Über peinliche Zweiwortsätze, veganes Benzin, Kehlmann-Fanpost, Ölpapier, Kerzenziehen und Kuhflecken-Bart

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Schuhe verstecken

»Oh nein!«. Sie drückt im Taxi fest meine Hand und versetzt mich in Alarmbereitschaft. Ich erwarte Schlimmes. Was denn los sei? Na, ob ich nicht wisse, dass wir jetzt in ein veganes Restaurant fahren und mir nicht auch aufgefallen sei, dass die Kinder Lederschuhe anhätten! Nein, das sei mir nicht aufgefallen, erwidere ich und dass ich auch nicht wusste, dass man dort offenbar seine Schuhe essen müsse. Sie findet, ich sei blöd und würde den Ernst der Lage nicht erkennen. Im Restaurant mussten wir aber tatsächlich nicht unsere Schuhe essen und ich glaube, das ein oder andere Kleidungsstück der Belegschaft ist auch schon mal an einem Schaf vorbeigegangen.

Zweiwortsätze

Das Essen war traumhaft. Mit Unterbrechungen. Als ich von der Toilette zurückkomme, werde ich freudig von der Familie empfangen mit der Mitteilung, dass der Babysohn jetzt Zweiwortsätze könne. Ich solle mal drauf achten, er hätte die ganze Zeit während ich weg war gesprochen. „PAPA KAKA!“ schallt es durchs Restaurant. fraumierau guckt ganz verliebt, die Kinder kichern und ich möchte kurz sterben. Als ich kurze Zeit später etwas über Polaroid-Kameras erzähle, flippen die Kinder aus, weil sie natürlich Puller-oid verstehen, es den Rest des Abends lautstark wiederholen und ich will gar nicht wissen, was sie sich dadrunter vorgestellt haben. Aber den Stress kann ich gleich weitergeben, weil die Kellnerin kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht, als ich ihr nach mittlerweile anderthalb Stunden und drei von sechs Gängen mitteile, dass wir dann jetzt doch auch langsam wieder losmüssten, weil die Kinder und der Schlaf und das Taxi käme doch auch und sie würde schon wissen.

Früher gehen

Mit drei Kindern tendiert die Kompromissbereitschaft was soziale Gepflogenheiten angeht ja gegen Null und Abbrechen ist besser als entnervt mit müden Kindern im Restaurant zu sitzen. Bis man an dieser Stelle angekommen ist, muss man natürlich oft genug versucht haben, so zu tun, als hätte man keine Kinder, um dann irgend eine soziale Verpflichtung zu erfüllen und am Ende einen verkackten Abend für alle Beteiligten hingelegt zu haben. Dieser Abend jedenfalls sollte da aufhören, wo er am schönsten ist. Die auf-dem-Boden-Rollen-Intervalle wurden langsam kürzer und es war Zeit, aufzubrechen. Ein Menü zu unterbrechen ging jedenfalls über die Vorstellungskraft der wirklich freundlichen Kellnerin, deren Gesicht kurz entgleiste und die schockiert fünf mal nachfragte, ob wirklich alles in Ordnung gewesen sei. Ja, sagte ich, alles gut und unsere Schuhe hätten wir ja auch behalten können.

Veganes Benzin

Auf der Rückfahrt philosophierten die Kinder, ob Benzin denn nun eigentlich vegan sei. Der Taxifahrer brummte erst „Klar!“, dann „Moment…“ und dann „keine Ahnung…“ und das gibt auch ungefähr meinen Gedankengang wieder. Mein Versuch, die Gelegenheit nutzend über fossile Brennstoffe zu dozieren führte zu sofortigem Einschlafen aller drei Kinder. Irgendwann möchte ich sie mal „Hefte raus, Klassenarbeit!“ wecken.

Fanpost

Nachdem die Kinder schlafen, haben wenigstens fraumierau und ich Zeit für einen Plausch. Ich hätte beschlossen, noch einmal Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ zu lesen, erzähle ich ihr. Ach, das sei ja schön. Das erinnere sie daran, wie sie Daniel Kehlmann einen Brief geschrieben habe damals. Wie jetzt, einen Brief, will ich wissen. Na, ob ich mich nicht mehr daran erinnern würde? Nach der Geburt eines Kindes habe sie Kehlmann einen Brief geschrieben mit einem kleinen Geburtsbericht und sich bedankt, weil wir doch unter den Wehen einen seiner Romane vorgelesen hätten und das hätte ja auch zur Namenswahl des Kindes geführt. Ich stelle mir kurz vor, wie Daniel Kehlmann unbedarft seine Fanpost öffnet und einen Geburtsbericht von fraumierau in den Händen hält und auch nicht richtig weiß, wohin damit. Herr Kehlmann, nicht zu antworten war wirklich in Ordnung. Wir tun einfach so, als wäre das nie passiert, ja? Aber danke für den Namen!

Ölpapier

Als wir ein paar Tage später endlich wieder in unserem kleinen Landhaus sitzen, fällt der Stress ab und wir machen wieder ein schönes Wochenendfrühstück. Während ich mit mir selbst diskutiere ob nun Mozzarella oder doch Camembert besser zur politischen Frühstückslage passen, merke ich, wie etwas auf mich tropft. Öl. Mein Arm ist voller Öl-Tropfen. Ich frage, was das denn nun solle. Na, ich solle mal nach oben sehen. Da hänge eben Ölpapier und wenn man da drunter sitzen würde, bekäme man natürlich Öltropfen ab. Aber warum genau über meinem Platz Ölpapier aufgehängt wurde und was das überhaupt sein solle, konnte mir niemand mangels Problembewusstsein beantworten. Das wäre eben die Aufhängstelle und ich könne das Öl doch verreiben auf der Haut. Würde mir eh mal ganz gut tun in meinem Alter.

Das ist wohl Ölpapier.

Abschminken

Dabei hatte fraumierau morgens selber noch verwundert festgestellt, wie unheimlich gut ihre Haut zur Zeit aussehe. Mit leichtem Lächeln blickte sie beim Zähneputzen in den Spiegel, bis die Mundwinkel sich wieder senkten und sie bemerkte, dass sie einfach nur vergessen hatte, sich abzuschminken. Ich weiß dann immer nicht, ob „ich liebe Dich so wie Du bist“ genau das Richtige oder Falsche ist. Kichern jedenfalls ist nicht gut, das kann ich jetzt festhalten.

Kuhflecken-Bart

Aber sie nutzt die Gelegenheit, um über meinen Bart zu reden. Der sei ja jetzt schon ein wenig ergraut und also… sie wisse nicht, wie sie das anders ausdrücken solle … aber das sähe jetzt schon aus wie so Kuhflecken. Ja, bei mir renne sie da offene Türen ein, ich trüge die paar Stoppeln ja eh nur auf ihren Wunsch. Von mir aus könne es auch ab. Nein nein, es sei schon okay, nur also etwas weniger strunkig, das wäre famos. Zufrieden kürze ich auf vier Millimeter und stelle fest, dass wenn Bart und Augenbrauen sich weiter geografisch so annähern bald mein ganzes Gesicht bedeckt ist. Einmal hab ich mich richtig rasiert, da haben die Kinder geweint, weil so Gesichtsveränderungen finden sie ja nicht so toll. Also Bart auch nicht, aber ohne auch nicht.

Kerzenziehen

Als wir uns später für die Rückfahrt vorbereiten und fraumierau betont, wie eilig wir es hätten, war sie plötzlich verschwunden. Nach zehn Minuten lief sie seelenruhig durch die Bildfläche und fragte, ob wir denn wüssten, wo die Kiste mit dem Bienenwachs sei. Nein, das wüssten wir nicht und ob das denn wichtig sei, weil wir hätten es doch eilig? Natürlich sei das wichtig. Schließlich müsste sie Kerzen ziehen. Ob ich mal das Wetter gesehen hätte? Es sei doch wohl klar, dass man da Kerzen ziehen müsse? Mich macht ja schon der Begriff „Kerzen ziehen“ psychisch leicht fertigt. Und dieses ganze Rumgekleckere mit Wachs und dieser aufdringliche Bienenwachsgeruch. Ich glaube, dieses Weihnachten kaufe ich heimlich weiße giftige Parafin-Kerzen und freue mich an ihrer geradliniegen Schönheit und der Geruch- und Farblosigkeit. Oh, wird das schön.

Neu in ihre Woche – seine Woche.

 

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Kategorien: Montagspost

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Parteiloser Postprivatier.

1 Kommentar

sofakante · 13. Oktober 2017 um 14:51

Also mein liebster peinlicher Zweiwortsatz der letzten Woche kam von der Zweijährigen, die eigentlich schon mehr Wörter aneinanderreihen kann:
Morgens in der U-Bahn, davor haben wir gefrühstückt und davor waren wir alle zusammen im Badezimmer und haben abwechselnd geduscht und Zähne geputzt und so.
Die Zweijährige hat also mitten in der U-Bahn zwei Stunden später laut gefragt: Papa Penis?
Ja. Papa hat einen Penis. So ist das.

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