Über Würstchenberge, Kindergeburtstags-FKK und einen rettenden Spatz in Not

Veröffentlicht von leitmedium am

Kindergeburtstagspicknick

Ja, das sei ja was, sie seien auch aus Stuttgart! Ein erfreutes Raunen geht durch die Menge. Es ist Wochenende und ich sitze bei einer Kindergeburtstagsfeier mit anderen Eltern bei einem Picknick im Park. Ich könnte mir ja Schöneres vorstellen. Eine ausgiebige Zahnarztsitzung zum Beispiel. Aber man muss ja um der Sozialkontakte der Kinder Willen regelmäßig ein Pflichtprogramm erfüllen. Sonst heißt es wieder, die Mieraus kommen ja nie. Nach der „Woher seid ihr eigentlich?“-Vorstellungsrunde freuen sich alle ungemein, dass quasi jeder Mensch der Welt aus Stuttgart zu stammen scheint. Um nicht die ganze Zeit schweigend dazusitzen, merke ich an, dass ich überraschenderweise Berliner bin. Geburtskrankenhaus Friedrichshain! Leicht betroffen nickend nimmt man dies zur Kenntnis. Auch gut, denke ich, und erfülle weiter meine elterliche Teilnahmepflicht durch körperliche Anwesenheit. Das nächste Mal sage ich einfach auch, ich sei aus Stuttgart. Da kann man offenbar nichts falsch machen.

Würstchenberge

Wenn ich mich langweile, aber nicht einschlafen darf, zähle ich Dinge. Das hält mich wach. Nachdem ich Eltern, Kinder mit bedrohlichen Holzschwertern und Kinder ohne bedrohliche Holzschwerter gezählt habe (Verhältnis 2:2:1), wende ich mich dem Essen zu. Ich könnte ja Würstchen zählen, denke ich. Würstchen sind immer welche da. Überhaupt gibt es bei Eltern-Events immer sehr viele Würstchen. Letztens erst habe ich kurz überlegt, die Schulsommerfeier zu sprengen, indem ich kurz auf der Bühne nachfrage, warum wir eigentlich unsere Kinder zu Umweltdemos schicken, auf der nächsten Feier dann aber kiloweise Würstchen aus Plastikpackungen reißen, sie auf Einwegteller werfen und dazu Limonade aus Plastikflaschen ausschenken. Während ich mir gerade eine schnippische Bemerkung überlege, sehe ich, wie unsere Kinder glückstrahlend in beiden Händen je ein Würstchen halten und damit ihren Punk feiern. Ich verschiebe die Diskussion auf ein anderes Mal.

Vogel in Gefahr!

Das Telefon klingelt und fraumierau ist dran. Sie ruft ja fast nie an, außer es ist wichtig oder ein Vogel ist in Gefahr. Vögel-Anrufe haben bei uns eine gewisse Tradition. Erinnert sei an den „Da sitzt eine querschnittsgelähmte Taube auf unserem Balkon! Schicken Sie Rettungswagen!“-Anruf, der ihr bei der Polizei wahrscheinlich eine Aktennotiz als leicht verwirrte Person eingebracht hat. Jedenfalls ist sie aufgelöst am Telefon und erzählt, da sitze ein hilfloser Spatz und sie müsse etwas tun. Sofort! Aber leider könne sie nicht, weil die Straße gerade gesperrt werde. Sie rufe gleich nochmal an. Während ich auf den Folgeanruf warte, fällt mir das Telefonat wegen des im Hausflur verirrten Vogels wieder ein. Das war auch ein großer Staatsakt damals. Ich darf sie da nicht drauf ansprechen, sonst gerät sie wieder in Wallung. Es klingelt, sie wirkt noch aufgelöster. Der kleine Spatz sei noch da, aber die Polizei sagt, sie müsse jetzt gehen, wegen einer Bombenentschärfung. Ich frage, was sie denn jetzt tue. Das wisse sie auch nicht. Der Spatz sei noch da! Ich versuche zu erklären, dass sie ja auch Kinder habe und vielleicht könne man im Falle einer Bombe bei einem sicherlich bedauerlichen Spatz eine Ausnahme machen und einfach… gehen… bitte? Jetzt? Jaja, ich hätte ja Recht, gibt sie zurück und legt auf. Ich nehme mir vor, abends in der Wohnung besonders genau auf eventuelle Pieps-Geräusche zu achten.

Abbaden

Ob wir mit zum Abbaden kämen? Ich werde aus dem Bäume-Zählen gerissen. Was denn Abbaden sei, frage ich. Na das Gegenteil von Anbaden. Wenn der Sommer vorbei sei! Es sei ja nochmal schön warm heute, die Kinder da und man könne ja zum See. Kurz wäge ich die sofortige „Ihr seid krank Kinder und wir haben keine Badesachen bei“-Diskussion mit einer abendlichen „Aber ich habe Euch gesagt, dass es kalt ist“-Version ab und entscheide mich für letztere. Wir machen uns alle mit den Kindern auf den Weg, die freudig vorrennen. Vielleicht ja doch nicht so schlecht, so ein viele-Eltern-viele-Kinder-Event am Wochenende, denke ich. Eins unserer Kinder kommt zurückgelaufen und warnt mich, am Strand seien viele nackte Menschen. Aha, antworte ich, ob ihm das unangenehm sei? Ja, also irgendwie schon. Es sei … anders, versucht es zu erklären, ich werde schon sehen, und rennt zurück. Wieder was falsch gemacht als Elter und dem Kind keinen guten Umgang mit Körperk… Moment, das ist ja ein FKK-Strand, denke ich, während ein Rudel nackte braungebrannte Mittsiebziger an uns vorbeigehen. Den Kindern baumelt auf Augenhöhe dies und das vor der Nase rum und so richtig wissen sie auch nicht, wo sie überhaupt noch hingucken sollen. Spätestens als ein unterum schwerst gepiercter Herr aus dem Wasser steigt und sie mich fragend anblicken. So kann er länger tauchen, erkläre ich und bitte inständig, dass jetzt nicht auch noch… Natürlich beginnen die anderen Eltern, sich auszuziehen. Ich hatte ja nicht gewusst, dass das SO eine Geburtstagsfeier wird. Kinder!, rufe ich. Kinder!, wir müssen zu Mama, einen Spatz retten. Sofort!


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Kategorien: Montagspost

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6 Kommentare

Victoria · 24. September 2019 um 10:08

Ich lache Tränen ?

Leah Rö · 24. September 2019 um 10:16

Das Würstchen-Motto hat sich also hartnäckig über den gesamten Tag gehalten ???

Silvie · 24. September 2019 um 11:28

So kann ich nicht arbeiten! Ich wurde sofort enttarnt – „Warum kicherst du denn so?“ öhm… einfach so. Weil die Abrechnung so verdammt lustig ist.

holma · 24. September 2019 um 20:37

Die Ruhe der Stuttgarter kam daher das alle gerade das MehrBerlinAlsDu Spiel verloren haben.

Rike · 25. September 2019 um 7:17

Seit 2.30 Uhr bin ich wach, weil sich die männlichen Wesen in dieser Wohnung gegen meinen Schlaf verschworen haben (ich bin noch dabei, Beweise für ein ausgeklügeltes Schichtsystem zu sammeln) und um 5 Uhr dachte ich mir „Schlaf ist für Anfänger“ und bin mal bei Herrn Mierau vorbei und ich. musste. so. lachen!!
Hat mich sämtliche Willenskraft gefordert, nicht loszubrüllen und das eben wieder eingeschlafen Baby zu wecken.
Herrlich!
Ich bedanke mich. Von Herzen!

Nora · 4. Oktober 2019 um 22:16

Ich habe sehr gelacht, allerdings dürften die Einladungen zu Geburtstagen seitdem gegen null tendieren, oder? Vielleicht war das ja beabsichtigt…

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