Über Tomatensaft im Flugzeug, ein David-Lynch-Hotel, Nacktscanner und zu freundliche Menschen in München

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Kerosin

Ob ich nicht ein wenig Kerosin für ihn hätte, fragt der Sohn beim Basteln. Was er denn damit genau wolle, frage ich. Ach, nur den Raketenantrieb fertigstellen. Ich erinnere mich an das Gespräch mit dem Versicherungsvertreter, dem ich erklärte, dass diese Schadensfälle mit Kindern, die er da aufzähle, doch nun recht konstruiert wirken. Ich muss jetzt verhindern, dass die Kinder jemals rausfinden, wie explosiv Cola plus Mentos ist. Wobei solche Experimente ja schon auch Spaß machen, aber das bereut man dann später, weil die hundert Mal „aber nicht alleine machen, ja?!“ doch nur das Gegenteil bewirken.

Hinflug

Dass Kerosin gerade so interessant ist, ist eigentlich kein Wunder nach der vielen Rumfliegerei in den letzten Wochen. (Wer jetzt was zu CO2 und Umweltsauerei kommentiert, hat Recht, verbraucht aber unnötig Strom und sollte daher der Umwelt zuliebe einfach nichts schreiben.) Erst Südtirol und nun München. Ich pluseinste wieder vor mich hin, als fraumierau Lesungsverlagskonferenztermine wahrnahm. Der Hinflug lief recht gut, bis der Sohn eine kleine Blessur an meiner Hand sah und ins Flugzeug brüllte, dass ich wohl die Hand-Fuß-Mund-Krankheit hätte und das sei ja schlimm, er kenne das, aber ich solle mir keine Sorgen machen, das ginge wieder vorbei. Man spürte fast körperlich, wie die umliegenden Passagiere, trotz Gurtpflicht abzurücken versuchten. Das war auch gut, weil so keiner mitbekam, wie ich meinen Tomatensaft runterwürgte. Ich hatte die „mit Salz & Pfeffer?!“ Frage euphorisch bejaht (KOSTENLOS!) und bekam zwei niedliche kleine Tütchen und dachte mir „na, das wird ja genau portioniert sein“ und schüttete alles akribisch in den winzigen Becher. Da man nun im Flugzeug nicht gerade aufstehen und zur Spüle gehen kann und vor den Kindern ja auch nicht mäkelig dastehen will, trank ich mit leichtem Todeswunsch die scharfe Salzbrühe und überlegte, ab wieviel Natriumchlorid man nochmal in Lebensgefahr schwebt.

Gelernt: Man muss nicht alles Salz und Pfeffer benutzen.

Fernes Land Bayern

Nachdem wir gelandet waren und auf die Koffer warteten, erkundigten sich die Kinder, welche Sprache denn in München gesprochen werde und wie das Geld hier aussähe und ob es hier auch blöde Touristen gäbe. Leider sind Erklärversuche mit Stadt, Land, Bundesland und Dialekt eine Mischung aus kompliziert und langweilig, so dass ich davon ausgehe, dass die Kinder immer noch denken, München liege im Ausland. Schließlich sprach man in Südtirol auch deutsch und es war angeblich in Italien, wofür ich vor Ort keine belastbaren Beweise vorbringen konnte. Und dass wir doch jetzt auch Touristen seien, wurde mir schlicht nicht geglaubt, weil Touristen sind doch immer die anderen.

Im Nationalmuseum fanden die Kinder den Penistopf ganz hervorragend

David Lynch Hotel

Das Hotel war diesmal eher ein wenig David Lynch mäßig. Aber eher in einer VHS-Kopie, nachdem der Fernseher einen leichten Gelbstich hat. Man hatte ein wenig Angst, die falsche Frage zu stellen, weil die Betreuerinnen einem ständig „WELCHE ZIMMERNUMMER“ entgegen brüllten und alles war betont runtergekommen und man überlegte, ob die Auszeichnungen und Zertifikate im Eingangsbereich ein Scherz seien. Ich habe mir zumindest die Anbieter notiert und werde dort nie wieder auf Rezensionen achten. Als ich beim Öffnen der Minibar den kompletten Kühlschrank in der Hand hatte, beschloss ich, einfach nichts mehr zu anfassen, was mir erst wieder einfiel, nachdem ich auch noch die Gardine runtergerissen hatte. Als ich an der Rezeption beichten wollte, dass mir das Zimmer kaputt gegangen sei, hieß es wieder nur WELCHE ZIMMERNUMMER und ich glaube jetzt, das ist so etwas wie das Wort „Schlumpfen“ und steht in der Hotelbranche einfach für alles.

Die Detektiv-Uhr

Der große Sohn hatte in München am Tag der Rückreise Geburtstag und bekam endlich seine Detektivuhr. Nachdem er das riesige Ding an seinen schmalen Arm angelegt hatte, verkündete er, dass er sie nie wieder abnehmen werde. Schon gar nicht an der Sicherheitskontrolle am Flughafen, da bräuchten wir uns keine Illusionen zu machen, weil da könne die Uhr schließlich verloren gehen und dann wäre sie ja weg. Nein, er diskutiere da nicht, das käme nicht in Frage. Jetzt will man am Geburtstag ja nicht die Laune des Geburtstagskindes verderben und wir hatten ja auch schon einige Erlebnisse damit in letzter Zeit, aber ich insistierte, er müsse das schon machen, sonst würde er piepen und dann könnten wir doch nicht fliegen. Nein doch nein doch nein doch. Mein Vorschlag, dass wir dann unsere beiden Uhren zusammenknoten könnten und ich persönlich dafür zuständig sei, mich um seine Uhr zu kümmern und er vielleicht durch den Scanner sehen könne wie sie von innen aussah, stimmten dann in letzter Sekunde um, auch wenn das Sicherheitspersonal nicht so den Humor für Uhr-Ablege-Diskussionen mit Kindern hatte. Dafür war ich noch geistesgegenwärtig genug, den Rest der Familie nicht darauf hinzuweisen, dass man an unserem Terminal diese neuen Nacktscanner benutzt, weil dann hätten wohl die Kinder nicht mehr gekonnt vor lachen oder sich geweigert und fraumierau, die das erst erfährt, wenn sie diesen Text hier liest (Ja, sie haben Dich nackt gesehen!), hätte wahrscheinlich aus Prinzip eine Spontan-Demo veranstaltet oder protestgestillt.

Kinderbetreuung

Der Rückflug verlief jedenfalls nicht ganz so. Das begann schon am Flughafen, wo wir eine Kinderbetreuung entdeckt hatten und die Kinder stehen irgendwie auf Kinderbetreuung, also außer auf Schule und Kindergarten natürlich und dann wollten sie da hin. Die etwas schrullige Betreuerin bemerkte erst mitleidig, ob der Sohn denn seinen Geburtstag jetzt hier zwischen Tür und Angel verbringen müsse und verkaufte uns dann überteuerte Kindertattoos und musste mir dann, während fraumierau nach Essen suchte und Nachrichten wie „Curry kostet 18 Euro. Das sind 36 Mark!“ schickte, permanent Tipps geben, wie ich so mit dem Babysohn umgehen solle. Weil Kinder seien ja alle so und so und dann mache man da so und so. Ich habe überlegt, ihr freundlich zu sagen, sie möge doch bitte einfach gepflegt die Fresse halten, aber offiziell bin ich ja nett und das Bild muss ich jetzt als Autorinnen-Gatte natürlich aufrecht erhalten.

Früher Senator Lounge, jetzt Eltern Lounge

Platzwahl

Nun war ich eh etwas geladen, weil in München sind alle so furchtbar nett gewesen. In der U-Bahn zum Beispiel. Als Berliner ist man es ja gewohnt, dass man sich mit Kindern mit Gewalt Zutritt zur Bahn verschafft und jemandem so lange auf die Nerven geht, bis er den Platz freimacht. In München wird man permanent gefragt, ob man sich nicht setzen wolle und wenn man dann ehrlich und freundlich „Nein“ sagt, ist das offenbar ein Protokollbruch und man bekommt ganz aufgeregt noch mehr Plätze angeboten und man sagt immer „nein nein nein“ und hört aber „Es ist kein Problem, bitte!“ und dann will man wieder in die Stadt, wo man sich mit dem Ellenbogen Platz schaffen muss. Und dann tatschen so ältere Frauen Deinem Kind auf den Kopf und sagen etwas auf Nichtverständlich, was wahrscheinlich heißt, wie süß er ist und die anderen Kinder gucken irritiert und Du sagst, sie solle mal das Kind in Ruhe lassen, sonst tatscht Du ihr auch gleich auf dem Kopf rum.

Parfümkotze

Und dann musste der Babysohn natürlich irgendwann am Flughafen kotzen, weil es gerade so gut passt. Und dann stand fraumierau mit ihm im Tragetuch da und die Windel war auch voll und sie roch wirklich nicht gut, also die fraumierau, da half auch das Ehegelübde nichts. Doch dann musste ich sie gleich fast nochmal heiraten als sie meinte, sie würde den Geruch jetzt wegmacgyvern und kurz in der Parfümerie verschwand und sich mit teuren Pröbchen einnebelte. Danach roch sie wie Gucci auf leicht morbide, aber wir schafften es zurück, ohne dass jemand betont die Nase rümpfte.

Neu in „ihre Woche, seine Woche“

Sie fragt, warum er jetzt nichtmal ernsthaft mit ihr reden könne. Er sieht einfach nur einen sprechendenHasen.

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Kategorien: Montagspost

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5 Kommentare

Tany · 17. Oktober 2017 um 8:25

Herrlich herrlich. Vor allem der sprechende Hase!

Merle · 17. Oktober 2017 um 9:08

Hach, ich hab mal wieder sehr gemacht! Danke für den guten Start in den Tag.

Merle · 17. Oktober 2017 um 9:09

Argh. Die blöde Autokorrektur. Sehr gelacht hab ich natürlich.

Miri · 18. Oktober 2017 um 19:03

„aber offiziell bin ich ja nett“ ❤️

HeikeW. aus LIP · 20. Oktober 2017 um 10:09

Lieber Herr Leitmedium!
Ich bin Ihnen ja so dankbar, dass ich mich Dank Ihrer Beschreibung des davidlynchigen Hotels an den schrägen Film „Barton Fink“ erinnert habe!
Tausend Dank!

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