemeinschaftlichen von den Resten der Familie ernähren. Weit gefehlt und ich kann offenbar froh sein, dass ich abends nur die Reste der Kinder und nicht auch noch die der Tiere esse. Mein Versuch der nächtlichen Verbrüderung lief bisher auch nicht gut: Während ich abends, wenn alle krank sind, mich heimlich in ein leeres Bett ins Kinderzimmer schleiche, pfeifen die drei Schweinchen mir die ganze Nacht die Ohren voll, als gäbe es eine Party nebenan. Da helfen sie dann auch nicht, meine jahrelang gewachsenen Ohrenlider. Und ich muss überraschend das Bett verlassen. Überraschend für mich, nicht für sie. Sie haben da so eine Formel entwickelt.


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Die zu wenigen Texte hier kompensiere ich übrigens durch zu viele Instastories, in denen kleine Anekdoten landen, die es nicht in Texte schaffen.

In der aktuellen Folge MKL reden Patricia und ich über das Thema Vereinbarkeit im Job, davor haben wir über Kinderfilme gesprochen.

Kategorien: Montagspost

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