Warum ich den Teller immer leer essen muss. Oder: Achtet, was Eure Kinder aus Kitas berichten

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[Triggerwarnung: Kindesmisshandlung] »Warum isst Du nicht auf?“, frage ich sie. Sie hat zwei Kartoffeln auf ihrem Teller gelassen. Es stört mich. Es ist nicht richtig. »Äh… weil ich keinen Hunger mehr habe?«. Sie versteht das Problem nicht. Der Teller muss leer sein. Ich piekse mit der Gabel ihre Mittagsreste auf und esse sie leicht kopfschüttelnd. Den Kopf schüttele ich über sie, weil sie es eben falsch ist und über mich, weil ich weiß, dass es falsch ist zu denken, man müsse den Teller leer essen. Aber so habe ich es, und das ist mir erst in den letzten Jahren bewusst geworden, im Kindergarten gelernt. Meine Kitazeit ist gut 35 Jahre her, aber ein paar sehr lebhafte Erinnerungen bleiben. Zum Beispiel an die Mittagessen, wenn es Kartoffeln mit Quark gab. Ich sehe sie noch heute vor mir, wie ich mich geekelt habe. Und wie die Aufforderung kam, das jetzt zu essen. Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt! Du musst aufessen! Der Geschmack, das Hinunterwürgen. Wenn ich heute Kartoffeln mit Quark sehe und rieche, beginne ich leicht zu transpirieren. Mein Essensverhalten ist gestört. Vielleicht nicht nur durch die Kita, aber sie hat einen großen Anteil daran. Es gibt Essen, die bei mir leichte Angstzustände auslösen und ich kann beim besten Willen kein Essen auf dem Teller lassen.

Es klingt fast profan, so ein bisschen zum Essen genötigt zu werden. Aber es hinterlässt Schäden – auf die eine oder andere Art. Und noch immer rätsele, wie mich das erzwungene Decke über den Kopf ziehen beim Mittagsschlaf, das Alleine in einem Raum Schlafen und die leichten Klapse hier und da geprägt haben. Zumindest hat mich all das sehr hellhörig gemacht. Hellhörig dafür, wenn Kinder über Probleme im Kindergarten klagen. Wenn sie sich über das Essen beschweren, weil sie es nicht essen wollen aber es sollen. Wenn sie erzählen, dass sie grob angefasst werden. Und es hat mich darin bestärkt, in diesen Fällen zu agieren. Nachzufragen, andere Eltern aufmerksam zu machen, die Kita zu wechseln.

Was ich gelernt habe: Wer in einer Kita die Idylle durchbricht und offen Probleme anspricht, wird oft gemieden. Die meisten Eltern wollen das nicht hören. Sie haben Angst davor, dass ihr heiß erkämpfter Kitaplatz gefährdet ist, sie wollen nicht wahrhaben, vielleicht ihr Kind tagein tagaus einem Drangsal auszusetzen, sie wollen nicht glauben, dass es TäterInnen gibt und Menschen, die dulden und schweigen.

Und dann lese ich diese Artikel in den Zeitungen mit erschütternden Geschichten über Kitas. Über so viele Menschen, die etwas wussten, aber nicht redeten. Die sich die Augen zuhielten. Und über Eltern, die lieber die Kita erhalten wollen, als auf die Idee zu kommen, dass man Menschen nicht mehr an traumatisierenden Orte bringen sollte. Sie war doch so schön nah, die Kita.

Manchmal, wenn ich in der Gegend bin, halte ich kurz am Haus in der Neuen Schönhauser Straße, in der meine Kita war.

Und dann lese ich, dass wir noch mehr Kitaplätze brauchen. Flächendeckend. Anspruch auf Plätze. Da müssen jetzt noch mehr her. Und ich denke, wie ausgelutscht das Wort „Qualität“ klingt, aber es ist die Gegenthese zu dem schnellen politisch forcierten Wachstum mit schlecht bis gar nicht ausgebildetem Personal. Mir wird übel davon, wie Kindesmisshandlung als statistisches Übel in Kauf genommen wird, weil man Quoten erfüllen muss, die nie zu erfüllen waren.

Und ich denke: Fickt Euch. Steckt Euch Eure Quote sonst wohin. Dreht an Erzieher-Kind-Schlüsseln. Reduziert die Anforderungen an Betreuungspersonal immer weiter. Redet die Geschichten, die immer mehr ans Licht kommen, doch klein. Ich hoffe aber, ihr schlaft wenigstens schlecht.

Und Eltern: Hört auf Euer Herz und Eure Kinder. Wenn sich etwas komisch anfühlt, wenn Euer Kind sich merkwürdig verändert, nehmt es ernst. Es kann mit ein paar Jahren noch nicht sagen „Ich werde misshandelt“. Und glaubt nicht, dass es lügt oder übertreibt, nur weil es so abwegig klingt. Seid bereit, Euren Kitaplatz in den Wind zu schießen, wenn ihr unsicher seid. Vielleicht kann Euer Kind dann später auch den Rest auf dem Teller lassen.

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Kategorien: Allgemein

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Parteiloser Postprivatier.

28 Kommentare

Maja Rae · 2. Juni 2017 um 9:00

Sehr starker Artikel!! Mein kleiner Mann muss auch bald in die Betreuung und da wird mir schon fast schlecht, wenn ich sowas lese… Er ist ja noch so klein!
Die Kita, in die er ab nächstes Jahr kommt, ist sehr schön und macht auch vom Personal her einen guten Eindruck. Ich hoffe, das täuscht nicht. (Zum Glück gibt es ja aber nicht nur schwarze Schafe!)
Wachsam bleiben ist aber immer angesagt!

Danke für die Worte!

Kezia Nicolaus · 2. Juni 2017 um 9:38

Mega gut <3 auch wenn ich erst 20 bin und 'nur' 3 Nichten habe, bin ich frih diesen Blog gelesen zu haben und das im Kopf zu behalten für die Kinder anderer oder meine eigenen. DANKE

Maren · 2. Juni 2017 um 12:43

Dank der Kita esse ich bis heute keine Maultaschen! Als Kind mochte ich sie, bis zu diesem einen Tag als ich gezwungen wurde den Teller leer zu essen, obwohl ich nicht mehr wollte.

Deborah · 2. Juni 2017 um 13:18

Ich bin Kinderpflegerin, und habe durch die Ausbildung und FSJ einige Kindergärten gesehen. Wie oft musste ich mir Anhören, hinter vorgehaltener Hand, sie gibt ihnen zu viel?! Das Kind wollte nicht raus, es war kalt und es legte sich draußen auf den Boden. Also bin ich hin und habe versucht mit dem kleinen etwas zu finden was ihm spaß macht. Damit er aufsteht. Auch ist der Tonfall leider oft ganz schön ruppig gewesen. Andererseits habe ich natürlich auch das komplete Gegenteil erlebt, da wurden die Kinder dort liebevoll Abgeholt wo sie standen.
Jetzt bin ich selber Mama und all das ist für mich leider auch ein Grund den kleinen erst ab drei in den Kindergarten zu geben. Wenn ich zumindest die Chance habe von ihm etwas zu erfahren.
Und der Betreuungsschlüssel von Berlin im Gegensatz zu Badenwürtemberg ist unterallersau!

Linda · 2. Juni 2017 um 13:31

Geht mir mit Pflaumenmus so und auch ich esse den Teller leer und ich schlafe auf der linken Seite…. weil ich es früher musste…

Ab Mitte Juli muss mein Sohn (dann 14 Monate) in die Kita auch mir wird schlecht bei dem Gedanken.
Ich hoffe, wir tun das Richtige.

Sarah · 2. Juni 2017 um 13:36

Genauso ist es! Ich bin selber Erzieherin und hab schon während der Ausbildung gedacht, dass ich min. 2/3 meiner Mitschüler meine Kinder nicht anvertrauen würde. Jetzt mit ein paar Jahren Berufserfahrung und fast 2 Kindern wird mir schlecht bei dem Gedanken meine Kinder fremdbetreuen zu lassen. Ich habe einfach schon zu viel gesehen und miterlebt bei Kollegen und da rede ich gar nicht von den schlimmen Dingen die später in der Zeitung stehen, sondern eben von so vermeintlichen Kleinigkeiten wie aufessen, schlafen müssen, ein bis zwei Stunden ausZeiten auf Stühlen oder in leeren Nebenräumen… mein Großer hat einem Kita Platz wenn er 3 ist und ich hoffe, dass ich Vertrauen fassen kann und es meinem Kind dort gut geht, aber tatsächlich habe ich große Angst davor…

    Deborah · 2. Juni 2017 um 14:06

    Während meines FSJ gab es einen kleinen Jungen (2) , der immer meine Nähe suchte. Als ich dann nch den Sommerferien meine Ausbildung begann, im gleichen Kindergarten, durfte er im Stuhlkreis nicht mehr neben mir sitzen, weil er meistens dabei gekuschelt hat. Er hat es nicht verstanden, er wollte nichts mehr von mir wissen. Das tut mir heute noch richtig weh. Leider war ich damals zu unsicher um mich für den kleinen einzusetzen. Und das mit den Mitschülern kann ich leider nur voll und ganz Unterschreiben.

Rahel Heise · 2. Juni 2017 um 14:42

Es gibt aber auch wirklich gute Betreuungsangebote. Meine beiden Söhne sind in privaten Einrichtungen (kostet bei uns nur 30 € p.m. mehr).
In der privaten Kita ist mein Mann als Geschäftsführer tätig und bekommt auch die Dinge hinter den Kulissen mit. Wir und die anderen Eltern arrangieren sich sehr. Die Mitarbeiter gehen hier wirklich sehr liebevoll mit den Kindern um, vor allem mit den zweijährigen. Die werden ständig getragen und sitzen quasi immer auf dem Schoss der Erzieher. So was wie aufessen gibt es bei uns nicht. Schlafen muss auch kein Kind. Die Kinder schlafen individuell.
Ich kann private Elterninitiative weiter empfehlen. Als Eltern muss man mit arbeiten, dafür kann man viel mehr mitbestimmen und weiss wie die Kinder betreut werden. Zudem steht man in engen Kontakt zu den Erziehern, weil man einfach auch mehr Zeit dort verbringt.
Gibt es solche Einrichtungen auch in Berlin? Ich komme aus dem Raum Köln/Bonn.

    Myriam · 2. Juni 2017 um 15:16

    Elterninitiativen, Kinderläden, gibt es viele in Berlin. Ich war selbst in einem und für meine Kinder kommen auch nur solche in Frage. Ich denke, das Problem für viele berufstätige Eltern ist aber, dass die Kinderläden meist kürzere Öffnungszeiten haben als staatliche Kitas und–wie der Name „Elterninitiative“ schon vermuten lässt–mehr Einsatz von diesen verlangen. Putzen, kochen, Elterndienste… Da kommen wir mit Öffnungszeiten von 8-17 Uhr und nur ein Wochenende im Jahr renovieren noch super bei weg.

Jana · 2. Juni 2017 um 15:09

Ich musste im Kindergarten und zu Hause auch immer aufessen, vor allem so eklige Dinge wie Linsensuppe, fettige Fleischstücke, Gulasch, sauereingelegtes Gemüse, Wurstbrote.
Und warme Milch musste ich immer trinken. Bis heute kann ich keine warme Milch trinken und wenn sich dann die Haut ausgebildet hat, ich würge heute immer noch wenn ich daran denke. Ich habe in meiner Kindheit viel Zeit damit verbracht an Tischen zu sitzen um aufzuessen. Schrecklich.
Meine Schwiegermutter sagt zu meiner fast dreijährigen Tochter gerne, sie muss aufessen damit sie groß und stark wird, so ein Mega-Bullshit. Sie lässt da nicht mit sich reden. Es ist echt traurig was die Leute mit ihrem Gerede und ihrer Zwangausübung alles kaputt machen können.

    Chris · 2. Juni 2017 um 16:06

    Ja, das ist eine andere Generation. Ich wurde zuhause noch verprügelt, wenn ich nicht aufaß und habe mir geschworen (und gehalten), dass das meinen Kindern niemals passieren wird. Wenn solche Sprüche kamen, habe ich mein Kind geschnappt und war weg. Irgendwann haben es dann Eltern und Schwiegereltern kapiert. Solchen Unsinn lassen sie meinem Nachwuchs gegenüber heute nicht mehr ab.

Chris · 2. Juni 2017 um 15:39

Schlafen auf einer Seite mit Decke über den Kopf, Sitzenbleiben, bis aufgegessen ist… ja, in einer solchen Kinderaufbewahrungsanstalt war ich als Kind auch und habe erst vor ca. 5 Jahren festgestellt, dass Kürbis auch lecker sein kann. Vorher habe ich den aufgrund eines Erlebnisses in der Kita (süß-sauer eingelegter Kürbis muss aufgegessen werden- bäh), nicht angerührt. Man glaubt es manchmal nicht, wie prägend die frühe Kindheit ist. Aber es geht auch anders: Mein Kind hat zu seiner Jugendweihe tatsächlich seine Kita-Erzieherin, zu der er zu diesem Zeitpunkt überhaupt keinen Kontakt mehr hatte, (ohne unser Zutun) eingeladen und sie kam zu seiner Freude auch. Er wollte damals nach dem 1. Schultag auch sofort in seine heiß geliebte Kita zurück. Ging leider nicht. Die Grundschullehrerin war einfach furchtbar und wir beide des Öfteren ein Knäul. Ein Glück wendete sich das Blatt dann in der 3. Klasse in Form einer neuen Klassenlehrerin. Heute muss ich sagen, dass man sich zwar nicht immer die Menschen in öffentlichen Einrichtungen, die für unsere Kinder verantwortlich sind, aussuchen kann, man kann und sollte als Elternteil aber immer ein Auge darauf haben und bei Auffälligkeiten (z.B. im Verhalten der Kinder) sofort reagieren und das Gespräch suchen.

Tina · 2. Juni 2017 um 16:12

Hach. Wie immer so schön auf den Punkt!

Ich gehe inzwischen sogar soweit, dass ich von Betreuungseinrichtungen eine Erziehungspartnerschaft verlange. Nette Betreuung reicht mir nicht. Gemeinsame Grundwerte finde ich schon nötig. Und war schon mehrfach erschrocken, dass das nicht selbstverständlich ist.

Frische Brise · 2. Juni 2017 um 16:55

Ich sage nur: Kartoffelpuffer!

Warum ich Erzieherin geworden bin, habe ich hier aufgeschrieben:

http://frische-brise.blogspot.de/2013/04/im-kindergarten.html

Viele Grüße!

Franziska · 2. Juni 2017 um 20:05

Ein starker Artikel, Dankeschön!!
Einer der Gründe warum unsere Kinder die ersten drei Jahre zu Hause bleiben.
Traurig das es so Was gibt und Kinder unser wichtigstes Gut so behandelt werden.

Steffi · 2. Juni 2017 um 21:33

Ich habe einen Wahnsinnsrespekt vor all denjenigen, die den KiTA-bzw.Berufsalltag in den Großstädten managen.

Mir geht es nicht in den Kopf, weshalb man sich für einen pädagog. Beruf entscheidet und dann die Würde und Persönlichkeit dieser kleinen Menschen so mit Füßen tritt. Wenn da zur Selbstjustitz gegriffen würde, es wäre nachvollziehbar.

Ein toller Beitrag, hoffentlich lesen ihn viele und macht eventuell Betroffenen Mut, ihre Stimme zu erheben und sich schützend vor die KINDER zu stellen. Denn die sind unsere Zukunft.

LG Steffi

Stefanie · 2. Juni 2017 um 21:40

Da mir solche netten Artikel regelmäßig von Facebookbeiträgen bestimmter Bekannter empfohlen werden […genau die Bekannten, deren Kleinkinder überhaupt nicht in Kinderkrippen/-gärten gehen, genau diejenigen, die zu Hause scheinbar reichlich Zeit haben, jeden Blog/Ratgeber zum Thema zu studieren und dementsprechend „Ahnung haben“, aber noch keine Kita von innen gesehen haben…] fühle ich mich ernsthaft genötigt für unsere Einrichtung eine Lanze zu brechen. Dieses „über einen Kamm scheren“ finde ich unerträglich. Unsere Krippe (U3-Betreuung) hat einen durchschnittlichen sächsischen Betreuungsschlüssel von 6 Kindern auf eine Betreuerin (+ Praktikanten/Azubis/FSJler-innen; und so viele Kinder pro Betreuerin waren zumindest im letzten halben Jahr noch nie gleichzeitig da). Ich hatte im Vorfeld die Möglichkeit mehrfach mit Kind die Gruppe zu besuchen und mich mit den Erzieherinnen auszutauschen und mir auch in regelmäßigen Besuchen der einrichtungseigenen Mutter-Kind-Krabbelgruppe die Lokalität (und die Küche) genau kennenzulernen. Vielleicht hab ich ja Glück, aber mein Neurodermitis- und Allergiekind bekommt sehr viel Aufmerksamkeit, extra Eincreme-Einheiten und – man höre und staune- Nachfragen darüber, wie man zu seinem Hautwohlergehen beitragen könne! (Die anderen Kinder übrigens auch – ich bin ja öfters zu Gesprächen in der Gruppe). Da ich selbst für seine Verpflegung sorgen muss, sehe ich, dass er keinesfalls aufessen muss. Wenn ich ihn außer der Reihe abhole (ja, nach Absprache ist man da sehr flexibel und entgegenkommend), sehe ich öfters einzelne Kinder, die statt im Schlafsaal eine traurige Mittagsruhe fristen müssen, im großen Sitzsack im Arm einer Erzieherin kuschelnd Bücher o.ä. anschauen.
Also bevor hier jemand um das Wohlergehen seines Kindes weint, aber noch nie eine Kita von innen gesehen hat: erst anschauen, dann meckern! LG

Hans-Georg · 2. Juni 2017 um 22:29

Was ich mir selbst auf den Teller packe, ok, das müsste ich wohl oder über aufessen. Deshalb nehme ich am Buffet immer nur kleine Portionen, dafür gehe ich aber gern auch 5 x und packe mir nicht den Teller voll mit Nahrungsmitteln, die gar nicht zusammenpassen.
Wenn mir jemand den Teller vollpackt weil er meint, dass gehört so – dann muss ich das nicht aufessen. Ich selst hätte ja vielleicht weniger genommen, meinem Appetit entsprechend. Oder ich probiere erstmal vorsichtig und dann kann ich immer noch sagen: Bitte noch eine Portion.
Und so sollte man seine Kinder erziehen.

Anni · 2. Juni 2017 um 22:55

Ja. Schwieriges Thema. Und noch viel schwieriger, die Launen des Kindes zu deuten und evtl mit den für uns nicht einsehbaren Vorgängen in der Kita in Verbindung zu bringen.
Letztlich konnte ich es dann doch, nachdem mein Bauchgefühl ohnehin schon Alarm schlug. Unverhältnismäßiges Anschreien (wobei in meinen Augen anschreien sowieso gänzlich unangebracht ist), mangelnde Grundversorgung (wickeln vergessen, essen nicht begleiten, eincremen vergessen und daher Sonnenbrand,…) sind nur ein paar der Gründe, warum wir schon nach 2 Monaten Kita einen neuen Platz gesucht und später auch gefunden haben. Auch hier heißt die Lösung Elterninitiative. Denn die Verantwortung noch einmal 100% an der Türe abgeben kann ich nicht mehr.
Und wie im Text angerissen stoße auch ich eher auf Unverständnis bei anderen Müttern (Stichwort Übermutter, überreagieren, nicht loslassen können etc. pp). Das ist mir aber herzlich egal, wenn es um das Wohl meines Kindes geht.

PS: ich möchte übrigens nichts über einen Kamm scheren hier. Ich weiß, dass es auch bei freien/kirchlichen/städtischen Trägern wundervolle Erzieherinnen gibt (wäre ja auch schräg, wenn nicht), selbst in unserer alten Kita waren ganz ganz tolle liebevolle Erzieherinnen – leider in der anderen Gruppe… aber das hier ist eben unsere persönliche Erfahrung, die wir leider machen mussten.

Doro · 3. Juni 2017 um 0:46

Wir haben zum Glück eine richtig gute Kita erwischt, die mit uns zusammen auf partnerschaftlicher Ebene arbeitet.
Unsere Tochter kam mit 11 Monaten in die Kita.
Weil sie noch so klein war und nichts erzählen konnte, hatte ich entsprechenden Bammel vor der Kitazeit meiner Tochter und ob das alles gut gehen würde.
Die Sorgen wurden beim ersten Besuch bei laufendem Betrieb schon viel kleiner. Wir erlebten eine Erzieherin mit zwei kleinen Kindern auf dem Arm, die eine wunderschöne Übergabe an zwei Elternteile gemacht hat. Eine andere Erzieherin, die ein verschlafenes Kind in der Tragehilfe hatte. Die Eltern, die wir beim Abholen getroffen haben, haben die Kita wärmstens empfohlen. Der Personalschlüssel war mit Fachkräften erfüllt und diese arbeiten auch alle Vollzeit. Die Grundhaltung, die bei der Vorstellung der Kita rüberkam, war genau die, die für uns passte. Eine Eltern-Kind-Initiative, bei der wir auch einen Platz bekommen hätten, machte uns dagegen Bauchschmerzen. Dabei kannte ich die Leiterin der Einrichtung aus der Krabbelgruppenzeit schon und ich mochte sie auch. Die Erzieherin vor Ort und die ganze Einrichtung machten aber keinen so guten Eindruck auf uns.

Die Eingewöhnungsphase kam und ich bin so froh, dass es diese Phase gab. Meine kleine Maus war begeistert von den anderen Kindern und von den Spielsachen. Sie hat gegessen, sie hat sogar angefangen neue Sachen zu probieren. Sie fand die Erzieherin klasse und ist bei ihr auf dem Arm eingeschlafen. Sie hat sich wickeln lassen. Alles schrittweise. So habe ich auch den Alltag kennen gelernt und erlebt, wie liebevoll die Erzieherinnen mit ihren Kindern umgehen. Sie hat bei den Trennungen dann auch kein einziges mal geweint und sich jedes Mal total gefreut, mich wieder zu sehen.
Den Alltag erleben wir immer noch jeden Tag. Wer morgens vor 8:45 Uhr kommt, kann sich richtig Zeit lassen. Beim Abholen kann jeder so lange bleiben, wie er möchte. Ich bin mehrmals eingeladen worden, doch zu bleiben, wenn es entsprechende Spielsituationen gab oder die Tochter noch beim einer Zwischenmahlzeit saß. Hospitationen sind nach Absprache möglich.
Ohne die Kita hätte meine Tochter keine so tollen Bewegungsangebote gehabt. Ich hätte sie sicher nicht auf einem großen überfüllten Spielplatz mitten in der Stadt auf allen vieren robben oder auf den Knien rutschen lassen. Die Rutsche wäre sie somit auch nicht hinaufgeklettert und hinuntergerutscht und das erklettern einer Natursteintreppe hätte so auch nicht stattgefunden. Als mein Vater starb, wussten alle Bescheid und waren für uns da. Sie haben die Betreuungszeiten sehr kurzfristig sehr flexibel gestaltet für uns.

Es gab zwischendurch leider einen einschneidenden Wechsel der Erzieherinnen durch eine Schwangerschaft und eine Erzieherin, die in den ü3-Bereich gewechselt ist. In der Zeit wurden dann auch keine neuen Kinder aufgenommen, erst nachdem die neuen Erzieherinnen richtig eingelernt waren. So lange waren zwei Gruppen nur halb voll. Da gab es sozusagen nochmal eine Eingewöhnung für alle. Das fand ich sehr beeindruckend, denn das hätte die Einrichtung auch anders machen können. Die verärgerten Eltern, die schon Platzzusagen hatten, hätte ich nicht erleben wollen. Es gab in einem Monat auch mal eine riesige Krankheitswelle der Erzieherinnen. Da haben alle Eltern zusamen geholfen und jeder, der konnte sein Kind zu Hause gelassen.

Wir hatten zwischendurch auch mal eine Krise mit dem Mittagschlaf in der Kita. Jetzt haben wir die Abmachung, dass unsere Tochter jedes Mal explizit gefragt wird, ob sie müde ist und schlafen will. Die Initiative dazu kam von der Bezugserzieherin.
Ich werde auch nie das Elterngespräch nach einem völlig mißglückten Kinderarztbesuch vergessen. Der Fragebogen begann damit: „Was hat Ihr Kind seit dem letzten Gespräch gelernt?“
Nach dieser Frage und dem anschließenden Gespräch war ich plötzlich stolz auf mein Kind und machte mir keine unnötigen Sorgen mehr.
Wir haben sehr großes Glück mit unserer Kita und für unsere Familie ist sie unser kleines Dorf, das es für das Aufwachsen eines Kindes braucht. Das wünsche ich mir für alle Familien. Deshalb machen mich solche Berichte wie oben so traurig. Und ich bekomme wieder Bammel, wenn ich daran denke, dass nächstes Jahr schon der Wechsel in den großen Kindergarten kommt. Aber wir werden weiter da sein und Acht geben auf unsere Tochter und dann wird sicher auch das gut werden.

Maggi · 3. Juni 2017 um 10:05

Meine Kindergartenzeit liegt 40 Jahre zurück. Ich kenn das überhaupt nicht, habe nur schöne Erinnerungen. Es GI g au h damals anders. Allerdings war es auch ein sehr kleiner Kiga. Mein Sohn 5 ist seit 4 Jahren in einer Einrichtung,Krippe 2gruppig, Kiga 1gruppig. Es ist ein Verein und ich bin seit 4 Jahren im Vorstand. Hier ist alles sehr transparent. So etwas ist immer zu empfehlen. Klein aber fein. Versucht ob ihr dort als Eltern mal selbst was anbieten könnt für die Kinder. Schaut Euch den Ablauf an. Und ja, wichtig, hört Euren Kindern zu!!!

Gaby · 4. Juni 2017 um 15:02

Ich bin mit fünf in den Kindergarten gekommen, weil meine Eltern dachten, ich müsse mich vor der Schule an andere Kinder in einer Gruppe gewöhnen.
Ich habe es vom ersten Tag an gehasst, dort zu sein, obwohl es nur vier Stunden am Vormittag waren. Und wir dort zu nichts gezwungen wurden.

Mein Sohn ist mit zwei Jahren in einen Kinderladen gekommen, und er hat es geliebt, dort zu sein. Und das, obwohl man ihn gezwungen hat, Dinge zu probieren, von denen er schon wusste, dass er sie nicht mag. Er hat sich gewehrt: gegen das Essen, gegen den Mittagsschlaf für Vorschulkinder und anderes. Und wir uns für und mit ihm.

Auch in Schulen passieren solche Dinge, und das, obwohl Kinder dort schon größer sind und sich artikulieren könnten. Das aber oft nicht tun, wenn sie von Lehrern ungerecht behandelt werden. Oder gedemütigt. Und da ist es für Eltern genau so schwierig, sich zu wehren, wie für Kinder.
Und es gibt viele, viele Eltern, die ihre Kinder schlimmstens bestrafen, sie zum Essen zwingen, schlagen, mit Arrest bestrafen.

Man muss immer sehr genau hinsehen – nicht nur im Kindergarten.
Und es gibt außerdem viele gute. So, wie es auch gute Schulen gibt. Und zum Glück auch viele liebevolle Eltern.

Fanny · 7. Juni 2017 um 0:29

In der Kita meines Sohnes gab es permanent Personalprobleme, der Fokus lag auf den Konflikten zwischen Eltern, Erziehern und Geschäftsführung. Nicht auf den Bedürfnissen der Kinder! Angespannte Stimmung, keine Transparenz, keine Verlässlichkeit. Die letzten Monate vor der Einschulung im letzten Jahr, hat mein Sohn das Essen und die Essenssituation in der Kita komplett verweigert und gemieden. Ich hätte ihn eigentlich gerne noch 1 Jahr länger in der Kita gelassen, hab mich dann aber doch, aufgrund dieser unzumutbaren Situation, für die Einschulung (Montessori) mit 5 Jahren, entschieden. Ein Glück, kann ich heute nur sagen! Nun holt er sich 2x Nachschlag 🙂 und es geht ihm gut!
In der Kita finden weiterhin Personalwechsel statt, es hat sich nichts geändert. Arme Mäuse …

Jenny · 13. Juni 2017 um 15:03

Seit dem Kindergarten gab es bei mir keine Butter oder Ähnliches mehr auf dem Brot, weil ich im Kindergarten Margarine essen sollte. Immerhin war ich damals schon so stur,dass ich mir das nicht habe aufschwatzen lassen und im Gegenzug es dann bis heute nicht mehr angerührt habe.
Wir überlegen unserem Sohn den Kindergarten ab 3,5 Jahren anzubieten und dann mal schauen wie es ihm gefällt… Für mich ist es wichtig, dass die Kinder sprechen können bevor es in die Kita geht, dann haben sie wenigstens eine Chance sich uns verbal mitzuteilen wenn was gut oder schlecht läuft. Danke für diesen (und überhaupt alle) deiner Texte!

Daniela Fischer · 14. Februar 2019 um 21:02

Unsere Tochter ist zehn Monate. Ich habe entschieden, meine Elternzeit noch mindestens bis zum ihrem zweiten Geburtstag zu verlängern und am liebsten hätte ich sie die ersten drei Jahre zu Hause. Weil sie eben jetzt nahezu schutzlos ausgeliefert ist. Und wer weiß, wie feinfühlig ich noch nach einem Arbeitstag mit zwei Stunden Mindest-Pendeln sein werde?
Nein. Ich möchte sie wohl behütet Wissen. Bei den Einrichtungen, wo das Gefühl mies war, haben wir sie gar nicht erst angemeldet.

Kita: Qualität vor Quantität! · 2. Juni 2017 um 15:11

[…] aber die ersten, die es ansprachen. Und ich bemerkte damals ein Phänomen, das der Blogger Leitmedium in seinem Artikel zum Thema so treffend […]

Düstere Kindergartenzeit | Mit viel Gefühl · 27. Juni 2017 um 22:30

[…] Beitrag auch um die andere Seite gehen, die ich in meiner Kindheit erleben musste. Ich hatte den Artikel von Leitmedium gelesen und im Anschluss noch den von Frische Brise, der in den Kommentaren verlinkt war. In beiden […]

Kita und Tagesmutter: Qualität vor Quantität! | kinderhaben.de · 3. Januar 2019 um 20:19

[…] aber die ersten, die es ansprachen. Und ich bemerkte damals ein Phänomen, das der Blogger Leitmedium in seinem Artikel zum Thema so treffend […]

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