Über Montagmorgen, frühkindliche Socken-Gesignation, Nightmare on Disney Street und einen Bücher-Bumerang

Veröffentlicht von leitmedium am

Montag, Montag

Eigentlich sei das ja klar gewesen, denke ich. Es ist Montag Morgen um sechs und ich stehe wieder vor der unlösbaren Aufgabe, die Familie zu wecken, um alle rechtzeitig da abzuliefern, wo sie in den nächsten zwei Stunden sein müssen. Noch in den Ferien wurde freiwillig jeden Tag punkt sechs aufgestanden. Mit Schulbeginn wird dann auf emotionale Winterzeit umgestellt und vor sieben geht nichts ohne Sterbegeräusche. Immerhin habe ich ja die neue Geheimwaffe Milchreis, die mir mittlerweile ohne Anbrennen gelingt und ca fünfzig Prozent der Kinder stehen freiwillig auf, wenn ich „Guten Morgen … es gibt gleich Milchreis!“ ins Schlafzimmer säusele. Fünfzig Prozent bei drei Kindern mag komisch klingen, ist aber so. Dass ein halbes Kind liegen bleiben kann, glaubt man eben erst, wenn man es gesehen hat.

Hypochondritis

Das halbe Kind ist dann vielleicht krank, oder es denkt, es sei krank oder es möchte krank sein. Das weiß man ja manchmal nicht so genau und das Kind auch nicht und dann muss man so unauffällige Gespräche führen, um sich langsam voranzutasten. Das gelingt auch immer besser und vielleicht gibt es ja zufällig in der Schule Milchreis zum Mittag, dann geht es manchmal plötzlich wieder. Oder aber das „mal gucken, wie weit man mit Gummistiefeln in den See gehen kann“ am Vortag war eben doch zu viel. Dann gibt es aber auch das Kind, das vom Zuhören krank wird. Man darf in seiner Gegenwart nicht über Krankheiten und schon gar nicht über unsichtbare Krankheitserreger sprechen, weil sonst ist es zu spät. Es erklärt dann sehr ausführlich seine Symptome, die von Schmerzen an Zehen bis zum Kribbeln in den Haaren gehen. Immerhin gibt es sich noch auf die Frage, was es denn nun genau habe mit der Antwort „Wahrscheinlich eine akute Hypochondritis“ zufrieden. Zumal es weiß, dass eine Tasse Tee da oft Wunder wirkt. Letztens hat es nur leider „Lepra“ verstanden, und war nicht zu überzeugen, sich verhört zu haben oder ob er etwa auch was an den Ohren hätte?, es fühle da so einen Druck auf dem Trommelfell!

Socken-Gesignation

Während all der Schule-oder-nicht-Schule-Diskussionen kullert das jüngste Kind noch vergnügt durch die Wohnung und ein bisschen sind alle vier anderen neidisch, nicht auch einfach in die Kita gehen zu können. Und seitdem es sich selber Sachen raussucht und anzieht, ist sein Morgen noch entspannter geworden. Nur die Angelegenheit mit den Socken überfordert ihn, weil die ja immer ein bisschen durcheinander sind. Immerhin ist seine Aufforderung, ihm doch bitte ein Paar „gleichschiedliche“ rauszusuchen, die wahrscheinlich perfekteste Redewendung, oder einfach Socken-Gesignation im Kleinkindalter.

Nightmare on Disney Street

Das sonst so sonnige Gesicht verfinsterte sich leider diesmal eine Stunde später. Wir waren beim Zahnarzt, der eigentlich eine Zahnärztin ist, das muss ja auch mal gesagt werden, und eigentlich sind die Besuche da immer hoch erwartet, weil es gibt ja ein Geschenk am Ende. Ich frage mich, warum wir früher keine Geschenke bekommen haben, dann wäre es wohl nicht ganz so furchtbar gewesen. Jedenfalls sind die Zähne gut und das Geschenk wird erwartet und wir liegen gemeinsam auf Zahnarztstuhl und plötzlich merke ich, wie das Gesichtchen zu Stein gefroren an die Decke starrt. Da läuft gerade Nightmare on Elm Street, also in seiner Perspektive, denn es ist der Disney Klassiker »Der König der Löwen« und die kämpfenden Löwen sind zu viel für seine Nerven. Ich bitte die Zahnarzthelferin, die diesmal ein Zahnarzthelfer ist, ha!, doch den Film zu wechseln und betone auf Nachfrage, warum denn eigentlich, dass das Kind sich grusele. Ich bekomme diesen „Boah, Prenzlberg-Eltern, ey“-Blick, der gar nicht stimmt, wegen Friedrichshain, aber den Unterschied versteht außerhalb des S-Bahn-Ringes eh niemand und als der Zahnarzthelfer gerade auf den Bildschirm guckt ist natürlich kitschige »alle haben sich lieb«-Szene und mit leicht vorwurfsvollem Klicken wird Benjamin Blümchen angemacht, was mich fast um den Verstand bringt, aber okay. Nachdem mir letztens erst Facebook vorgeschlagen hat, doch Benjamin Blümchen zu folgen und der blöde Elefant mich sogar auf den Abreiß-Papierhandtüchern auf Restaurant-Toiletten verfolgt, ist mein Widerstand gebrochen.

Bücher-Bumerang

Als ich nach Hause komme, liegen ein paar mir wohlbekannte abgewetzte Bücher auf meinem Schreibtisch. Die Kinder kommen freudig gehüpft und erklären, sie hätten diese Bücher in einer »zu verschenken«-Kiste vorm Haus gefunden und sich so unheimlich gefreut, sie mir mitbringen zu können. Während in mir eine kleine Marie Kondo stirbt, lächle ich und schiebe die Bücher gestern freigewordenen Lücken zurück ins Bücherregal, aus denen sie in die Kiste vorm Haus gewandert waren. Immerhin: Die Kinder haben eine gute Tat vollbracht. Ab jetzt Verschenke-Kisten nur noch eine Straße weiter. Schlimmer ist eigentlich nur, wenn die Kinder ihre Berge von bekritzeltem Papier im Papierkorb finden und man entrüstet zustimmen muss, dass man sich wirklich nicht vorstellen kann, wie das da gelandet ist!


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Kategorien: Montagspost

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Parteiloser Postprivatier.

2 Kommentare

Esther · 10. September 2019 um 9:37

Wie immer versüsst mir der Montagspost den Wochenbeginn!!!! Das muss so lustig sein bei euch???. Das Problem mit den tausenden Zeichnungen kenn ich gut. Das Kind bringt auch gerne Millionen winziger Papierschnipsel aus dem KiGa mit die ich immer alle einstecken muss und dann nicht wegwerfen darf. In allen Hand- u nd Hosentaschen finden sich Überreste der Schnipsel. Das ist sowas wie unser Familienmarkenzeichen geworden ???

Simon · 10. September 2019 um 17:44

Wer oder was ist Marie Kondo?
Ansonsten wieder mal herrlich. Danke!

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