Über Halloween, gegenderte Süßigkeiten, Scream und offene Geheimnisse

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Kannibalen

In der Schule habe jemand erzählt, es gäbe Menschenfresser. Wir sind gerade beim Schlafengehen, was zu fünft im Familienbett ein wenig Sardinendosen-Flair verbreitet, zumal natürlich immer alle auf einem Fleck liegen müssen. Die Stimmung friert instantan ein, die Kinder geraten in Schockstarre und so schlafen sie definitiv nicht ein, denke ich. Ja, nein, also ja, das gäbe es schon, aber es sei jetzt nicht so, dass wenn man in der falschen Gegend langlaufe, man dann einfach in den Kochtopf gesteckt werde, versuche ich abzuwiegeln. fraumierau mustert mich kurz und wirft ein, dass, also Typen wie mich, die würden sie schon gern essen. Ich überlege, ob ich nachfrage, was das jetzt genau heißen soll, aber rede mir ein, sie fände mich halt zum anknuspern. Die Kinder kichern, und ich versichere ihnen, dass an ihnen nun ja wirklich nichts dran sei. Sowas wolle ja niemand.

Halloween

Dabei essen sie ja schon gern. Und viel. Und ständig. Man wundert sich schon, wo genau eigentlich das Essen in Kindern Platz findet. Je schmaler das Körperchen, desto mehr passt rein. Und Dauerbedarf ist auch. Da war das letzte Halloween natürlich das gefundene Fressen. Dieses Jahr waren wir zum ersten Mal auf dem Land. Einen Tag vorher habe ich noch den Idiot Dad im Supermarkt raushängen lassen und einfach die Verkäuferinnen gefragt, ob das denn jetzt hier auf dem Land gefeiert werde und Kinder klingeln kommen würden. Oh ja, antworteten sie, und ich müsse da unbedingt was kaufen. Wirklich schlau, Verkäuferinnen zu fragen, ob man was kaufen soll, dachte ich. Aber sie hatten nicht gelogen. Ich glaube, auf dem Land ist man ehrlicher, weil da sieht man sich immer zwei Mal. Oder vier Mal. Oder eben ständig. Am nächsten Tag nach Einbruch der Dunkelheit jedenfalls bestand das Dorf nur aus Kindern und ein wenig wunderte man sich, wo die eigentlich alle herkommen. Aber klar, es haben eben alle einen Garten, einen Wald oder den Farming Simulator (der auf dem Land sehr beliebt ist!) und da müssen sie ja sonst nicht vor die Tür.

Mädchen oder Junge?!

Ich bin also mit den Kindern losgezogen, während fraumierau von zu Hause die Süßigkeiten verteilte. Also erst, nachdem sie festgestellt hatte, dass ihr selbst gebasteltes Pentagramm aus Korb für die Haustür in Wirklichkeit ein riesiger Davidstern geworden war und sie da vielleicht doch einmal nachbessern musste. Es war draußen mittlerweile dunkel und kalt und die Kinder arbeiteten sich tapfer von Haus zu Haus. Ich war kurz irritiert, als ab und zu gefragt wurde, wer den Mädchen und Junge sei, damit auch die geschlechtergerechten Süßigkeiten ordnungsgemäß zugeteilt werden konnten. Immerhin schaffte ich es, mich zurückhalten, nicht gleich in Twitter-Manier rumzupaulen und zu fragen, ob man denn seinen Penis für so einen Starwars-Kaugummi brauche. Aber es war ja auch alles sehr freundlich und die Kinder sammelten Berge an Süßigkeiten. Der Babysohn im Tragetuch verstand nicht ganz, was Sache ist, aber dass Süßigkeiten im Spiel sind und man nur klingeln müsse für Nachschub, das schien ihm nicht zu missfallen. Ich musste ihm einen ekligen Milkyway in der Verpackung als Übergangsobjekt geben, damit er es die ganze Zeit vor Aufregung festhalten und quetschen konnte.

DAS Haus

Und dann kam dieses eine Haus: der Endgegner. Nein, da würden sie jetzt wirklich nicht klingeln, nein, auch nicht, wenn ich mitkäme. Ich gebe zu: Das Gerippe mit den leuchtenden Augen sah in Wirklichkeit noch gruseliger aus als auf dem Foto und eigentlich war mir auch ganz Recht, dass sie das Haus ausließen. Man kann ja nie wissen. Wahrscheinlich saß ein totaler Halloween-Fan drin, vereinsamte vor sich hin, weil sie niemand wagte, dem Haus zu Nahe zu kommen und verstand die Welt nicht mehr. Immerhin konnte ich die leicht angegruselten Kinder endlich überzeugen, dass wir jetzt dann vielleicht genug hätten und wieder zurück konnten.

Wer will klingeln?

Scream

Zu Hause fanden wir eine leicht fahrig wirkende fraumierau vor. Nein, es ginge ihr gut, es sei nur wirklich etwas anstrengend gewesen. Noch einmal nachgefragt, erzählt sie, dass, als sie sich dran gewöhnt hatte, dass permanent Kinder klingelten, sie die Tür immer gleich in der Hocke öffnete. Nur einmal war es falsch. Da sah sie dann nur Beine, musste immer höher schauen und es blickte eine riesige starre Scream-Maske auf sie herab. Kurz rutschte ihr das Herz in die Hose. Es war dann nur ein Teenager, der gefühlt zwei Meter groß war, aber fand, noch jung genug zu sein, um sich seinen Anteil am Zucker zu sichern. Alles also kein Problem. Aber nächstes Jahre könne ja auch ich das dann machen mit dem Verteilen. Sie würde da jetzt nicht mehr so viel Wert drauf legen.

Geheimnisse

Nachdem die Kinder sich zwei Tage lang ohne Rücksicht auf Verluste durch die Beute essen durften, handelten wir aus, dass das dann jetzt auch mal reichen würde bis zum nächsten Jahrzehnt. Und ab jetzt könne man ja auch wieder gesunde Alternativen genießen. Ja, das ginge schon, maulte es leise zurück. Als dann die nächste Vesperzeit näher rückte und zaghaft angefragt wurde, ob man nicht doch nochmal einen kleinen mundvoll Halloween-Bombe zu sich nehmen konnte, weil man sei auch wirklich sehr hungrig, schlugen wir bewussten Eltern vor, doch einfach ein paar Nüsse und Apfelringe zu probieren. Oder Trockenpflaumen und Datteln vielleicht? Ach, nein, so eilig sei es auch nicht mit dem Essen. Man könne das auch auf das Abendessen verschieben. Ich glaube, irgendwo gibt es noch ein heimliches Lager. Zumindest Spuren aus zerknüllten Papiere überall deuten drauf hin. Na, lassen wir ihnen das Geheimnis.

Der Babysohn war auch verkleidet

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Kategorien: Montagspost

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4 Kommentare

Bianca · 7. November 2017 um 6:21

Ja, das erkläre jemand mal den Kindern: das ganze Jahr über heißt es „nicht so viel süßes, das ist ungesund“ und dann läuft man selbst los, um davon gaaaanz viel zu besorgen. Bei uns macht das aber immer die Oma, damit wir als Eltern argumentativ überlegen bleiben können?

Viviane · 7. November 2017 um 8:54

Boah, ich bin so bescheuert. Ich seh mir das Foto vom verkleideten Babysohn an und denke ernsthaft: „Als Wischmop?“ Es dauerte echt n bißchen bis mir wieder einfiel, dass Einhörner gerade en vogue sind. Liegt vielleicht aber auch daran, dass ich mir vorhin Wischmops (möppe?) in einem Prospekt angesehen habe.

Christian · 7. November 2017 um 10:01

Also wir rennen im Rheinland nicht an Halloween sondern zu St Martin durch die Gegend und sammeln Süßigkeiten ein. Ich hoffe nur für euch, dass ihr das nicht auch macht. Die Termine liegen ja meist sehr nah beieinander.

    leitmedium · 7. November 2017 um 10:46

    Bei uns gibt es zu St. Martin nur trockene halbe Martins-Hörnchen 🙂

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