Über Therapiehunde, Benzingelderpressung und Spielzwang mit Gleichaltrigen

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Therapiehund

Die neue Nachbarin von gegenüber hätte erzählt, dass sie einen Therapiehund ausbilden wolle. Und sie meint, der müsse ja dann auch gut mit Kindern und so. Und ob unsere Kinder nicht dann immer ein wenig mit dem Therapiehund spielen wollen? Das sei doch sehr nett von ihr! Ja, das würde schon gut klingen, antworte ich, aber ob sie denn mal überlegt habe, dass die Nachbarin vielleicht der Meinung sei, unsere Kinder bräuchten einen Therapiehund? Wie ich das denn meine, fragt sie. Na, ich meine gar nichts, aber vielleicht sollen die Kinder ja nicht dem Therapiehund beibringen, dass sie Kinder sind, sondern der Therapiehund ist ein heimliches Hausprojekt für mehr Ruhe? Immerhin ist der Nachbar unter uns ja unter Protest ausgezogen, nachdem er uns einen Teppich für Schallschutz kaufen wollte, und die Pömpelfrau hat kommentarlos ihre Nebenrolle quittiert und ward nimmer gesehen. Ich solle nicht immer alles so negativ sehen, das sei ihre Aufgabe. Aber jetzt, da ich es sage…

Benzingelderpressung

Dabei hatte ich letztens doch erst die Idee, dass wir uns das Benzingeld für die Fahrten ins Landhaus einfach von den NachbarInnen geben lassen. „Guten Tag, wollen Sie am Wochenende ausschlafen? Mit 20 Euro sind Sie dabei!“. Vielleicht auch direkt die Kinder unter uns klingeln und fragen lassen. Ich denke, das ist win-win und vielleicht kann man das ja auf die Betriebskosten umlegen lassen oder so. „Wohnung in Berlin – mit Wochenendruhe für nur 100 Euro extra im Monat“. Meine Gesetzesinitiative, Menschen mit Kindern die Wohnungen weiter unten zu geben, wurde ja leider immer noch nicht berücksichtigt. Stattdessen leben Familien in der Regel aus Kostengründen meistens in den preiswerteren Wohnungen weiter oben, schleppen die Scheiß Einkäufe für hundert Personen nach oben und alle drunter sind genervt von der Lautstärke. Stadtlogik.

Mehr Badezimmer

Eigentlich wünsche ich mir einen Familien-Wohnberechtigungsschein für Wohnungen mit drei Bädern. Ich bin hier nämlich Zahnputzbeauftragter. Das sei so ein Quality-Time Vater-Kinder-Ding, wurde mir erklärt. Ritual in der Theorie: Nach dem Abendessen gehen die beiden großen Kinder ihre Namen tanzend ins Bad, putzen sich die Zähne vor und ich putze ganz achtsam nach. Praxis: „So, geht Ihr dann bitte Zähne putzen?“… „Habt Ihr mich gehört?“ … „Geht Ihr jetzt bitte Zähne putzen?“. Kinder können ja erstaunlich langsam laufen. „Ja Papa, ich gehe doch, siehst Du ja“. Schritt für Schritt. Das erste Kind im Bad muss dann immer die Tür von innen verriegeln. Weil es eben zuerst da ist. Dann gibt es eine Diskussion zwischen den Kindern, wer nun warum wann ins Bad kann. Die Diskussion ist laut genug, dass ich mir sicher bin, dass mittlerweile auch die NachbarInnen eine Meinung dazu haben. Irgendwann haben dann beide Kinder die Zahnbürste im Mund. Die Zahnpasta landet proforma eigentlich immer direkt im Waschbecken. Auf die Frage, warum denn keine Zahnpasta auf der Bürste sei, kommt die lapidare aber korrekte Antwort, dass die eben im Waschbecken sei, könne ich ja wohl sehen. Und dann kommt jetzt auch noch der Babysohn mit beginnender Trotzphase und braucht ebenfalls die Zähne geputzt. Nach dieser Aktion zwei Mal täglich nimmt im Arbeitsleben ja wirklich alles gelassen. Wahrscheinlich war ich deswegen letztes Jahr kaum aus der Fassung zu bringen, als die Firma, in der ich arbeitete, von heute auf Morgen schloss. Macht nix, dachte ich, Hauptsache ich muss hier nicht allen die Zähne putzen!

… oder mehr Toiletten?

Aber wenn ich es mir genau überlege, sind mehrere Badezimmer wahrscheinlich doch nicht so praktisch. Letztlich hängen ja doch immer alle möglichst gleichzeitig im selben Raum. Dann doch eher:

Mein Quietscheentchen

Mit Toiletten haben wir im Moment eigentlich nur das Problem, dass der Babysohn etwas aufdringlich wird, wenn man auf der Toilette sitzt und mit aller Gewalt versucht, eine Quietscheente an einem vorbei (da so hinten an der Ritze, ihr wisst schon) ins Klo zu stopfen. Das ist doppelt schlimm, weil es nicht irgendeine Quietscheente ist. Es ist meine! Die begleitet mich ja nun schon seit fast vierzig Jahren. Leider wird sie hier etwas stiefmütterlich (Da fällt mir auf, wie unfair das Wort gegenüber Stiefmüttern ist. Werde ich nicht mehr nehmen) behandelt, weil sie, nunja, etwas speziell aussieht. Eher so ein wenig, als hätte sie damals in der DDR nicht genug Essen bekommen oder wäre mit einer Alieninvasion eingeschleppt worden. Und dann muss ich mir regelmäßig Vorträge anhören, dass die Ente ja wohl sicher von innen ganz versifft sei. Ich verteidige sie jedenfalls und ihr wird nichts geschehen. DIE ENTE BLEIBT. Ich hoffe, dass ich nach der aktuellen Babysohn-Toilettenphase dann alle Angriffe überstanden habe und mich endlich mit der Ente auf einer einsamen Insel zur Ruhe setzen kann.

Bei meinem Quietscheentchen verstehe ich keinen Spaß.

Gleichaltrige

Doch zurück zu Familienwohnungen. Ist ja jedenfalls nicht so, dass dann wenigstens immer Familien zusammen leben und die Kinder gemeinsam spielen. Weil, das müssen Kinder natürlich: gemeinsam spielen. Ich freue mich ja immer, wenn ich irgendwo mit den Kindern bin und sie dann von irgendjemand bedeutungsschwanger drauf hingewiesen werden, dass da noch andere Kinder sind. Ja, Potzblitz! Ich sag dann auch gern „Du, da sitzen ein paar Leute Mitte Dreißig am Nebentisch, Mensch, wollt Ihr nicht was zusammen machen? Setz Dich doch einfach dazu! Oder spielt doch Verstecken!“. Während ich das tippe, fällt mir auf: Verdammt, das kenne ich doch. Wenn fraumierau sich mit irgend einer Bekannten trifft und mich fragt, ob ich mitkomme, und meint, da käme ja auch der Mann mit. Ach was! Da können wir ja gleich gemeinsam über Penisse sprechen. Ist ja auch eine Gesprächsgrundlage. Und, Du, wie läuft es so mit Deinem Penis? Ach ja… Danke, und Deiner? Ich fand jedenfalls schon als Kind andere Kinder blöd, Klassenfahrten habe ich vermieden, so gut es ging und wenn ich heute jemand aus der Schule auf der Straße treffe, wechsle ich schnell die Straßenseite. Ging nur letztens nicht, als ich in meiner alten Schule eine Abizeugniskopie abholen musste und der immernoch-Direktor meinte, „Na Caspar, ganz schön zugelegt, wa?“. Ja, du Trockenpflaume. Versauer doch in deinem hässlichen neonbeleuchteten Büro. Dinge, die ich denke, aber nicht sage. Statt dessen lächle ich, scherze kurz und dann meinen immer alle, ich sei nett.

Eltern-Fernbedienung

Ich muss aber noch etwas Ernstes besprechen. Es gibt hier derzeit eine kleine Autoritätsverschiebung. (Achtung: Unerzogen-AnhängerInnen dürfen hier nicht kommentieren, digitales Hausrecht, ha!). Folgende Situation: Der Babysohn will Salzstangen. Keine Angst, unsere Kinder bekommen natürlich nur die ekligen Sesamstangen und am besten aus Vollkorn, weil sonst bestimmt Krankenhaus. Aber jedenfalls will der Babysohn welche haben, geht zu mir und sagte „Stange!“. Ich: „Nein… morgen wieder“. Er geht zu fraumierau und wiederholt „Stange?!“. Sie bleibt hart. „Nein.“ Er legt den Kopf schief, spricht eine Etage höher, macht die Kulleraugen auf und sagt „Bitte… Stange“. Und da sehe ich, wie fraumierau wie ein Eisbecher in der Sommersonne dahinschmilzt, mich ansieht und sagt „Er hat Bitte gesagt“. Dabei bebt ihre Unterlippe leicht, ihre Augen werden feucht, sie hat diesen verklärten Blick und ich höre Hormone durch den Raum schwirren. Das wars dann auch. Ich halte mich da raus, don’t get between Hormone und Kind. Der Babysohn hat seine Stangen bekommen. Dann sind sie wenigstens weg. Und ich weiß jetzt, wie man fraumierau fernsteuert. Auch gut. Vielleicht gehe ich ja mal zur Supernanny und frage sie nach Tipps. Wobei, die hat ja umgeschult und ist jetzt auch total attached. Go with the Flow.

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Kategorien: Montagspost

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15 Kommentare

Lischen · 9. Januar 2018 um 1:26

Als ich den Sohn heute darauf hinwies, dass er, wenn er Hunger habe, doch erstmal sein Gemüse essen solle, dann bekäme er noch eine Wurst – da brachte er die Wortneuschöpfung ‚Wursthunger‘ ins Spiel und das funktionierte noch besser als Bitte…

Nadine · 9. Januar 2018 um 9:15

Seid wann sind die Wohnungen weiter oben den günstiger? Bei meiner Freundin in Neukölln sind die Wohnungen weiter oben teuerer, weil heller und beliebter… Aber max. 5 Stock…
Wir hatten bisher immer super nette Nachbarn, die sich kein bisschen über den Sohn beschwert haben, aber in einer Wohnung in der wir als Ehepaar ohne Kinder gelebt haben, hatten wir eine Nachbarin, die ständig mit dem Besenstiel an die Decke geklopft hat. Wenn ich Möhren geschnitten habe, nach 18 Uhr gestaubsaugt, wir gelacht haben (!)… Leute gibt es…

susi · 9. Januar 2018 um 9:35

Das denke ich bei der supernanny auch immer, früher die stille Treppe predigen und heute AP… so verkaufen sich die Bücher wohl besser, finde ich aber total unglaubwürdig.

Schokominza · 9. Januar 2018 um 10:03

Die Studentinnen unter uns fragten an, ob wir am Wochenende morgens etwas ruhiger sein könnten.^^ Meine Kids sind schon 4,5 und 3 Jahre alt – Das funktionierte eigentlich ganz gut. Klar, von 6 Uhr bis 10 Uhr ist eine lange Zeit, um nur ruhig zu spielen, aber es war umsetzbar. Inzwischen wohnen wir woanders, im Erdgeschoss, aber das ruhige Spielen am Wochenende ist noch beibehalten und eigentlich ganz angenehm 😀

Patti · 9. Januar 2018 um 10:05

Danke! Du hast mal wieder voll den Nerv getroffen und gleichtzeitig neue Perspektiven gezeigt. Witzig war es sowieso wieder. Total.

    Ludmilla · 15. Januar 2018 um 9:46

    Das gibts in „unserem“ Berliner Einkaufszentrum auch und ist total klasse! 2 Toiletten, ein Wickeltisch, Waschbecken mit Fußtritt, nett bemalte Wände und der Raum ist so groß, dass sogar der Kinderwagen noch bequem mit reinpasst.

Elisabeth · 9. Januar 2018 um 21:41

?
Ich fühle mich ertappt!
Unser kleiner Schatz ist 2 Wochen älter als Euer Babysohn. Mehr brauche ich dazu wohl nicht sagen. ?
Liebe Grüße, Elisabeth

Sabine Zupan · 9. Januar 2018 um 22:44

???
Danke danke danke!

Sarah Maier · 9. Januar 2018 um 23:13

Großartig! Highlight in meiner Bloglesewelt.

Elise · 11. Januar 2018 um 10:19

„Guck mal, da sind doch andere Kinder!“ – Der nervigste Satz meiner Kindheit und heute hasse ich es, wenn andere ihn zu meiner Tochter sagen und dann mit völligem Unverständnis reagieren, wenn sie lieber bei mir bleiben will… Oh Mann!

Danke für Deinen tollen Blog!

manu · 11. Januar 2018 um 21:08

Ich lach mich schlapp ?? danke! Geniale Randbemerkung mit Frau Saalfrank ?

Susanne · 13. Januar 2018 um 11:21

Eine Lesung, wie geil ist das denn bitte? (Ja, ich verfüge über Newsletter-Wissen). Leider so weit weg. Aber da das sicher ein Kracher wird, gibt es bestimmt noch weitere 😉
Und dann noch die Empfehlung, zu den Tickets eine Geschenkverpackung mit Schmetterlingen zu kaufen 😀
Liebe Grüße Susanne

Daniela · 14. Januar 2018 um 13:24

Heute ist Sonntag und ich freu mich schon auf Montag 🙂

Fabian · 21. Januar 2018 um 13:03

Sollte die Ente jemals weichen müssen: Ich nehme sie gerne in Verwahrung. Die ist ja mal mega-süß 🙂

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