Über Koffer packen, Zumba, Medienkompetenz (TV) und Chociatto

Veröffentlicht von leitmedium am

Koffer packen

Es täte Ihr leid, aber auch in diesen Koffer würde wirklich nichts mehr passen. Ja, es sei eigentlich mein Koffer, aber sie hätte ihn eben gebraucht. Ich solle doch bitte selber gucken, wie ich klarkomme, ja? Einen Abend packt sie die Koffer für unseren einwöchigen Urlaub. Jetzt steht der Flur voller Koffer. Nur ich gehe mal wieder leer aus. Also ich packe meine Sachen ja gern, nur fände ich einen Koffer dafür ja schön. Vielleicht ja sogar einfach meinen eigenen Koffer. Etwas betroffen blicke ich fragend auf den riesigen Aquarell-Malblock, der aus dem Koffer ragt. Sie hätte wirklich nur das Nötigste eingepackt, bekräftigt sie noch einmal. Nur das Nötigste!
Immerhin finde ich in einem Verschlag noch ein Köfferchen. Leider verlasse ich mich bei Rückfragen, ob sie schon dies und jenes eingepackt hat, auf ihre knappen Antworten. Wie jeden Urlaub, stelle ich einen Tag später leicht frustriert fest, dass sie mit „Ja, ich habe die Haarbürste eingepackt“ einen Scheiß Tangle Teezer meint. Ein Tangle Teezer ist keine Haarbürste, sondern ein hässliches Stückchen Plastik, nach dessen Benutzung ich aussehe, als wollte ich eine „The Cure“-Coverband aufmachen. Aber wenigstens vergisst sie auch die Hälfte und so gehen die üblichen zwei Urlaubstage dafür drauf, Kontaktlinsenmittel, Nasenspray, Deo und all das zu kaufen, was wir jeden Urlaub kaufen.

Alles Wichtige eingepackt!

Entspannung

Aber der Urlaub war schön. Zwar wurden wir in Niedersachsen ständig gefragt, warum wir BerlinerInnen denn eigentlich gerade Urlaub hätten und was dieses „Winterferien“ eigentlich sein soll, aber die Kinder waren gut versorgt und es gab diesen einen Moment, in dem fraumierau und ich vormittags auf einem Sofa saßen, uns anschauten und feststellten, dass wir gerade entspannt waren. Das sind ja völlig unbekannte Gefühlswelten! Natürlich haben sich die Kinder Mühe gegeben, es uns auch im Urlaub heimisch zu machen und den Reitunterricht aufgepeppt mit täglichen Melden: „Wurde vom Pferd gebissen!“, „Ein Huhn hat mir in die Hand gepickt“, „Mir ist ein Pferd auf den Fuß getreten!“. Das alles passiert natürlich immer nur dem einen Kind, das am wenigsten gut damit umgehen kann, weil Tiere ja auch Sinn für Humor haben.

Zumba

Kurz habe ich überlegt, den Urlaub abzubrechen, als ich im Kinderbetreuungsraum saß und ein „Zumba“-Kurs begann. Ich kannte Zumba bisher nicht, verstehe es jetzt aber so: Eine leicht überdrehte Kursleiterin mit orangenem Zumba-Stirnband und Pulswärmern animiert Kinder grölend zu „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ durch die Gegend zu trampeln. Ich habe ja so meine Schwierigkeiten mit „Kinder-Musik“ und laut ist es auch so genug, aber den Kindern hat es offenbar Spaß gemacht. Ich habe mich so lange im Bad mit dem singenden Gruselfisch versteckt. Wenn man allein sein wollte, musste man nur auf einen roten Knopf drücken, und ein leicht lädierter Barsch sang tänzelnd „I will survive“. Das schreckte eigentlich alle Kinder ab. Nur der mutige Babysohn drückte sich dann tapfer mit dem Rücken an der gegenüberliegenden Wand entlang, und erkundigte sich, ob man die Fisch-Haut denn noch essen könne oder nicht. (Erwachsenen-Zumba scheint übrigens auch nicht so richtig überzeugend zu sein.)

Medienkompetenz (TV)

Das Schöne am Urlaub sind ja immer die Dinge, die man sonst nicht hat: Zum Beispiel ein Fernseher! Mit leichter Bestürzung musste ich feststellen, dass meine Kindheit (Trapper John, M.D., Love Boat, Hotel, Ein Engel auf Erden, Knight Rider…) jetzt auf „Sat.1 Gold“ läuft, was dann wohl der Sender für Menschen 40+ ist. Als Nächstes kommt dann wahrscheinlich nur noch Sat.1 Silver. Für die Kinder war Fernsehen natürlich auch ein großes Highlight. Leider musste ich mehrmals erklären, dass ich den sonst üblichen Unterbrechungen („Ich muss auf Toilette… ich auch! … ich auch! … Ich brauche etwas zu trinken … ich auch! … ich auch!“) nicht auf Pause drücken kann und nein, Vorspulen geht auch nicht. Dafür war AstroTV äußerst beliebt und nur knapp konnte ich davon abhalten, beim Orakel anzurufen, weil man wissen wollte, wie die Reitprüfung am nächsten Tag so wird (Antwort: gut, bis auf den Pferde-Tritt auf den Fuß). Ebenso beliebt waren Topmodel, eine selten dämliche Trampolin-Show, irgendwas wie American Gladiator und der Film „Baby Boss“, bei dem fraumierau so lautstark gegen das vermittelte Familienbild protestierte, dass wir irgendwann entnervt umschalteten. Den Plan „Vermittlung Medienkompetenz (TV)“ habe ich für dieses Jahr jedenfalls erfüllt. Aber ein bisschen sehne ich mich jetzt nach dem Alte-Leute-Fernsehen.

Hat auch nur einen Tangle Teezer.

Bananen-Ende einer Ehe

Schön war, dass es in diesem Urlaub auch viel Obst gab. Zweimal habe ich mich sogar Obstteller macgyvert. Leider habe ich einmal den Fehler gemacht und fraumierau gebeten, mir eine Banane mitzubringen. Es gibt ja Situation, die unerwartet eine Ehekrise auslösen. Dies war so eine Situation. Sie schält die Bananen nämlich immer emphatisch und quetscht dann leicht angewidert unten das letzte Stück ab, damit bloß nicht dieser kleine schwarze Stiez in der Banane bleibt. Schon der Gedanke an diese fünf Millimeter Schwarz lösen bei ihr Schüttelfrost aus. Ich wiederum falle fast in Ohnmacht, wenn man mir eine so angequetschte Banane überreicht. Und jetzt wissen wir beide nicht, wie wir eigentlich je heiraten konnten. Bananen gab es jedenfalls nicht in Venedig.

Choc-iatto

Immerhin habe ich am letzten Tag noch rausgefunden, warum ich abends mit den Kindern immer fernsehen musste. Dass sie nicht einschliefen lag wohl weniger an ihrer allgemeinen Urlaubsaufregung als daran, dass ich auf das tägliche „krieg ich einen Kakao!!!“-Augengeklimper immer leicht mies gelaunt zum Automat ging und die erste Taste drückte, die irgendwie nach heißer Schokolade aussah. Der Babysohn schimpfte zwar eine Woche lang über „braun“, aber erst am Abreisetag verstand ich: „Chocciatto“ ist ein Latte Macchiato mit Kakao. Zusammengefasst hatten die Kinder also AstroTV und Kaffee. Das klingt nach einem guten Urlaub, oder?


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Kategorien: Montagspost

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Parteiloser Postprivatier.

7 Kommentare

Frau Sandkuchen · 12. Februar 2019 um 7:12

Kann man Bananen auch anders schälen als Frau Mirau?!?
Frage für eine Freundin…

Sammlungstante · 12. Februar 2019 um 8:19

Danke für diese TV Highlights!!! Ich bin aktuell mit einem kranken Kind daheim und jedes Mal, wenn die Patientin schläft zappe ich heimlich rüber
😀

und ja, ich bin 40++

Aless · 12. Februar 2019 um 8:55

Chociatto. Ich lache mich kaputt. 😀
Und die Kinder leben alle noch?
Super!
Dann erspare ich mir ab jetzt den Anfall, wenn mein Sohn meinen Latte-Macchiato-Löffel ableckt… 😀

Sabine · 12. Februar 2019 um 10:16

Unser Sohn kann diesen untersten Bananenschnippel auch nicht ausstehen. Hat ihn Knubmal getauft und mir in aller Ernsthaftigkeit erklärt, dass man den unter keinen Umständen essen kann.

    leitmedium · 12. Februar 2019 um 10:17

    Ich denke, Knubmal ist ein passender Name. Ich werde ihn weitergeben 🙂

Daniela · 12. Februar 2019 um 10:32

Hm… nein… nicht vierzig Plus. Ich bin erst 37 und fühle mich sofort wieder wie ein Kind bei deiner Aufzählung an Serien.

Und Danke für diesen großartigen Blog. Ich lese seit einer Woche abends (eigentlich hätte ich für eine Prüfung, die heute stattfindet, lernen müssen, so habe ich für die nächsten Kinderjahre gelernt! ?)

Fanrach · 12. Februar 2019 um 13:15

Wiedermal köstlich gelacht. Vielen Dank. Der Packstress steht uns auch bald wieder bevor. Habe schon überlegt für Kind II auch einen Koffer zu kaufen. ?

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