Über Fremdscham im Legoland, endlich berühmt sein und ungefragte Glücks-Kometen

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Schokolade, unbeobachtet

Was ich da genau machen würde, fragt mich die Kollegin mit leicht irritiertem Unterton. Ich weiß nicht, wovon sie redet. Kurz halte ich inne und überlege, was ich gerade tue. Ich esse ein Stück Schokolade im Büro. Hmm. Weil ich nicht weiß, was ich antworten soll, schweige ich und esse weiter. Ob mir klar sei, dass hier keine Kinder rumliefen und ich die Schokolade auch wie ein erwachsener Mensch essen könne, setzt sie nach. Was will sie nur von mir? Ich müsse die Schokolade wirklich nicht heimlich direkt aus meiner Laptoptasche essen , und mich dabei immer schuldbewusst nach links und rechts umsehen, fährt sie fort. Oh mein Gott, sie hat Recht! Ich sitze wie ein Zombie am Schreibtisch, habe die Hände in die Laptoptasche vor mir vergraben und schiebe mir daraus heimlich mit gesenktem Kopf Schokolade in den Mund. So weit ist es gekommen. Ich lächle etwas gequält, schiebe die Tasche weg und vertage die Schokolade auf später. Vielleicht ungestört auf Toilette?

Fremdscham im Legoland

Ein bisschen peinlich berührt war ich schon von mir selbst. Dabei hatte ich erst am Abend zuvor meinen Fremdscham-Event des Jahres. Das Legoland hatte fraumierau und Kinder zur Ninjago-irgendwas-Eröffnung eingeladen. Etwas maulig bin ich als plus eins mitgegangen, weil BloggerInnen-Events sind in der Regel schwer zu ertragen. Meistens langweilen da sehr junge kinderlose PR-Menschen mit ganz viel Enthusiasmus entnervten Eltern mit um sie rumturnen Kindern mit nichtssagenden Marketing-Floskeln und alle warten drauf, dass es vorbei ist. Doch diesmal kam alles ganz anders! Man hatte nicht nur BloggerInnen plus Kinder eingeladen, sondern das ganz große PR-Fass aufgemacht und Prominente mit Kindern eingeladen. Huiui. Da war Promiflash natürlich auch am Start und ein Rudel Fotografen und überhaupt. Ich musste erstmal googeln, wer die Menschen denn so sind und erfuhr, dass es sich zum Beispiel um einen „deutscher Stimmungssänger und ehemaliger Schauspieler“ handelt. Ich denke, „ehemalig“ war überhaupt eine ganz gute Beschreibung von vielem.

Legoland Ninjago-Eröffnung aus Perspektive nicht prominenter Kinder

Jedenfalls wollten die Kinder dann auch mal endlich rumlaufen und sich das Lego angucken oder es gar anfassen, aber das fanden die Fotografen unmöglich, weil ja die Prominenten-Kinder erst gefilmt werden mussten. Als dann so ein verschwitzter Fotografentyp meine Kinder mit „Geht mal aus dem Weg hier, hier wird gearbeitet“ verscheuchte, wäre mir fast der Kragen geplatzt, aber leider konnte ich ihn in der Masse aus Fotografen-Hintern nicht mehr ausmachen.

Endlich prominent!

Immerhin bin ich jetzt auch endlich prominent, weil ICH WAR IM FERNSEHEN, ganz groß und in meiner Lieblingsrolle als „Vater sucht leicht entnervt seine Kinder in Scheiß Legoland und hofft, endlich gehen zu können“. Vielleicht gehe ich jetzt als „ehemaliger Nebendarsteller“ durch?

OMG ENDLICH BERÜHMT

Plazenta-Nachbarschaftshilfe

Und dann war da noch der Küchenumbau. fraumierau hatte beschlossen, dass die Küche jetzt unbedingt neu gemacht werden müsse, einen Entrümpelungsdienst beauftragt und plötzlich war die Küche leer. Also wirklich leer. Fußbodenbelag weg, Kühlschrank weg, Schrank weg, alles weg, was ging. Ich hatte mich noch zaghaft erkundigt, wie das denn so ohne Kühlschrank laufen werde, aber da gab es kein Problembewusstsein. Das würde sich dann schon ergeben, wenn die Zeit komme! Zumal die wirklich wichtigen Fragen vorab geklärt wurden, zum Beispiel der Verbleib der Plazenta. Wozu ist Nachbarschaftshilfe sonst gut?

Ich fiel kurz in Ohnmacht, als ich den Chat las, aber die Nachbarinnen fanden das eine ganz normale Frage. Offenbar bin ich hier der Exot im Haus. Immerhin: Einen Tag später wurde das Objekt endlich im Garten begraben – nachdem ich verzweifelt den gefroreren Boden aufgehackt habe, um jegliche „es muss nochmal ins Tiefkühlfach“-Versuche zu verhindern.

Schutz-Komet

Aber eigentlich war ich bei der Küche. Nach der Entrümpelung kam schon ein Maler, der am Wochenende die Tapete entfernen und die Wände malern sollte. Der Herr war sehr zugewandt, und betonte gleich, dass er eigentlich Bildhauer sei. Er meinte nach Wohnungsbegehung, es sei für ihn ok, dass wir so leben würden hier, er selber würde ja auch aus solchen Verhältnissen kommen. Ein paar schöne Möbel hätten wir ja! Ich weiß nicht, ob das jetzt nett war oder nicht und so ein leicht merkwürdiges Gefühl beschlich mich schon. Drei Tage später erklärt mir fraumierau, dass sie mir noch etwas sagen müsse. Also der Maler, er sei ja auch Künstler, habe bei der Abnahme dann erzählt, dass er nicht nur die Küche renoviert habe, sondern sich auch etwas ganz Besonderes hat einfallen lassen: Er habe einen dreidimensionalen Schutz-Kometen aus Spachtelmasse die Wand geformt!

Komet, glücksbringend, ungefragt, Spachtelmasse auf frisch renovierter Küchenwand, unbekannter Maler, Berlin 2018

Dieser würde ab jetzt über unsere Familie wachen. Er habe jetzt mal drauf verzichtet, seine Signatur daneben zu setzen, aber freue sich, uns damit unterstützen zu können. Die Kinder finden es toll. Ich sehe da eher ein Spermium, das von der Decke tropft. Auf meine Nachfrage, ob sie den Maler wirklich über MyHammer und nicht über AstroTV gebucht habe, bekam ich keine richtige Antwort. Ich vermute ja, dass leicht irren HandwerkerInnen mit Hang zur Esoterik auf MyHammer jetzt immer Familie Mierau vorgeschlagen wird. Jedenfalls brauchen wir jetzt einen Maler, der dieses Ding da oben entfernt. Oder eine gute Idee, wie man es versteckt. Ich würde ja auch behaupten, dass ein Komet, der so nach unten zeigt, eher ein verglühender Meteroit ist, aber mich fragt ja hier niemand. Glück auf!

So, das wars für heute, weil fraumierau ist mitten in der Nacht arbeiten bei irgendeiner Lesung (DANKE, EMANZIPATION!) und ich tippe hier leicht frustriert mit Babysohn auf mir drauf. Keine Ahnung, wie sie in dieser Haltung drei Bücher schreiben konnte.

verpixelter mittelalter Herr mit süßem Babysohn und Augenringen

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Letztens war jemand überrascht, meine Stimme im MKL-Podcast zu hören. Dabei habe ich schon mehrere Jahre den Leitmotiv-Podcast. Gerade ist eine neue Folge mit der Essensfotografin Claudia Gödgke erschienen.

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Kategorien: Montagspost

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9 Kommentare

Klara · 27. März 2018 um 9:39

Ich habe jetzt mal ne Frage und ich meine sie durchaus ernst: Warum? Warum gefriert man die Plazenta ein? Oder vergräbt sie im Garten? Ich habe auch Kinder zuhause geboren und ich habe mir die Plazentas (Plazenten? Plazentae?) mit großem Interesse angesehen. Tolle Dinger, wirklich. Aber warum gefriert man die ein oder verbuddelt sie? Ich habe kein Problem damit, wenn das jemand macht, ich verstehe es nur einfach nicht und habe langsam den Verdacht, dass all die Plazenta-Einfrierer und Plazenta-Verbuddler irgendwas wissen, das ich nicht weiß. Kann mich das Internet bitte aufklären? Danke.

    Kupe · 27. März 2018 um 12:31

    Also bei mir meinte man im Geburtshaus die dort nicht entsorgen zu dürfen. Da haben wir sie eben mitgenommen. Und wollten sie dann irgendwo nett begraben, so unter nem Baum oder so. Weil im Hausmüll entsorgen is ja auch nicht so erwünscht (hätten wir mal machen sollen. Inzwischen sind da zwei Plazenten im Frostfach und wir haben immer noch keinen Garten)

    Kathi · 28. März 2018 um 5:09

    Wir haben auch noch zwei im Kühlfach liegen, wollen sie eigentlich irgendwann bei uns Oma im Garten verbuddeln. Oma kommt leider immer nicht dazu sich einen passenden Baum und den Ort auszusuchen. Also ist da nun eine Plazenta seit 3 Jahren und eine seit 3 Monaten im Fach. Da hätte ich auch gleich noch eine Frage ab Vater Mierau. Kennt deine Frau vielleicht jemanden der Organische Dinge konserviert? So in Kunstharz z.b.? ( nu wird im bestimmt blümerant ) Kind zwei hatte nämlich in der Nabelschnur einen Echten Nabelschnurknoten. Ich würde das Stück gerne z.b. in Kunstharz gießen lassen ( ich hoffe er atmet jetzt noch ). Nur hab ich da bisher noch niemand passenden gefunden. Vielleicht hat ja deine Frau eine Idee.

      Pia · 28. März 2018 um 5:54

      Diese Antwort ist (fast) noch lustiger als der Blogeintrag! Man stelle sich den plus eins vor, der endlich „seine“ Plazenta loswurde und nun internetweit Tipps zur Konservierung selbiger Stücke geben darf.
      Ps: „blümerant“ scheint auf dem Vormarsch 🙂
      Pps: viel Erfolg mit der Knotensache, ein bisschen neugierig auf den Fortgang der Sache bin ich schon.

NochEinGlasWein · 27. März 2018 um 11:15

„dreidimensionaler Schutz-Kometen aus Spachtelmasse“ – ich krieg mich nicht mehr ein vor lachen, Und auch hier die Frage – das denkst Du Dir doch aus, das gibt es nicht in echt?

    Britta Mügele · 28. März 2018 um 13:08

    hey NochEinGlasWein,

    ich glaube auch manchmal das es so was in Echt nicht gibt aber ist auch egal Hauptsache es ist lustig und passt irgend wie in den Blog.
    Und mit Küchenumbauen war doch schon mal was vor ein paar Wochen? ;))

    Trotzdem wie immer so lustig das es langsam keine Steigerung mehr gib,
    oder doch warten wir mal ab was nächste Woche so passiert! LG aus Hannover

*** · 27. März 2018 um 22:34

Könnten wir unsere Plazenta auch bei euch im Garten vergraben? Unsere liegt seit drei (!) Jahren im Gefrierschrank und langsam funktioniert die Aufschieberitis nicht mehr..das ist jetzt mein Schämmoment :-/
Zu unserer Verteidigung: wir haben keinen Garten.

Tanja · 28. März 2018 um 1:29

Hmm, wir haben einen zwar Garten, aber dank Hausgeburt im eiskalten Januar 2017, verschwand die Plazenta auch in der Tiefkühltruhe – um dort vergessen vor sich hin zu warten. Kurz vor Weihnachten hatte ich sie wieder entdeckt, als ich eine Beinscheibe für Rindfleischsuppe auftauchen wollte ….
Danke für die Erinnerung, inzwischen ist es ja warm genug zum Verbuddeln.

Bianca · 29. März 2018 um 17:25

Und Ihr seid Euch sicher, dass sich unter dem Kometen keine Wanze versteckt? ?

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