Über verlorene Unterwäsche, Cola Interruptus, Kümmel, ein Nackt-Spa und ein Sprengstoffwischtest

Veröffentlicht von leitmedium am

(Fast) jeden Montag schreibt @leitmedium seine Gedanken zur letzten Woche mit und ohne Familie.

Die Brille – mal wieder

»Mama. Du hast Deine Brille vergessen!« Kurz ist Stille im Auto. Es ist Sonntag Morgen 5 Uhr und wir werden durch das nächtliche Südtirol zwei Stunden lang Richtung Flughafen gefahren. Eigentlich war es gut geplant: Die Koffer sind am Vorabend gepackt, ich stehe 4:15 Uhr auf, dusche, wecke fraumierau, wir packen die Reste ein, wecken die Kinder und fallen ins Auto. Alles hat geklappt. Bis auf dieses kleine Detail. Das könne doch jetzt wohl nicht wahr sein, diese Brille sei verflucht, schimpft sie. Erst letztens war das Mistding doch wochenlang verschwunden.

Die Wasserflasche

Während sie leise vor sich hin schimpft, merke ich, wie mir langsam Wasser an den Beinen runterläuft. Im Auto ist es zu dunkel, um ernsthaft etwas zu sehen und ich ertaste in der Laptop-Tasche auf meinem Schoß eine große Pfütze. Die dämliche Metallflasche, die der Tochter auf dem Herflug schon eine Taschenkontrolle einbrachte, läuft langsam aus. Warum auch immer diese Ökometall-Sachen oft so leicht eklige Silikonverschlüsse haben, die aussehen, als würden sie direkt aus dem Beate Uhse Shop stammen – und ungefähr so gut funktionieren, als würde man einen Dildo als Flaschenkorken verwenden. Ich bitte die Kinder links und rechts von mir um Taschentücher. Sie hätten nur Malblöcke, eine Federtasche und Bücher dabei. Kurz schiele ich auf den weichen Teddybär, der wirklich saugfähig aussieht. Die Tochter kommt auf die Idee, die Lunchpakete aus den Servietten auszuwickeln. Schlaues Kind, Teddy gerettet. Während der Rest der Nacht an uns vorbeizieht, ditsche ich in der Tasche schnell Wasser auf, bevor es die Laptops durchnässt und trinke wutentbrannt die Flasche leer, damit sie nicht noch weiter ausläuft. Nochmal nehme ich dieses Stück Weltrettung nicht mit. Eines Tages wird sie einfach nicht mehr auffindbar sein. Komisch. Nein, ich weiß jetzt auch nicht, wo die Metallflasche ist.

Kümmel!

Am Flughafen haben natürlich alle sofort Durst und ich muss mich rechtfertigen, warum ich denn nun das ganze Wasser allein getrunken hätte. Na, weil es auslief, werfe ich ein. Ja, nein, das sei nun kein Grund, das Wasser zu trinken. Schließlich sei es ja wohl nicht in meinen Mund gelaufen oder wie. Und dann folgt gleich der zweite Skandal. Während ich die Kinder durch Spaziergänge ablenke und mir am Gepäckstand den dämlichen Vorschlag anhören muss, den Babysohn doch in grüne Folie einwickeln zu lassen, haha, fällt fraumierau auf, dass die Lunchpakete alle mit dunklem Brot mit Kümmel gemacht wurden. KÜMMEL! Der Morgen ist gelaufen. Ich bin der Einzige hier, der die Charakterschwäche hat, Kümmel zu mögen. Ich erinnere mich noch dran, wie ich ankreuzen konnte, ob man uns helle oder dunkle Brote machen solle und als gesunder Vorbild-Elter dachte ich natürlich „Oh, dunkles Brot, da leben wir alle fünf Jahre länger“, wobei ich noch kurz überlegte, ob einfach Weißbrot nicht mit weniger Diskussion durchgehe, zumal, als Brotbäcker weiß man das, viele Bäckereien nehmen eh nur Weizenmehl und panschen Malz dazu und dann sieht es nach healthy food aus. Jedenfalls erreichten mich bedrohliche Nachrichten und ich wusste: Jetzt habe ich fünf Minuten, um die Situation zu retten. Ausrufezeichen waren im Spiel!

Ja, ok, man kann es essen

Ein Croissant, ein Cappuccino und ein frischer Orangensaft konnten die Ehe retten. Wohl aber kam der Hinweis, dass das ja wohl eigentlich kein Croissant sei (ja, wir sind hier in Italien und nicht in Frankreich, fraumierau!) und der Cappuccino, nun ja (was meine unpopuläre These bestätigt, dass man in Italien vieles kann, aber keinen guten Espresso) und die Orangen hätten auch noch ein paar Wochen gebrauchen können, um sich von grün zu orange zu färben. Schließlich hießen sie ja nicht Grünen. Das klingt jetzt alles kritisch, aber sieben Uhr morgens auf dem Flughafen Verona mit drei mauligen Kindern ist das eigentlich ein „Dankeschön, Du hast mir den Morgen gerettet, Liebster“. Man muss die Zeichen nur richtig lesen können.

Alles ist so unscharf

So richtig lesen konnte fraumierau hingegen noch nicht. Als sie mich mehrfach bat, ob ob ich ihr nicht dies und jenes kurz vorlesen könnte, fragte ich, ob sie nicht die Kontaktlinsen drin hätte. Das sei doch der Grund, warum sie die Brille vergessen habe oder wie. Nein, sie habe keine drin und die Brille habe sie vergessen, weil sie morgens einfach dachte, alles sei so unscharf, weil sie noch müde sei. Manchmal muss ich mich kurz umdrehen, damit mein Kichern nicht so auffällt und außerdem wurde mir bescheinigt, dass ich ja eigentlich immer im Hotelzimmer die Endkontrolle mache und damit sie doch ich Schuld, dass die Brille nicht da sei. Da wir die Schuldfrage ja ein für alle Mal geklärt haben, musste ich diesen Punkt auch anerkennen. Jedenfalls sieht fraumierau jetzt ein paar Tage nichts, bis die Brille hoffentlich per Post eintrifft. Ich hoffe, es wird nicht so hart gestempelt, sonst müssen wir wieder in den Laden, wo man uns erklärt, dass Gold ja nun wirklich sowas von gestern sei.

Cola Interruptus

Die Brille ist nicht das Einzige, was wir im Hotel gelassen haben. Oder eigentlich muss ich sagen: Was fraumierau im Hotel gelassen hat. Als ich mir an einem Nachmittag kurz fünf Minuten Pause gönnen wollte, ging ich an die Bar und bestellte mir – sehr verwegen – eine Cola. Die großen Kinder waren in der Kinderbetreung, der Babysohn bei fraumierau und ich, ich würde jetzt einfach allein eine Cola trinken und in die Leere starren. Tagebuchreif. Die Cola kam, sie sah mich mit Reif beschlagen an und dann … klingelte mein Telefon. Erst kamen Nachrichten, dann wurde mir mitgeteilt, ich müsse sofort kommen. fraumierau hatte nämlich Wäsche gewaschen und auf dem Balkon aufgehängt und nun … nun war Ihr Schlüpfer abhanden gekommen.

Die gerade zurück kommenden Kinder brachen in Gelächter zusammen und ich frage mich, was sie eigentlich so über uns Eltern denken. Wahrscheinlich gibt es später einen Enthüllungsroman „Geborgen Verwirrt“. fraumierau hing jedenfalls leicht beschämt über dem Balkon und spähte noch lange nach ihrer fehlenden Kleidung, die nun irgendwo in Südtirol umher fliegt und ich fand den Nachmittag trotz Cola Interruptus dann doch ganz gut.

Fast hätte ich sie trinken können

Nackt-Spa

Dabei machte das ja auch gar nichts mit der fehlenden Unterhose. Am Vortag erst, als ich die Kinder vom Baden abholen wollte und alle noch fröhlich planschten, fragte ich, ob fraumierau denn etwas damit bezwecke, dass sie ihre Nippel … also ob sie vielleicht die Brüste nicht einpacken wolle? Oh, das sei ihr jetzt gar nicht aufgefallen. So ist das eben mit dauer-stillenden Müttern. Und dann erklärte sie mir, dass im Erwachsenen-Spa unter dem Dach ja eh alle nackt seien. Das sei doch vielleicht auch was für mich. Schließlich hätte ich ja meine Badehose vergessen. Ja, also nein, och nö, meinte ich. Ich könne auch ohne Spa gut alleine nackt sein. Und dass das jetzt auch ihren bisherigen Aufenthalt dort oben in ein ganz anderes Licht rücke. Und ob „Spa“ denn eigentlich die Abkürzung für Spanner sei? Ich hätte gar nicht gewusst, dass sie da jetzt so eine Person sei. Und wie sie sich denn da so gefühlt habe? Das sei gar nicht so schwer gewesen, sie hätte »Am liebsten sind mir die Problemzonen, die ich noch gar nicht kenne« gelesen (ein tolles Buch übrigens) und es quasi als Sichtschutz verwendet. Wäre doch auch ganz passend, so vom Thema her.

Immerhin, die Badehose des Sohnes hat sie gefunden

Nachtrag

Ich glaube, fraumierau hat meinen letzten Wochenpost gelesen, denn diesmal bestand sie am Flughafen darauf, selber mit dem Babysohn durch den Sicherheitsscanner zu gehen. Doch niedlich und niedlich wirkt offenbar nicht und so wurde sie gleich zur Seite genommen und erst einmal nach Sprengstoff abgewischt. Die Kinder sind fast geplatzt vor Neugierde und die Security-Beamte kam sich sichtlich unwohl vor, als ich den Kindern lautstark erklärte »Da, die Mama wird jetzt von der Frau abgewischt, um zu gucken, ob sie eine Bombe bei hat«. Wie spannend! Ich glaube ja, falls es einen Gott gibt, war er einfach mal nett zu mir und wollte mitteilen: Ey, der Babysohn gehört am Flughafen auf SEINEN Arm, sonst Bombenwischtest, Fräulein!

Und auf die vielen Nachfragen letzte Woche nach dem Apfel-Schneid-Video rückte fraumierau nur sehr sehr zögerlich mit dem Link raus, weil … ach, seht selbst:

p.s.: Als Kleinkind im Flugzeug angeschnallt werden, ist wirklich äußerst bequem.

Das außerplanmäßige Viertel Wochenende in Bildern gestern habt Ihr gesehen, oder?

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7 Kommentare

Tany · 3. Oktober 2017 um 8:28

Danke für diesen herrlichen Start in dem Tag!

Ina · 3. Oktober 2017 um 9:11

Wie immer herrlich unterhaltsam!Danke!

Corinne · 3. Oktober 2017 um 11:33

Da müht man sich sehr, ein möglichst lustiges Buch zu schreiben und dann kommt diese Szene von euch daher und ist vermutlich witziger als das ganze Buch. Schade, dass es schon gedruckt ist. Die hätte noch hinein gehört. Lieben Gruß!

ClaSa · 3. Oktober 2017 um 22:05

Danke, das war mal wieder ein ganz besonders amüsanter Wochenrückblick, der mir nach einem eher ernsten Tag doch noch ein paar Lachfalten geschenkt hat.

Julia Thielmann · 4. Oktober 2017 um 9:53

Einfach wie immer amüsant zu lesen 🙂

Katrin · 4. Oktober 2017 um 19:42

Die Worterkennung deiner Frau macht aus „wehen über die Anlage“ natürlich „Wehen über die Anlage“ ? Ha!

Janina · 28. November 2017 um 8:06

Das Video hat mich wahnsinnig gemacht 😀

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