Über Ödipus, heimliches Obst, Playdates und Flohmarkt-Kreisläufe

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Ödipus

»Papa Feuerwehrunfall, leider!«, raunt es leise neben mir. Wir liegen zu fünft im Familienbett und der Babysohn ist verschnupft, weil er nicht der Einzige ist, der mit fraumierau kuscheln darf. Mit seinen kleinen Ärmchen versucht er, mich wegzudrücken. Dabei erklärt er ausschweifend, dass ich einen Feuerwehrunfall hätte. Leider leider. In seiner Vorstellung werde ich wahrscheinlich gerade in einer Trage aus der Wohnung geschleppt. Ich erinnere mich an den Tag der Geburt unseres zweiten Kindes. Als wir alle endlich das erste Mal zu viert gemeinsam im Bett lagen, meinte die Erstgeborene, das sei alles schön und so, aber jetzt könnten wir das Baby ja dann wieder in ein Paket tun und zurück schicken, ja? Familie ist auch immer ein wenig Ressourcen-Kampf.

Mango, allein

Immerhin können wir Eltern nach dem Einschlafen der Kinder ungestört eine Mango essen. Allein, ohne Teilen! Ich habe es in wie in einem Heist-Movie vorher alles durchgeplant: Passendes Kleingeld in der Tasche, auf dem Weg nach Hause eine Mango kaufen, in der Laptop-Tasche verschwinden lassen, Tasche zu Hause unauffällig zur Seite stellen, mit keinem Wort die Mango oder sonstiges Obst erwähnen. Nach dem Zubettbringen der Kinder schweigend in die Küche schleichen, Mango schälen (ein Wissenschaft für sich) und dann: Ganz ohne die übliche Diskussion, wer jetzt schon wie viel Stücke hatte, entspannt mit fraumierau eine Frucht essen. Es sind die kleinen Dinge, die mit Kindern wieder etwas ganz Besonderes sind. Wahrscheinlich wird man als Eltern automatisch achtsam – sogar dem Obst essen gegenüber? Leider hatte fraumierau zwei Stücken mehr als ich. Das geht so nicht. Das nächste Mal esse ich heimlich etwas, wenn sie beim Netflix gucken wieder eingeschlafen ist.

»Playdates«

Als sie dann das nächste Mal endlich wie geplant eingeschlafen ist, und ich eine Schale Erdbeeren bereit stehen habe, kann ich leider nicht aufstehen, ohne sie aufzuwecken. Also bleibe ich sitzen und installiere sinnlos ein paar Apps auf dem Telefon. Zum Beispiel eine „Playdate“-App für Eltern, für die ich morgens in einem Café einen Flyer gefunden habe. »Playdate für Eltern«, das klingt ja schon ein wenig nach Tinder oder Kitkat-Club. Doch dann stellt sich raus, dass es viel krasser ist als ein virtueller Eltern-Fetisch-Club. Es gibt Menschen, die haben skrupellos das Grauen in Programmier-Code gegossen: Spielplatz-Verabrede-Apps! Leicht fassungslos scrolle ich durch „Gemeinsamer Museumsbesuch“ und „Picknick im Stadtpark“-Gesuche. Panisch kontrolliere ich meine Privatsphäre-Einstellungen, damit mich da auch wirklich niemand sieht. Vielleicht hat die DSGVO ja doch was Gutes. Immerhin sind so wenig Anzeigen vorhanden, dass ich alle auf einmal durchlesen kann. Offenbar kommt gerade jeder auf die Idee, so eine App zu machen („Du, wie wäre es, eine App für Eltern zum verabreden zu machen?!“) und so verteilen sich die wenigen Playdate-Eltern gleichmäßig auf die Apps. Immerhin: Die Gesuche sind fast so kurzweilig wie die Kontaktanzeigen in der Schrot und Korn.

50 Cent für eine kinder-freie Toilette!

Toiletten-Ökonomie

Aber eigentlich waren wir ja bei Ressourcen in der Familie. Die knappste Ressource hier ist und bleibt die Toilette. Ich habe mal ausgerechnet, dass die Toilette 95-97% der Zeit unbenutzt ist, in den restlichen 3-5% aber eine Schlange davor steht. Ich schleiche mich ja morgens bereits eine Viertelstunde früher auf Zehenspitzen aus dem Bett, um dem „ICH MUSS AUCH MAL“ zu entgehen. Da ist es schon fast entspannender, auf eine Autobahn-Toilette zu gehen, da trommelt wenigstens niemand gegen die Tür. Dafür muss man dann da diese 70-Cent-Nazi-Coupons ziehen. Ich scheuche jedes Mal die Kinder alle unter der Schranke durch, weil mir das einfach zu blöd ist. Letztes Mal wollte ich etwas Gutes tun und habe vor der Tankstellentür Menschen angesprochen, ob sie meinen 50-Cent-Gutschein haben wollen. Ist ja auch doof, den wegzuwerfen. Offenbar löst es aber Panik aus, wenn ein leicht abegerissener mittelalter Herr mit Übergewicht auf einem Autobahnparkplatz fremde Menschen anspricht und angeblich Dinge verschenkt. Die Diskussion mit den Kindern, dass man ja dafür etwas kaufen könne, weil dann koste das Eis ja nur noch 2,50€ führte noch nicht zur Einsicht, dass das ja trotzdem eine Ausgabe sei. Vielleicht kann man die Coupons ja irgendwo sinnvoll spenden. Pullern für den Weltfrieden.

Flohmarkt-Kreisläufe

Am Wochenende war fraumierau auf einem Flohmarkt und hat Dinge verkauft. Wenn ich es recht überlege, weiß ich gar nicht, was sie da eigentlich verkauft hat und ein wenig beunruhigt mich das. Zumal sie auf meinen Vorschlag, mit den Kindern nachzukommen, antwortete, dass ich wirklich auch gern auf einen Flohmarkt gehen könne – nur nicht auf diesen. Jetzt haben wir also offiziell weniger Sachen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn ein bisschen ist das schief gelaufen. Statt Flohmarkt bin ich mit den Kindern nämlich auf der Maker Faire gewesen – eine kinderfreundlichen Technikmesse. Statt sich dort die Roboter, Drohnen und 3D-Drucker anzusehen, fanden die Kinder den „postapokalyptischer Schmuck“-Stand am interessantesten. Er bestand eigentlich nur aus einem großen Berg Technik-Schrott und ein paar Heißklebepistolen. Also brachten wir als Ausgleich zum Flohmarkt-Ausverkauf selbst gebastelte Haargummi-Halter und CD-Hüllen-Handies mit, die jetzt nahtlos die Rolle als Staubfänger übernehmen. Ich glaube, die Kinder sorgen einfach nur für ein ausgeglichenes Feng Shui der Unordnung. Vielleicht schreibe ich ja dazu ein Buch. „Unordnung! 10 Regeln für ein nachhaltiges Chaos. Mit Upcycling-Tipps für alle Alterstufen“.

Notfall-Telefon

So, nachdem ich letzte Woche hier geschwächelt habe, konnte ich trotz Hitzeschlag diese Woche wieder bloggen. Weil „Schreiben ist besser als nicht schreiben“. Aber ihr könnt mich natürlich auf einen kühlen Cold Brew Coffee einladen (Paypal-Link), dann halte ich vielleicht auch nächste Woche wieder gut durch. Danke übrigens für Eure bisherigen Kaffees und die oft lustigen oder lieben Worte.

Diese Woche wird die nächste Folge des MKL-Podcasts erscheinen. Es geht um Essen und ich mag die Folge sehr. Sicher werde ich sie dann auch wieder im Newsletter ankündigen, für den Ihr Euch hier anmelden könnt.

p.s.: Solltet Ihr den wenigen Menschen gehören, die einen Facebook-Account haben, könnt Ihr diesem Blog auch direkt folgen oder meine Frühstücks-Geschichten auf Instagram lesen.

Kategorien: Montagspost

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Parteiloser Postprivatier.

8 Kommentare

Anne Lil · 29. Mai 2018 um 17:30

Ich bitte hiermit um einen Exkurs zum wissenschaftlichen Mangoschälen. Ein youtube-Video zum Thema habe ich bereits konsultiert, das hat mich allerdings ob des komplexen Vorgehens eher ratlos zurückgelassen. Ist das dann das Wissenschaftliche: jemand erklärt was und ich versteh nicht warum überhaupt und wieso? Muss ich jetzt meinem Sparschäler erklären, dass er fortan nicht mehr an die Mango darf? Sollte ich das Lesen jeglicher Antwort unter diesem Kommentar verweigern, um nicht weiter zur verwirren? Bin ich jetzt endgültig erwachsen, weil ich mich mit der Wisenschaft der Mangozubereitung beschäftige anstatt sie einfach wie weiterhin zu essen? Das sind dermaßen aufwühlende und existenzielle Fragen die hier beim Lesen und Kommentieren aufgeworfen werden – ich bin schon ganz verzweifelt…

    Pia · 1. Juni 2018 um 17:16

    Einfach mal einen Urlaub in ein Mango Land gönnen und den einheimischen Profis über die Schulter gucken 🙂

    Das füllt den Magen und beruhigt die Seele. Denke ich.

Doro · 29. Mai 2018 um 21:15

Mach es einfach wie ich. Lass es ein anderes Familienmitglied wissenschaftlich erforschen. Versuche danach ein einziges Mal, die Mango unwissenschaftlich zu schälen. Das nerdige andere Familienmitglied wird danach immer ganz schnell und bereitwillig die Mango schälen, wenn du auch nur in die Nähe der Mango mit einem Sparschäler oder Messer kommst.

Henrike · 31. Mai 2018 um 8:32

Kinderfreie Toiletten!?????
Wir haben DREI Stück im Haus. Aber alle Kinder müssen immer auf das eine, auf dem sich ein Elternteil zum surfen und entspannen verzogen hat!?‍♀️?

Félin · 5. Juni 2018 um 21:06

Man kann Sanifair-Bons übrigens wirklich spenden
http://www.dhhn.de/mitmachen/sanifair/

vierpluseins: Montagspost - Geborgen Wachsen · 30. Mai 2018 um 23:19

[…] Immer montags schreibt mein Mann über seine Sicht auf unseren Alltag. Diesmal darüber, wie sein Platz im Familienbett umstritten wurde, die Ressourcenverteilung in der Familie, Playdates und Flohmärkte. Wer ein wenig Humor in der Wochenmitte braucht, kann hier lesen. […]

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