Über Singnüsse und Trotzphase Nummer 3

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Keine Bewegung!

Endlich Urlaub. Man liegt so morgens im Bett, öffnet leicht die Augen, schließt sie wieder, dreht sich auf die Seite. Im Wohnzimmer hört man die Kinder. Wie schön, denkt man, sie sind leise aufgestanden und spielen miteinander. Es ist so gut, wenn die Kinder sich liebevoll miteinander beschäftigen. Bestimmt bauen sie mit ihren Steinen. Ich beschließe, heimlich weiterzuschlafen. »KEINE BEWEGUNG! … AUCH NICHT MIT DEN AUGEN!«, brüllt es aus dem Zimmer. Ok, vielleicht doch Zeit aufzustehen. Halb sieben ist ja auch genug an Heiligabend. Zeit fürs Frühstück!

 

Brötchengate

Der Babysohn sitzt auf meinem Schoß und zeigt Richtung essen. Ein Brötchen hätte er gern, vermute ich. Wir machen ja noch so Hand-Mund-Fuß-Kommunikation. »Butter, Butter«. Ich halbiere ein Brötchen und beschmiere es mit Butter. »Neinnein!«. Seine Stirn legt sich in dunkle Falten (Spike aus Buffy, kennt Ihr noch, oder?). Ich frage nach, dass er doch Butter aufs Brötchen haben wollte. »NEIN!«. Eine Babyfaust landet auf dem Tisch. Ich nehme das Brötchen weg. NEIN! Ich schiebe es wieder zurück. NEIN! Ich bin irritiert und lege ein anderes Brötchen hin. NEIN! Es wird einmal tief Luft geholt und es folgt eine viertelstündige Belehrung durch den Babysohn, dass das ja wohl so alles nicht gehe!

Trotzphase Nummer 3, und alle so: yeah

Ich habe soeben komplett elterlich versagt. Warum, ist mir nicht klar. Ich glaube, dem Babysohn auch nicht ganz, aber hier geht es schließlich nicht um Fakten. Tschja, das sei ja prima, dass der Sohn dann ausgerechnet an Heiligabend in die Trotzphase komme, gibt fraumierau zu Protokoll. Trotzphase, Trotzphase, krame ich in meinem Gehirn. Ist ja nicht das erste Kind. Wenn ich mich nicht beeile, sagt sie bestimmt gleich wieder, ich solle doch ihr Buch lesen. Ok, ich hab es: Trotzphase – Diagnose: Das Kind will selber bestimmen. Symptome: Rumnörgeln und permanentes Ausflippen. Behandlung: Nicht reinfummeln, nicht gegen den Willen bestimmen, verständnisvoll sein und vor allem nichts falsch machen. BUTTER BUTTER ruft es wieder. Ich schiebe die Butter rüber. Erneutes Ausflippen. Ob ich nicht wisse, dass Butter Brötchen bedeute – oder Butter – je nachdem, fragt fraumierau. BABY, jetzt will er Baby. Ich schaue hilflos auf dem Tisch umher. Bevor es zum erneuten Unglück kommt, löst die Tochter das Rätsel: Er wolle den Löffel mit dem Bild drauf, den „Babylöffel“. Ich vermute, die nächsten drei Jahre werden eher durchwachsen.

Advent, Advent, ein Kränzlein brennt

Immerhin beruhigt sich die Lage wieder. Der große Sohn fragt, ob er den Adventskranz anzünden könne. Es sei ja schließlich vierter Advent. Aber gern doch, ringe ich mich durch. Ist ja gut, wenn Kinder lernen, mit Feuer umzugehen. Aber er solle die Kerzen anzünden, nicht den Kranz, das sei ja sonst das Falsche, scherze ich. Die Kinder rollen mit den Augen. Der Sohn nimmt einen langen Kaminstreichholz aus der Schachtel und versucht vorsichtig, ihn zu entzünden. Nach dem dritten Fehlversuch raten wir ihm, doch einfach etwas weiter vorn anzufassen und die Hand schneller zu bewegen. Zisch, es klappt, der Sohn reißt die Augen weit auf und wirft das brennende Holz weit von sich – direkt in den furztrockenen Adventskranz. fraumierau pustet sich die Seele aus dem Leib und verhindert Schlimmeres. Ja, da habe er sich dann jetzt doch schon mal erschrocken, erklärt der Sohn. Während wir ihn beruhigen, schnappt sich der Babysohn einen Streichholz und macht an der Schachtel die richtige Bewegung nach. Hausbrand oder Trotzanfall, was mache ich jetzt? Ich lenke ihn schnell mit dem „Guck mal, da draußen ist ein Hund“-Trick ab. Situation gerettet, aber das ist hier alles nur ein Spiel auf Zeit.

Überraschung!

Der Heiligabend verläuft dennoch deutlich unspektakulärer als letztes Jahr. Und das ist auch nicht ganz schlecht. Für fraumierau war es sowieso wenig überraschend, denn sie wusste mal wieder vorher, was sie bekommt. Als ich letzte Woche im Büro war, chattete sie mich an und fragte, ob ich ihr eine Schmuckschatulle schenken wolle. Ich fragte, ob sie mal wieder die Kinder verhört hätte. Wäre ja nicht das erste Mal. (Als sie mir irgendwann erzählte, dass der BND sie mal als verdeckte Ermittlerin in der Punkszene anwerben wollte, war ich ja nicht wirklich überrascht). Nein, auf dem Paket, das gerade ankam, stünde groß und breit drauf, was drin sei. Ah, das war die Firma, auf deren Anrufbeantworter es hieß, sie seien noch im Sommerurlaub. Hätte ich selbst drauf kommen können, dass die das verpeilen. Immerhin hat fraumierau also nicht wieder den Absender gegoogelt, das Paket gewogen oder ausgefeilte Fragetechniken angewendet. Und es hat auch kein Versender bei Ihr angerufen und sich beschwert, dass ich die Rechnung noch nicht bezahlt hätte. Das war mal die verkackteste Überraschung überhaupt. Aber nein: Eigentlich war es lustig diesmal.

Singnuss

Jedenfalls ist Bescherung und als neue Regel mussten alle singen oder ein Gedicht vortragen. Als ich dran war, wollte ich „Maria durch den Dornwald ging“ zum Besten geben. Das kann ich fast in nicht schief singen. Alle drei Strophen! (Ja, es gibt auch eine Fassung mit sechs Strophen, Ihr Besserwisser. Die zählt aber nicht), Nein, ich müsse eine Singnuss nehmen. Was denn bitte eine Singnuss sei, frage ich. Mir wird eine Walnuss vom Weihnachtsbaum gereicht. Ich muss ein Band herausziehen, auf dem ein Liedtext steht. Oh Du Fröhliche. Scheiß Singnuss, denke ich. Das ist jetzt Singstar zu Weihnachten oder was. Ich quietsche einen Halbton daneben das Lied vor mich und erkläre, dass sei jetzt eine Oktave zu viel für mich. Der Rest findet es lustig. Immerhin.

Eine Singnuss. fraumierau behauptet, ich hätte das Wort erfunden, stimmt aber nicht

Handschuhe

Ich bekomme schöne Frühstückszutaten zum Leidwesen der Kinder. Den mit Granatapfelblütenstaub bestreuten Obstteller werden sie am nächsten Morgen nicht anrühren, weil er zu sehr nach Paprikapulver aussieht. Und Kornblumen essen sie nicht, weil was das Kind nicht kennt, wird auch nicht probiert. So. Aber sonst haben die Kinder von den Geschenken gute Laune. Besonders der große Sohn, der nach einer Werkzeugbank nun endlich einen Werkzeugkasten bekommen hat. Er packt Schnitzwerkzeug und Messer aus und doziert, dass er jetzt auch Sicherheitshandschuhe habe. Fünf Minuten später müssen wir die erste Blutung stillen. Mit dem Messer abgerutscht. Warum er denn die Handschuhe nicht trage, frage ich? Ach, er wolle einfach nicht. Zehn Minuten später wird das zweite Pflaster fällig. Wir beschließen gemeinsam, das mit den Messern vielleicht doch einfach auf Morgen zu verschieben.

An der Werkbank ist vor dem Verbandskasten

Familiengeheimnisse

Am ersten Weihnachtsfeiertag war all das vergessen. Und fraumierau hat Klöße gemacht. Zum ersten Mal in zehn Jahren Ehe! So richtig selber. Wir waren alle im Himmel, ich versichere in einem schwachen Kloß-Moment, sie nochmal heiraten zu wollen. Doch dann machte ich den Fehler, sie nach dem Rezept zu fragen. Sie sah mich ernst an, schüttelte den Kopf und meinte, das sei eine Familiengeheinmis! Heißt das, das Rezept gibt es erst nach der zweiten Hochzeit oder muss ich ihre Eltern adoptieren? Jetzt bin ich verunsichert.

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3 Kommentare

Julius · 26. Dezember 2017 um 9:11

Ich tippe beim Familiengeheimnis darauf, dass es das Rezept noch gar nicht gibt und es erst bei euch gerade von fraumierau erfunden wurde.

Weihnachtliche Grüße aus einem anderen Kloß-Himmel (Mittelthüringen)

Turtle · 26. Dezember 2017 um 10:30

Das mit dem Familiengeheimnis würde ich nur glauben wenn sie das Rezept reproduzieren kann oder ihre Familie aus Thüringen oder Franken stammt. Ansonsten würde ich auch auf „on the fly“-Kreation tippen. Ich koche auch so und sage immer „Ähhhh…“ wenn ich nach dem Rezept gefragt werde.

Rike · 26. Dezember 2017 um 10:44

„Das ist ein Familiengeheimnis“ war bei uns früher das Synonym für „Dr. Oetker-Fertigpackung“. Ist bei fraumierau jetzt nicht unbedingt als erstes zu erwarten, aber vllt. ist es genau deshalb nicht ganz unwahrscheinlich =)
Fröhliche Weihnachten aus Hamburg!

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