Über eine offensichtlich fehlende Mutter, Kindervervielfachung im Zug, den Explosionsfaktor von Spielen und Umgangsformen in Salzburg

Veröffentlicht von leitmedium am

WO IST DIE MAMA?

Wo denn die Mama sei, wiederholt das Mädchen lautstark seine Frage und reißt mich aus den Gedanken. Ich bin mit den drei Kindern allein im Zug nach Salzburg unterwegs und hatte gerade diesen Moment genossen, wenn man den Zug nicht verpasst, die reservierten Sitzplätze trotz „umgekehrter Wagenreihung“ gefunden, das Gepäck verstaut und überhaupt einfach kein Kind irgendwo verloren hat. Jedenfalls steht nun ein fremdes Mädchen aus der nächsten Sitzreihe vor mir und verleiht seiner Verwunderung Ausdruck, dass hier ganz offensichtlich die Mama fehle. Vielleicht sei ich ja einfach die Mama, antworte ich. Kurz ist betretene Stille. Das könne nicht sein, bemängelt es, ich solle jetzt sofort sagen, wo die Mama ist! Ok, erkläre ich seufzend, die Mama ist in Salzburg und arbeitet und wir fahren hinterher, um uns dort zu treffen. Das Mädchen schüttelt erneut den Kopf. Die Mama könne gar nicht arbeiten, weil es seien doch Ferien und arbeiten Mamas nie! Es gibt sicher irgendeine pädagogische Regel, dass man nicht mit den Augen rollen darf, wenn man Fragen fremder Kinder beantworten muss, also lege ich den Kopf schief, zucke mit den Schultern und erkläre: „Doch, weil ich hab Recht“. Mit dieser fundierten Antwort auf Augenhöhe gibt sie sich zufrieden und verschwindet wieder in der vorderen Sitzreihe.

Kindervervielfachung

Es folgt eine längere Phase indirekter Elternkommunikation. Auf Zugfahrten treffen ja Erziehungsvorstellungen auf engstem Raum aufeinander. Ideale Möglichkeit, mal ein wenig die eigenen Ansichten zu verbreiten. Während meine Kinder den ersten Teil der Zugfahrt vor allem damit verbringen, auf mehreren Pads zu spielen und Serien zu gucken, und ich versuche, ein Mindestmaß an Restnerven für die bevorstehenden Umsteigemanöver zu bewahren, wird in der Vorderreihe betont laut dem Kind erklärt, dass man Medien sehr sehr genau bewerten müsse, es besonders wertvolle Serien gäbe und sie würden ja immer nur ausgewählte Folgen Sesamstraße schauen – das hätten sie ja besprochen oder? Ob es jetzt noch einmal die Folge Sesamstraße von vorhin sehen wolle? Betreten schüttelt es den Kopf und fragt, ob es sich zu den anderen Kindern setzen dürfe, während es auf uns zeigt. Narf, denke ich, und wieder ein Kind mehr auf der Zugfahrt. Wie fast jedes Mal. Wir rücken etwas zusammen, teilen die Kekse noch einmal neu auf und peppa-piggen gemeinsam weiter Richtung Urlaub.

Explosionsfaktor von Spielen

Auf dem zweiten Teil der Zugfahrt habe ich ein eigenes Kinderabteil ergattern können und während die schon leicht geschafften Kindern sich um den Tisch platzieren, ziehe ich stolz ein neues Kartenspiel hervor: Schokohexe. Die Regeln sind so leicht, dass alle drei sie verstehen und es beginnt eine Zeit der… Explosionen! Leider hatte ich Anfängervater mal wieder nicht den Explosionsfaktor des Spiels bedacht. Das ist eine bisher noch nicht offizielle Kennzahl, die auf einer nach oben offenen Skala den Ausflippfaktor eines Spiels beziffert. Ich würde sagen, je nach Temperament des Kindes hier zwischen 0 und 168. Kurz erkläre ich, dass wir wirklich zu spielen aufhören müssten, wenn weiterhin so laut gebrüllt wird, dass noch jemand aus dem Nebenabteil nach dem Rechten sehen kommt. Aber sonst: Ein kurzes, schönes Kartenspiel. Mit dem auch mitgebrachten Ausflipp-Kniffel habe ich es lieber gar nicht probiert.

Umgangsformen, Teil 1

Jedenfalls ist so eine siebenstündige Zugfahrt nach Salzburg mit drei Kindern nicht unbedingt unanstrengend, aber, hey: Es geht! Und in der Stadt angekommen, in der wir die nächsten Tage das Spiel „Wer etwas mit „Mozart“ sieht, hat verloren“ (länger als eine Viertelstunde schafft man das nie) spielen, musste ich frappiert feststellen, dass in anderen Städten die TaxifahrerInnen freundlich sind. Mir war bisher nicht bewusst, dass das technisch möglich ist! Überhaupt sind immer alle sehr freundlich. Als uns einmal auf einem Zebrastreifen fast ein Auto über den Haufen fährt und ich in guter Berliner Manier „Du blöder Penner, pass doch auf“ brülle, scheint die Stadt kurz einzufrieren und mit Mozart-Charme sagen zu wollen „So hier nicht, Freundchen, so nicht“. Gut, das nächste Mal frage ich einfach, ob der Herr Conducteur vielleicht die Freundlichkeit besäße, uns nicht überfahren zu wollen, wenn es recht sei?

Umgangsformen, Teil 2

Die Kinder müssen ja auch noch ein wenig klein wenig an ihren Salzburger social skills arbeiten. Zu den Mittagessen habe ich ja schon immer leicht hektisch Restaurants ohne weiße Tischdecken gesucht. Man erlebt mich dann dabei, wie ich mir an einer Restaurantfensterscheibe nach der anderen kurz die Nase plattdrücke und den hungrigen Kindern dann kopfschüttelnd mitteile, dass es hier leider auch weiße Tischdecken gäbe. Ich kriege nämlich schon beim Hotelfrühstück immer einen mittleren Herzinfarkt, wenn die Kinder so ein Gemisch aus Nutella-Schlieren, Marmelade-Kleksen und Krümelorgien auf dem schneeweißen Stoff verteilen. Das ist natürlich eher mein Problem als das der Tischdecke, aber zum Mittagessen kann man das ja auch mal auslassen.

Sie haben mir ins Essen gequatscht!

Jedenfalls hatten wir endlich ein tischtuchloses Restaurant gefunden, Essen bestellt (ein Spaß in Österreich, wenn eins der Kinder sich gerade vegan ernährt) und nun kommt alle drei Minuten ein anderer Ober an den Tisch, und erkundigt sich leicht nach vorn gebeugt, ob es denn schmecke. Beim ersten Mal antworten noch alle pflichtbewusst mit Ja, beim zweiten mal nicken alle, beim dritten mal wird geschwiegen, bis der Kleinste den Ober scharf ansieht und kommentiert „Sie haben mir ins Essen gequatscht!“. Ich fange an zu kichern, der Ober entschuldigt sich hundert Mal und ist zu schnell auf Nimmerwiedersehen weg, bevor ich ihm erklären kann, dass dies ein Loriot-Zitat ist und das doch eher ein Scherz sei. Die Kinder fandens lustig, ja, ok, ich auch und ich denke, die Loriot-Ausbildung ist jetzt auch beim Dreijährigen mit Abschlussprüfung erfolgreich beendet.


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Die zu wenigen Texte hier kompensiere ich übrigens durch zu viele Instastories, in denen kleine Anekdoten landen, die es nicht in Texte schaffen.

In der aktuellen Folge MKL reden Patricia und ich über das Thema Vereinbarkeit im Job, davor haben wir über Kinderfilme gesprochen.

Kategorien: Montagspost

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Parteiloser Postprivatier.

1 Kommentar

Richard - Papablogger · 11. Februar 2020 um 8:51

Klingt nach einem richtig schönen Familientrip. 🙂

LG, Richard & Hugo vom vatersohn.blog

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